Buch / Susan Blackmore 1999
Lektüre-Notizen:
- Vorwort von Richard Dawkins:
- "Mem" als das, was sich in Kultur kopiert; analog dem, was sich in Biologie als "Gen" kopiert; alles nur UnterKlasse der "Replikatoren" als allem, was sich unter den Prinzipien des "Universalen Darwinismus" kopiert. Dawkins' ursprüngliche Prägung des Begriffs war nichts Ambitionierteres als nur die Erweiterbarkeit des Modells über Aminosäuren hinaus zu demonstrieren.
- Zur Kritik, memetisches Kopieren bezeichne etwas für die Analogie zu unpräzise, differenziert Dawkins ein: Wird das Produkt kopiert (ein Klang, ein Gemälde, eine Performance)? Dann ist im kulturellen Bereich hohe Ungenauigkeit normal. Oft wird aber eigentlich eine Anweisung kopiert, die sehr viel digitaler ist als das Produkt und aus diesem für Nachahmer präzise auslesbar.
- Auch Meme können sich wie Gene in unsere Körper einprägen. Ein Außerirdischer, der die Beschnittenen begutachtet, könnte auf die Idee kommen, das Merkmal der Beschneidung sei genetisch erblich; verbreitet es sich doch oft eher vertikal im Stammbaum (Beschnittene beschneiden ihren Nachwuchs) statt horizontal unter Genossen.
- Der Phänotyp des Mems ist extrem wechselhaft: Papier, Klang, Handlung. Der des Gens beim näheren Hinsehen aber auch: liegt eben nicht nur in der äußeren Form des Tieres, sondern ebenso in Verhaltensweisen und im "extended phenotype" sogar z.B. in Manipulationen, die bestimmte Tiere instinktiv ihrer Umwelt aufprägen.
- Vorwort von Susan Blackmore:
- "Strange creatures":
- Was unterscheidet Menschen von anderen Tieren? Intelligenz? Naja. Spätestens seit unsrer Arbeit an Künstlicher Intelligenz lernen wir immer mehr, dass wir Intelligenz gerade dort überschätzen, wo sie uns von den Tieren zu trennen scheint (beim SchachSpiel), und dort unterschätzen, wo sie Tier-Intelligenz gleicht (simples Wahrnehmen).
- Nein, was uns vom restlichen TierReich zu unterscheiden scheint, ist unser Vermögen zur Imitation. Auch Tiere lernen; aber sie scheinen es kaum über Imitation zu tun. (Wie sonst? Das bleibt etwas unklar.)
- Dawkins 101: Die Theorie vom "selfish gene" postuliert, dass weder Gruppe noch Individuum der treibende Replikator, das seinen LebensRaum räumlich/zeitlich Vermehrende sei, sondern das einzelne Gen. Der Rest, Individuum, Spezies, stellt nur die Vehikel der Gene bzw. der Replikatoren dar.
- Meme nun sind neu entstandene Replikatoren, die eine ähnliche Evolution vollziehen, die der zweiten inzwischen um nichts mehr nachzustehen scheint; auch sie nutzen und organisieren die Formen der Umwelt zu Wirten, zu Vehikeln ihres Schutzes und ihrer Reproduktion.
- Ein neuer kopernikanischer Schritt: Wieder wird des Menschen Souveränität eine Stufe erniedrigt: Auch unsere Lieder, Ideen, Verfahren, Kulturen sind nicht mehr einfach von uns für uns, sondern entwickeln uns gegenüber Souveränität, nutzen uns, gebrauchen uns, symbiotisch, parasitisch, nicht immer zu unserem Vorteil.
- Blackmore verspricht, im Appell an wissenschaftliche Normen, nicht nur, über die Memetik vieles einfacher erklären zu können als Konkurrenz-Theorien (HirnWachstum, Besonderheiten menschlichen Verhaltens), sondern auch, überprüfbare Vorhersagen zu treffen.
