Robin George Collingwood, "The Idea of History"
Lektüre-Notizen:
- "Editor's Preface":
- "Introduction":
- "The Philosophy of History":
- Philosophie ist Nachdenken zweiten Grades, also das Nachdenken über das Nachdenken. Psychologie ist keine Philosophie: Sie ist ein Nachdenken ersten Grades über den Denkprozess, den sie genauso objektifiziert, wie jedes Nachdenken ersten Grades seinen Gegenstand objektifiziert; anstatt diese Objektifizierung selbst zu reflektieren. Psychologie dekonstruiert die Subjektive, Philosophie die Objektive. Philosophie ist so meta, weil sie Subjekt und Objekt beide / ihr Verhältnis zueinander hinterfragt, anstatt nur eines davon in Isolation. Philosophie denkt über das Wissen nach, den Gedanken über ein Objekt, und nicht nur den Gedanken selbst.
- Die Philosophie der Geschichte ist folglich das Nachdenken über die Möglichkeit des historischen Wissens, das Nachdenken über das Verhältnis von Vergangenheits-"Wissen" zur Vergangenheit.
- In einer Epoche ist immer das philosophische Thema groß, das als Problem empfunden wurde. Erst im 18. und 19. Jahrhundert tritt Geschichte als Problem hervor, das einen kritischen Ansatz benötigt. Erst seitdem also gibt es eine Philosophie der Geschichte.
- "The past, consisting of particular events in space and time, which are no longer happening, cannot be apprehended by mathematical thinking, because mathematical thinking apprehends objects that have no special location in space and time, and it is just that lack of peculiar spatio-temporal location that makes them knowable. [...] Nor by scientific thinking, because the truths which science discovers are known to be true by being found through observation and experiment exemplified in what we actually perceive, whereas the past has vanished and our ideas about it can never be verified as we verify our scientific hypotheses." (p. 5) Mathematisches und naturwissenschaftliches Wissen über die Vergangenheit sind deshalb nicht möglich.
- "History's nature, object, method and value":
- "The problem of Parts I-IV":
- "Part I: Grego-Roman Historiography":
- "Theocratic history and myth":
- "The creation of scientific history by Herodotus":
- "Anti-historical tendency of Greek thought":
- "Greek conception of history's nature and value":
- "Greek historical method and its limitations":
- "Herodotus and Thucydides":
- "The Hellenistic period":
- "Polybius":
- Die Römer, im Gegensatz zu den Griechen, glaubten nicht an den Wandel, sondern an die Kontinuität, an die Tradition, an die Institution. "The Romans, acutely conscious of their own continuity with their past, were careful to preserve memorials of that past: they not only kept their ancestral portraits in the house, as a visible symbol of the continuing and watchful presence of their forefathers directing their own life, but they preserved ancient traditions of their own corporate history to an extent unknown to the Greeks." (p. 34)
- Geburt nationalistischer Geschichtsschreibung, auch wenn die Genese der Nation noch ins Mythische ausgeblendet wird; sie ist bei Polybius ab einem bestimmten Zeitpunkt, ab dem erst historisches Festhalten möglich ist, bereits ready-made da.
- Auch für Polybius ist Geschichte keine Wissenschaft, sondern ein Erfahrungsschatz. Er dient aber nicht mehr als Anleitung für eigenes politisches Handeln, sondern demonstriert die Gewalt wechselhaften Schicksals über die Einzelnen; Geschichte, sobald sie als etwas Großes außerhalb der Reichweite eines einzelnen Willen und Bewusstseins begriffen wird, kann vom Einzelnen nicht gestaltet, muss von ihm ertragen, akzeptiert werden. Er ziehe aus ihr Material für stoische Reflektion.
- "Livy and Tacitus":
- "Character of Greco-Roman historiography: (i) Humanism":
- "Character of Greco-Roman historiography: (ii) Substantialism":
- "Part II: The Influence of Christianity"
- "The leaven of Christian ideas":
- Menschenbildumkehr: Der Mensch ist von Grund auf, unausweichlich bedrängt von seiner Erbsünde, unfähig zu Selbststeuerung und Durchblick, wie sie ihm der Stoizismus abverlangte. Ab jetzt macht wieder ein Gott die Leitentscheidungen.