- "Universal Darwinism":
- Darwinistische Evolution setzt sich aus drei Faktoren zusammen: Variation (Mutation, Veränderung), Selektion (Auslese), Vererbung/Erhaltung. Hierüber schaukelt sich Einfaches und Wahrscheinliches zu Komplexem und Unwahrscheinlichem hoch. An diesen Prinzipien, nicht an Details der Genetik, sollte die Mem-Lehre gemessen werden.
- Vererbung/Erhaltung der Meme: Es gibt GleichBleibendes, das sich in TextForm verbreitet. Variation: Gleichzeitig unterliegen Texte bei Verbreitung auch der Veränderung (spiele Stille Post) und vor allem auch der Neu-Kombination ihrer BestandTeile. Selektion: Verbreitet/erinnert wird, was in unsere Kognition, unsere Interessen usw. passt.
- Wie einzelne Gene zum Erfolg erst durch Bündnisse bzw. ZusammenSchlüssse zu Genomen, Chromosen finden, finden viele Meme erst zum Erfolg durch ZusammenSchlüsse in Mem-Komplexen / "memeplexes"; so etwa die "Kopier mich!"-Anweisung eines KettenBriefs erst in Verbindung mit rührseligen und/oder magischen HintergrundGeschichten.
- Mem ist wirklich nur das, was sich über unsere eigenen Köpfe hinaus verbreitet; ein Text muss also erst Replikator werden, ist es nicht bereits für sich, wenn wir ihn in uns hinein denken. Es gibt aber immerhin Theorien, dass auch die InnenWelt unseres Kopfes für sich nach darwinistischen Prinzipien sich entwickle.
- Wie auch in der biologischen Evolution lässt sich bei manchen Men-Kombinaten von "Viren" reden, wobei Blackmore den Begriff ganz auf die Frage eindampft, ob der Replikator für uns von Nutzen sei oder nicht. Religionen sind in der Dawkins-&-Freunde-Welt Viren, weil sie sich nur egoistisch über uns replizieren, ohne uns Gutes zu tun.
- "The evolution of culture":
- Evolutions-Theorien der Kultur sind nicht neu, unterscheiden sich aber in ihren Prinzipien und Details. Im Gröbsten ist ja schon jede Theorie, die besagt, dass Kultur sich graduell entwickle, statt in fertigen Batzen, eine Evolutions-Theorie. Spannender wird es ab Beifügung darwinistischer Prinzipien (Variation, Selektion, Vererbung).
- Viele Theorien zur Entwicklung der Kultur aus evolutions-biologisch-genetischen Bedingungen heraus. Heute wissen wir, dass sowohl die Gene als auch unser Umfeld unser Verhalten lenken (und in Kombination wohl voll determinieren?). Kontrovers oft die Frage des Misch-Verhältnisses.
- KulturEvolutions-Theorien-Verweise u.a. auf Jared Diamond, die SozioBiologen, Edmund O. Wilson.
- Die Evolutions-Psychologie (Steven Pinker) erklärt die Herkunft vieler unserer psychologischen Eigenheiten, aber noch nicht die Komplexitäten der höheren Kultur. Der Memetiker braucht die Evolutions-Psychologie, aber nur als HilfsWissenschaft: Sie erklärt einige Bedingungen der Umwelten (menschliche Gehirne), in denen Meme sich entwickeln.
- Die Entwicklung der AgrarWirtschaft wurde genetisch erklärt: Die AgrarStämme über-brüten die Jäger und Sammler. Tatsächlich deutet aber vieles auf relative Einbrüche der Fitness bei den frühen AgrarVölkern hin. Für Blackmore ist die frühe AgrarWirtschaft Beispiel für ein Mem, das das Leben der Wirte eher verschlechtert als verbessert.
- Differenz der Memetik zu den anderen Theorien: Sie entdeckt in der kulturellen Evolution die Auslese/Variation/Imitation von kulturellen Replikatoren mit Souveränität gegenüber der genetischen Evolution. Einmal losgelassen, schert sich die memetische Evolution nur noch um sich, nicht um die Gene, die TierWelt o.ä.
- "Taking the meme's eye view":
- Rätsel des ewigen Denkens: Denken kostet Energie, also warum macht es uns die Evolution so schwer, es abzustellen? Ergibt Sinn aus Sicht der memetischen Evolution: Wenn wir konstant denken, ist mehr Raum zur Aufnahme und Wiederholung von (potentiellen) Memen. Was wir oft in unserem Kopf wiederholen, hat größere Chance, hinaus zu wandern.
- Andeutung, unsere Neurologie oder unser Drang zum ewigen Denken könnte vom KonkurrenzKampf der Meme geprägt sein: Erfolgreich sind und in unsere Aufmerksamkeit wandern vor allem die Meme, die gut darin sind, unsere Aufmerksamkeit und damit unser DenkVermögen zu beanspruchen, also gibt es davon so viele, dass unser Kopf kaum zur Ruhe kommt.
- Was ist ein Mem? Blackmore möchte den Begriff gegenüber allzu breiten Auslegungen eingrenzen. Mem ist nur das, was sich durch Imitation zwischen den Köpfen ausbreitet; und Imitation ist nur das NachMachen von etwas Beobachtetem. Andeutung der Schwierigkeiten der Eingrenzung des NachMachens: Was ist die Einheit, Auswahl, die nach-gemacht wird?
- Abgrenzung Imitation von anderen, bei Tieren dominanteren LernWeisen: ansteckendes Gähnen/Lachen; Konditionierung á la Pawlow; soziales Lernen (Tiere schauen einander keine neuen Techniken, sondern nur neue Ziele für diese ab: VogelSchwärme, GefahrenMeidung); gegenseitiges Bereiten von Situationen, wo sich LernProzesse von selbst ergeben.
- Aber VogelGesang ist Imitation; manche Affen-Arten scheint man zur Imitation antreiben zu können, auch wenn sie nicht von selbst dazu neigen; und die möglicherweise kulturelle Welt der Delfine ist uns gar rätselhaft.
- "Three problems with memes":
- Was ist die Einheit des Mems? Vier Noten Beethoven oder eine ganze Sinfonie? Ein FarbKlecks, ein Gemälde oder eine ganze KunstSchule? Es lässt sich nicht so genau eingrenzen, zerteilen, formalisieren. Aber bei Genen ist es ja genauso: Auch da wissen wir nicht so genau, wieviele Nukleotide ein Gen machen, groß und klein verbündeln sich usw.
- Wie kopieren/speichern sich Meme? Auch hier ist die Form schwer einzugrenzen, aber diesmal im Gegensatz zum Gen, wo wir immerhin klar greifbare Nukleotid-Sequenzen haben. Meme dagegen sind BuchstabenTexte, Klänge, Ideen, evtl. komplexe Anordnungen in neuronalen Netzen. Wohl eher analog als digital; aber warum sollte Evolution nur digital sein?
- Ist Memetik lamarckisch? Lamarckismus behauptet Rückwirkung des Phänotyps auf Genotyp. In der Memetik verschmilzt aber sowieso beides. Alternative Terminologie: Memetik funktioniert per copy the instruction (darwinistisch; ein NotenBlatt) ebenso wie per copy the product (lamarckisch; die Melodie nach-spielen).
- Zu enge Analogisierungen der Genetik mit der Memetik führen in die Irre; Memetik entspringt dem Universal-Darwinismus, nicht dieser UnterKategorie. Blackmore verwirft bisherige Differenzierungs- /PolarisierungsVersuche zwischen Mem, "phemotype", "meme vehicle"; wird im Buch möglichst offen jedes Glied der möglichen Ketten "Mem" nennen.
- Diverse bisherige Streits scheinen sich vor allem darum zu drehen, ob das Mem eine Struktur bloß in den Köpfen ist und der weltliche Rest Funktion und Mittler dieser Struktur, oder umgekehrt; sind Meme allein in unserem Geist oder in (den Texten) der Welt; sind unsere Köpfe die Kommando-Zentrale der Meme oder die Artefakte der Kultur um uns?
- "The big brain":
- Körper-relative Größe (Enzephalisation) und Energie-Verbrauch unseres Gehirns sind verschwenderisch, Evolutions-biologisch ein Rätsel; ebenso die besonderen geistigen Fähigkeit des Menschen, also liegt eine Verbindung nahe. Alfred Russel Wallace, sonst recht Darwin-kompatibel, sah in unserem Geist notwendig übernatürlichen Einfluss.