- Nur Gott ist noch des Ewigwährende und Universale, alles Andere seine durch ihn jederzeit veränderbare Schöpfung. Gott wiederum ist unbegreifbar, also ist das Ewigwährende und Universale nicht Gegenstand des Begreifens; diese Substanzform wird immer weiter ins heilige Abseits gedrängt, während immer mehr das Veränderliche Gegenstand des Begreifens wird.
- Die Motivation des christlichen Gottes steht hinter allem, wird aber auch immer ungreifbarer. Das unterscheidet die christliche Historiographie von der früheren mythischen. Es gibt keinen einfach erfass- oder ausdrückbaren Willen mehr hinter jedem historischen Ergebnis, weder göttlich, noch -- wie vorher bei den Römern -- menschlich.
- Gottes Wille wird verwirklicht durch das Zusammenspiel der individuellen Getriebenheiten/Willen aller Einzelnen. (Klingt verdächtig nach Adam Smith.) Die gesamte Menschheit ist Teil dieses historischen Marktes, nicht nur ein bestimmtes Volk oder eine bestimmte Nation.
- "Characteristics of Christian historiography":
- "Medieval historiography":
- Update der Ideologie, aber nicht der verfügbaren Methodik; die bleibt auf dem Stand der Römer und wird noch abgeschwächt durch völlige Unterordnung und Reduzierung des Gegenstandes auf das, was ins neue theologische Geschichtsbild passt.
- Der Wille der Geschichte (des Großen Plans) ist für ihre Teilnehmer unaufhaltsam, kein noch so großer Mann kann ihn überwältigen: Jede seiner Taten ist, ob erkannt oder unerkannt, bereits Teil von Gottes Plan. Wer sich gegen die Geschichte zu stellen versucht, kann höchstens eines gewinnen: das Höllenfeuer.
- "Thus medieval historiography looked forward to the end of history as something foreordained by God and through revelation foreknown to man" (p. 54); Kritik der Eschatologie, easy übertragbar auf Kurzweil-Singularitarianismus. Transzendente Eschatologie, verlässt die Studie der Handlungen von Menschen, denn die Handlungen von Menschen sind ja nur Funktion des Großen Plans, und studiert werden soll letzteres, nicht ersteres.
- "What has happened here is that the pendulum of thought has swung from an abstract and one-sided humanism in Greco-Roman historiography to an equally abstract and one-sided theocentric view in medieval." Desinteresse für die Handlungen der Menschen, die eh nichts bewirken und die dann auch gar nicht mehr allzu eifrig recherchiert oder aufgezeichnet zu werden brauchen.
- Kein Naserümpfen: Auch heute wieder sind wir mehr am ideologischen Interpretieren von Geschichte interessiert als am Sammeln von Fakten. Parallelen zur mittelalterlichen Historiographie: Geschichte als Funktion von Theorie, nicht umgekehrt. Am Horizont: Postmodernes Desinteresse an der harten Wahrheit.
- "The Renaissance historians":
- "Descartes":
- "Cartesian historiography":
- "Anti-Cartesianism: (i) Vico":
- Kritik an Descartes' Wissens-Begriff, an der Idee, dass Mathematik und Physik irgendwie als absolutes Wissen privilegiert, statt auch nur sehr erfolgreiche menschliche Ideen seien. Mathematik und Physik beweisen die Existenz der äußeren Welt genauso wenig, wie Geschichte die Existenz der Vergangenheit beweist. Dem Historiker geht es weniger um den Beweis, die Vergangenheit habe existiert, als darum, die Gegenwart aus Thesen über die Vergangenheit zu erklären.
- Vico parallelisiert geschichtliche Epochen: die Ähnlichkeit des europäischen Mittelalters mit Homers Griechenland. Allgemeine Perioden-Entwicklungs-Modelle, aber nicht strikt zyklisch und vorhersagend, sondern spiralförmig und ergebnisoffen. Modelle zur Erzeugung von Arbeits-Hypothesen zum Ausfüllen von Lücken, bis eine bessere Lösung da ist.
- Kritik an wertenden Vorurteilen über Epochen oder Nationen als Grundlage von deren Analyse.
- Kritik an Annahmen, historische Personen hätten in den selben Wert- und Wissens-Kategorien gedacht wie man selbst.