- Blackmores Lösung: Im Moment, wo sich die memetische Evolution über die genetische Evolution erhebt, wird die Entwicklung des Gehirns nach anderen Kalkulationen als den bisherigen Evolutions-biologischen voran getrieben und kann deshalb auch so einen verschwenderischen Pfad fürs Gehirn einlegen – der eher den Memen statt den Genen nützt.
- Der VorMensch erhebt sich über den Affen durch primitives ImitationsVermögen. VorMenschenStämme, die besser imitieren, gelangen schneller an ein breiteres, nützlicheres Werkzeug-Arsenal. Als AusgangsPunkt fürs Imitations-Vermögen braucht es aber äffische Kompetenzen: bestimmte Eigen-und-Fremd-Körper- und Experimentier-Intelligenzen.
- So genetische Selektion für immer besseres ImitationsVermögen. Bessere Imitatoren sind Überlebens-fähiger, Erfolg-reicher, also besseres PaarungsMaterial. Im Detail selektiert die Natur wohl auch auf neuronal eingefräste Heuristiken für ergiebigeres Imitieren: Imitiere Populäres, das was mit Sex und Futter und Kampf zu tun hat, usw.
- Beweisbarkeits-These: Die Kunst der Imitation ist neuronal sehr aufwendig, verlangt also viel Gehirn und Energie. Den Energie-Verbrauch bei Imitations-Übungen im Vergleich zu Anderem können wir vielleicht beim Menschen messen, Korrelation von Enzephalisation und Imitations-Vermögen vielleicht in einigen Bereichen des Tier-Reichs.
- "The origins of language":
- Warum sind Menschen so Plapper-freudig? Es sind natürlich die Meme. Meme, die uns MitteilungsBedürfnis einprägen, sind erfolgreicher als Meme, die uns Schweigen machen. Also florieren Meme, die uns plappern machen, beanspruchen allen verfügbaren Raum – und machen uns plappern.
- Die Mysterien, wie und wann und warum das menschliche SprechVermögen entstand. Viele prähistorische MutMaßungen qua Archäologie, KnochenBau usw. So richtig scheint es erst beim homo sapiens angefangen zu haben, wohl um 100.000 vor, mit der Upper Paleolithic Revolution; die Funde von davor deuten auf äffisches UnVermögen hin.
- Veranlagung zu Sprache und Grammatik scheint uns genetisch eingebrannt; Kinder lernen Sprache nicht mühselig von Null auf, sondern scheinen Input in vorgefertigte kognitive Bahnen, Grammatik-Maschinen usw. zu lenken. Die schlauesten Affen dagegen lernen nur mühselig primitive ZeichenSprache, sind zu grammatischen Feinheiten unfähig.
- Der evolutionäre Vorteil des SprechVermögens ist nicht offensichtlich. Der Sprung geht mit gewaltigen Nachteilen einher – wir können nicht mehr trinken und gleichzeitig atmen, wir lernen bei anderen Tieren unnötige Möglichkeiten zur AtemKontrolle, wir können leichter ersticken, und dann ist da noch der massive Energie-Verbrauch. Warum das alles?
- "Meme-gene coevolution":
- Noam Chomsky sieht in der SprachVeranlagung des Menschen etwas zu Logisch-Systematisches, als dass diese Komplexität auf Evolution reduzierbar wäre. Stephen Jay Gould lehnt ebenfalls Evolutions-technische Erklärungen ab. Andere sehen Sprache als Ergebnis genetischer Evolution, streiten sich aber wild über ihren genetischen Nutzen.
- These Blackmore: SprachVeranlagung ist das Ergebnis memetischer Evolution, die auf die genetische Evolution rückwirkt. Zuerst selektierte die Evolution ab VorMensch auf die guten und damit erfolgreichen Imitatoren; dann entwickelt sich Sprache als MemPlex, den der gute Imitator beherrschen muss; also selektiert Natur auf SprachVermögen.
- Ab Start Imitations-Fähigkeit führt memetische Evolution zwangsläufig zur Form der Sprache: Laut-Meme reichen weiter als Bewegungs-, GesichtsAusdrucksMeme; distinkte kurze Laut-Meme verbreiten sich besser als undifferenzierte lange, also Wörter; mehr Meme können mit weniger Lauten kommuniziert werden qua Anordnungs-Regeln, also Grammatik.
- Vorschlag eines Laut-Roboter-Schwarm-Experiments, das den Verlauf von akustischer Imitations-Fähigkeit zu etwas, das wie Sprache wirken dürfte, beweisen könnte.
- "The limits of sociobiology":
- In der biologischen Arena akzeptieren wir inzwischen ein komplexes Spiel verschiedener Gene miteinander, antagonistisch, kollaborativ, rivalisierend, symbiotisch, sich gegenseitig aufwiegelnd, keine statischen Hierarchien. Blackmore scheint dasselbe für das Spiel zwischen Memen und zwischen Memen und Genen einzufordern.
- Kritik des "Standard Social Science Model": Der menschliche Geist ist qua Geburt ein unbeschriebenes Blatt und wird erst dann sozio-kulturell konditioniert. Tatsächlich aber, so EvolutionsPsychologen, sind menschlicher Geist und seine Annahmen qua Geburt genetisch schon stark vor-strukturiert, der Mensch das Instinkt-reichste statt -ärmste Tier.
- Blackmore gibt der Kritik am SSSM recht, warnt aber, das Gegenteil sei genauso falsch. Unser Verhalten ist nur zum Teil genetisch bedingt – zum anderen Teil nämlich memetisch. Bis zu einem gewissen Punkt treiben die Gene die Meme vor sich her – und dann die Meme die Gene.
- Dennetts "Tower of Generate-and-Test": Boden "Darwin"-Wesen, ihr Verhalten qua Geburt determiniert. Nächsthöhere Etage "Skinner"-Wesen, können verschiedenes Verhalten ausprobieren, sich anpassen. Dann "Popper"-Wesen, die in ihrem Kopf experimentieren, antizipieren können. Dann "Gregory"-Wesen, kommunizieren Wissen artefaktisch-imitativ einander.
- Diesen Turm arbeitet die Evolution ihre Schöpfungen qua "Baldwin-Effekt" hoch: Wer auf der einen Ebene ein LernVermögen aufweist, das auf die nächsthöhere Ebene verweist, hat einen Vorteil, den die Evolution bevorzugt selektiert, was die nächsthöhere Ebene produziert. So treibt biologische Evolution zwangsläufig zur memetischen.
- Die Denunziation der SSSM-SozialKonstruktivisten wird anhand der Beispiele Franz Boas und Margaret Mead vollzogen; gegenüber letzterer wird Derek Freeman in Kritik ihres "Coming of Age in Samoa" ausgepackt.
- "'An orgasm saved my life'":
- "Sex in the modern world":
- Lange Zeit dominiert vertikaler Mem-Transfer, also der von Eltern zu Kindern. In dieser Situation verfolgen Meme und Gene die gleiche StoßRichtung: Meme florieren, die FortPflanzung und GeschwisterPflege stützen. Beschneidung, MasturbationsVerbot kanalisieren Libido in Sex; männlicher SexualTrieb genießt mehr Aufmerksamkeit als weiblicher.
- Mit Wachstum von Gesellschaften und KommunikationsTechnik spielt horizontaler Mem-Transfer eine immer größere Rolle; StoßRichtung von Memen und Genen fällt auseinander, und damit auch die BindungsKraft alther-gebrachter sexueller Tabus aus der Zeit, als die Meme noch die Gene stützen mussten.
- Kinder- bzw. BlutsVerwandtschaftsVerzicht gerät zum mächtigen Mem, denn wer sich nicht an die nächste Familie verausgaben muss, hat größeren Raum, seine Meme – und damit eben dieses – horizontal breit zu verteilen. Meme und Gene liefern sich ein NullSummenSpiel über der Replikations-Ressource Mensch. Zölibat, Masturbation und Verhütung sprießen.
- Paradox: Homosexuelle Gene verbreiten sich umso besser, je mehr Homosexualität tabuisiert ist; desto stärker nämlich der Druck für Homosexuelle, heterosexuell Familien zu gründen, Kinder zu zeugen. Mit Zunahme der Toleranz für homosexuelle Kinderlosigkeit sollte gleichzeitig die Häufigkeit homosexueller Gene abnehmen.
- Wird die Menschheit dank mächtiger Memetik aussterben, werden die Meme irgendwann alle Energie aus dem FortpflanzungsTrieb ausgesaugt haben? Nein, denn sie brauchen ja den FortBestand ihrer Replikations-Maschinerie. Wird die knapp, werden Fortfplanzungs-Meme wieder stärker. Drang zur Adoption beweist Bedürfnis nach vertikaler Memetik.
- "A memetic theory of altruism":
- "The altruism trick":
- Faktoren, die (teils soziobiologisch bedingt) Imitations-populär und so Mem-Schleudern machen: Altruismus, aber auch Signale von Macht, Kraft, Reichtum, Potenz, Trendiness. Sowas kennzeichnet menschliche Mem-Schleudern, kann aber auch z.B. für Fernseh-Sendungen gelten: die besten Mem-Schleudern sind hip, haben Explosionen und sehen teuer aus.
- Nicht nur "echter" Altruismus besorgt, dass man dich mag, auch falscher, so er gut überzeugt. Altruismus ist ja teuer, geht oft mit RessourcenVerzicht, SelbstLosigkeit einher; daher ist vorgetäuschter oft naheliegende Strategie.
- Meme, die Menschen für sich arbeiten lassen, selbstlos machen (wie viele Altruismus-Meme), haben umso mehr Raum, je erträglicher die mit ihnen einhergehenden Verzichte sind; in wohlhabenden, sozial absichernden, wohlgenährten Gesellschaften lässt sich ein mächtiger memetischer Markt erwarten als da, wo schon alle auf dem Zahnfleisch kriechen.
- Das "Konsistenz-Prinzip" sorgt dafür, dass Menschen versuchen, bei neuen Mem-Akquisen und Verhaltens-versuchen sich entsprechend ihrem SelbstBild und den sie beherrschenden Memen zu verhalten. Wer sich für "gut" hält, fühlt sich verpflichteter, Meme mit dem Antliz des "Gutseins" anzunehmen als jemand, der sich für "schlecht" hält.
- Daher auch die memetische Wirkung von Sätzen wie "ein guter Mensch verhält sich x": Hier verbreitet sich das Mem x durch Symbiose mit einem Mem des "Gutseins", profitiert vom Ansehen des letzteren. Du willst gut sein, also musst du auch x tun.
- Viele MemPlexe (Religion!) nutzen Symbiose mit Altruismus-Memen zur Fortpflanzung (Mormonismus). D.h. Nettigkeit macht populär, macht empfänglicher für an Nettigkeits-assoziierte Meme. Zu prüfende These, dass Menschen lieber nachahmen, wen sie mögen, oder Nachahmung als Währung nutzen, um empfundene Wohltätigkeits-Verschuldung abzuarbeiten.
- "Memes of the New Age":
- AlienEntführungen und NahTodErfahrungen funktionieren memetisch ähnlich: ein beeindruckender (beängstigender, beschwingender) neurologischer Effekt (SchlafParalyse, SauerStoffMangel) muss erklärt werden; dafür werden flottierende Meme (UFOs, Religion) aufgegriffen; Wirklichkeit wird umgedeutet zur Bestätigung der Erzählung.
- Paranormales, Esoterik, New Age nutzen diverse Mem-Tricks; den Altruismus-Trick (der Humbug gibt das Gefühl, zu helfen); den Wahrheits-Trick (werden gute Dinge wie z.B. MenschenLiebe mit dem Glauben assoziiert, werden mit seiner Bezweifelung schlechte, z.B. Zynismus, assoziiert; und Mangel an Beweisen für die Verschwörung bestätigt ihre Stärke).
- Wer in Verweiflung und KontrollVerlust-Erfahrung zum WunderHeiler geht, wird sich selbst einreden, dass dieser ihm hilft, dass Entschluss und Zeit und Geld gut existiert waren, um Gefühl der Kontrolle zurück zu erhalten; dem WunderHeiler den Erfolg seiner Kur bestätigen, was wiederum den WunderHeiler im Glauben an seine Methoden bestärkt.
- Blackmore appelliert, die Schuld weniger der LeichtGläubigkeit/Naivität der Esoteriker zuzuschieben als der Potenz, TrickStärke der Meme. Das ist die andere Seite der Medaille des Vertreibens des Menschen vom Podest der SelbstVerantwortung: Er ist umso weniger schuld an seinen Verfehlungen.
- "Religions as memeplexes":
- Religionen: MemPlexe die sich seit Jahrtausenden auf härteste MemTricks optimieren: autoritärer WahrheitsAnspruch und Hoffnung und Furcht als ZuckerBrot und Peitsche. Sie erziehen ihre Träger zu Sklaven ihrer Bewahrung und Verbreitung, oft mit erheblichen Kosten für diese. Deuten Altruismus oft genug in das um, was ihnen allein dient.
- Religiöse VorStellungen scheinen uns als UrMeme schon seit AnBeginn der MenschheitsGeschichte zu begleiten; also ist es plausibel, anzunehmen, dass sie die genetische Evolution mit beeinflusst haben. Im EndErgebnis ist unser Gehirn vielleicht tatsächlich durch Druck religiöser Meme dazu optimiert, sich religiös zu orientieren.
- Religionen treiben WirGegenDie-Meme an, schaffen starken Gruppen-internen Konformismus, sorgen also für homogene Gruppen und Unterdrückung von Zwischen-Gruppen-Transfers sowohl memetischer als auch genetischer Art. Insofern können Religionen vielleicht die ansonsten unwahrscheinliche group selection vorantreiben. Resultat: religiöse Ethnien?
- Wissenschaft als GegenEntwurf zu religiösen MemPlexen: ein System zur kritischen Prüfung von Memen auf ihre Wahrheits-Geeignetheit, ohne absoluten WahrheitsAnspruch, mit Pfaden die an den Reizen von Furcht oder Hoffnung oder Schmeichelei vorbei-führen, um die Validität einer Idee zu prüfen (Vorhersagbarkeits-Tests).
- "Into the Internet":
- Die menschliche MedienGeschichte, von der Sprache über die Schrift zum BuchDruck und Internet, ist die der Entwicklung potenterer Replikations-Struktur für Meme – für ihre informationstreuere, langlebigere, breitere Übertragung. Die memetische Evolution treibt uns zu InformationsInfraStruktur, die ihr dient.
- Schrift erweitert vokale Sprache ins LangLebige, digitalisiert sie stärker. Druck stärkt Vervielfältigung. Weniger offensichtlich dienen auch EisenBahnen und VerStädterung der Mem-Evolution: heizen AusTausch und ReichWeite der Meme an. VorherSage: VerStädterung nimmt zu, so lange Face-to-Face-Kommunikation MemVerbreitung dominiert.
- Trend zur Digitalisierung ist Trend zur erhöhten InformationsTreue; ebenso Trend zu CopyTheInstruction statt CopyTheProduct. In der ComputerWelt gut ablesbar darin, dass hier eher Programm-Ausführungs-Code verbreitet wird statt das fertig gerenderte Ergebnis. Schade, dass Blackmore nichts zur Open-Source-Bewegung sagt.
- In den Bereichen Internet und Künstliche Intelligenz bereits Andeutungen einer memetischen Evolution, die sich vom Menschen als Überlebens-Vehikel emanzipiert. GedankenSpiele über automatisierten InformationsAustausch, Bots, sich selbst modifizierende ComputerViren. Baue Roboter, die imitieren können, und wette auf die Singularity.
- MemVerbreitungsHemmnisse wie PayWalls haben es trotz denkbarer egoistisch-menschlicher Interessen dahinter im Internet schwer. Memetische Evolution ordnet sich menschliche Interessen unter. Dass wir uns überfordert fühlen von der InformationsFlutGesellschaft, bezeugt vielleicht, dass unser Wohl in der memetische Evolution wenig zählt.
- "The ultimate memeplex":
- NeuroWissenschaften verraten uns: Das Ich ist eine Illusion. Ein unsere Handlungen nachträglich narrativierender DenkProzess. Ursache unklar. Scheint notwendig zu sein für komplexe soziale Interaktionen, Schuld-Beziehungen ((Selbst-)GerechtigkeitsVorstellungen); oder ÜberSchuss der Welt-InterpretationsHilfe "unterstelle Intentionalitäts".
- Philosophien wie Daniel Dennett unterstellen der Vorstellung vom Selbst eine psychologisch wohltuende Wirkungen. Buddhisten dagegen sehen darin die Wurzel allen Leids. Mihaly Csikszentmihalyi dagegen erkennt im WohlGefühl des "Flows" einen Zustand der SelbstLosigkeit.
- Für Blackmore ist "Selbst" ein MemPlex, der wie alle MemPlexe durch MemBündelung eingereihten Memen Stärke und Schutz gewährt. Seine Vorstellung stärkt, stabilisiert Meme; denn es positioniert mich zu diesen, "ich" definiere mich über meine Vorlieben/Abneigungen, zähle diverse Meme also positiv oder negativ zu mir und reproduziere sie so ständig.
- Unsere Vernarrtheit in bestimmte Ideen, die Stärke und Sturheit unserer Positionierungen ist also nur ein weiterer Trick der Meme, uns zu ihren Überlebens-Maschinen zu degradieren! Auch Ideen, durch deren erbitterte Ablehnung wir uns definieren, erhalten wir so am Leben. Was dich provoziert, das definiert dich, das förderst du.
- "Out of the meme race":
- Memetik ist eine Chance, EvolutionsTheorie und SozialKonstruktivismus zusammen zu denken. Ist für SozioBiologen der Mensch durch die Gene determiniert, ist er es für die SozialKonstruktivisten durch die Gesellschaft. Die Memetik diagnostiziert, das beide Determinismen nach dem selben Prinzip ablaufen: der EvolutionsTheorie.
- Der traditionelle Dualist setzt einen freien Geist gegen die Unfreiheit des materiellen Körpers. Aber auch der moderne Memetiker behauptet oft die Möglichkeit eines individuellen Kampfes gegen die ÜberWältigung durch Meme. Blackmore widerspricht: Jede Subjektive, jedes Ich, das diesen Kampf führen könnte, existiert selbst nur als MemPlex.
- Es braucht keinen Freien Willen, um unser Verhalten zu erklären; es lässt sich ganz als Ergebnis genetisch-memetischer Evolution erklären. Der Freie Wille ist nur eine Erzählung, die im NachHinein gesponnen wird. Er verlangt ein steuerndes Ich – was es an Ich-Komplex gibt, steuert aber nur illusorisch, und ist selbst memetisch determiniert.
- Gibt vielleicht "Bewusstsein", als eine Art Subjektivismus der Wahrnehmung; die Perspektive aus dem Inneren eines Lebewesens. Seine Assoziation mit dem "Ich" ist aber Illusion; schaut man genauer hin, richtet sich Bewusstsein stets auf äußere Empfindungen (David Hume). Es ist auch kein Entscheider, ist impotent; triggert höchstens eingeprägte Meme.
- Kreativität ist Ergebnis memetischer Evolution, nicht künstlerischen Ichs oder Bewusstseins. Wie Csikszentmihalyi feststellt, ist der kreative Flow gerade von Verlust der Ich-Wahrnehmung, von Selbstlosigkeit geprägt. So wie die Natur keinen Designer hat, hat auch unsere Kunst keinen; der kreative Geist ist nur eine weitere Gottes-Behauptung.
- Vorschlag von Meditations/Mindfulness-Übungen wider den "SelfPlex", der unser Bewusstsein und unsere Spontaneität durch VergangenheitsSchuld-/ZukunftsAngst-Sorgen, durch Identitäts-und-Plan-Zwänge beschwert. Lebe im Bewussstein, Produkt der Welt um dich zu sein, dass die Welt deine Entscheidungen für dich trifft, dann lebt's sich unbeschwerter.