- Kritik an zu einfachen Vererbungsthesen. Ein kulturelles Wissen wandert nicht einfach so vollständig und ungefiltert von einem Ort zum nächsten.
- Kritik an der Autoritäten-Abhängigkeit: Man kann auch aus dem Heute neues Wissen über die Vergangenheit gewinnen, vorbei an der Autorität früherer Historiker; die waren an der Zeit vielleicht näher dran, hatten aber auch weniger Zugang zu der Vergangenheit, die außerhalb ihrer unmittelbaren Nähe lag.
- Stattdessen Rekonstruktion der Vergangenheit: im Nachdenken über das Zustandekommen überlieferter Redewendungen und Traditionen. Spuren suchen und kritisch und vergleichend interpretieren. (Vorher gab es nur die Möglichkeit, eine Autorität eins zu eins beim Wort zu nehmen oder sie einen Lügner zu nennen.)
- "Anti-Cartesianism: (i) Locke, Berkeley and Hume":
- Descartes' Idealismus angreifen. Es gibt keine Ideen aus sich selbst heraus, nur solche aus Anhäufungen von Erfahrungen, oft über Generationen hinweg, also historisch. Es gibt kein absolutes Wissen, nur ein vielleicht erstmal hinreichendes. Der Abgrund zwischen Idee und Ding ist für die Untersuchung der Entwicklung von Ideensystemen, wie sie die Historie versucht, irrelevant.
- Theoretisieren über die Möglichkeiten historischen Wissens: Wie verläuft die Kommunikationsstrecke von Vergangenheit zur Erkenntnis des Historikers? Der Augenzeuge, sein Bericht, die Niederschrift, ihre Kopie, ihre Lektüre, das entsprechend bestimmter geglaubter Prämissen stärker oder schwächer begründete Vertrauen in sie. Dass dieser Grad von Wissen auch nicht niedriger steht als andere Wissensvorgänge. Siehe Hume, hier, zweiter Absatz, Caesar: http://www.gutenberg.org/files/4705/4705-h/4705-h.htm#2H_4_0024
- Auch interessant, vierter Absatz: http://www.gutenberg.org/files/4705/4705-h/4705-h.htm#2H_4_0033 Sinkt die Verlässlichkeit eines historischen Berichts, je weiter die Vergangenheit entfernt ist, je länger die Kopien-Kette zu ihr reichen muss?
- Die Geschichte war von Descartes als unwissenschaftlich gegenüber absoluten Wissensformen wie Mathematik und Physik in den Boden getreten worden. Hume erhebt relativ die Geschichte, indem er die Sicherheiten von Mathematik und Physik einreißt. Deren Arroganz macht sie angreifbar; Geschichte dagegen ist nicht so arrogant, beansprucht keine Absolutheit des Wissens, stürzt also auch nicht so hoch vom Sockel.
- "The Enlightenment":
- "The science of human nature":
- "Part III: The Threshold of Scientific History":
- "Romanticism":
- "Herder":
- "Kant":
- Kant antwortet Herder in "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" aus der Tradition der Aufklärung heraus. Er nimmt die Romantiker-Idee der historischen Entwicklung und klopft sie gründlich ab. Er stellt fest: Es scheint Gesetzmäßigkeiten in der Menschheitsgeschichte zu geben, wobei diese sich nicht auf die Planung oder den Willen Einzelner zurückführen lassen. Das Bemühen, solche Gesetzmäßigkeiten herauszudestillieren, wäre ein nobles Unterfangen.
- Kritische Übernahme der historischen Teleologie: Es mag keinen ausformulierten Plan der Natur zu diesem oder jenen Ziel hin geben, aber es macht Sinn, historische Entwicklungen so zu begreifen, ihnen große Pläne als Metaphern aufzuerlegen. Teleologie nicht als Wahrheit, aber als produktives Denkmodell. Vorwegnahme all der Schwierigkeiten, Evolution als nicht-zielstrebiges Hingezogenworden zu einem bestimmten Ergebnis zu begreifen. Denkmodell und Metapher zur Erfassung von Regelmäßigkeiten und Ordnung: So kann man historische Gesetze genauso aufstellen wie Naturgesetze, die genaugenommen auch nichts Besseres sind.
- Kant betrachtet Geschichte als von außen beschaubaren und analysierbaren Naturgegenstand und übersieht damit die Verstrickung des Historikers in seinen Gegenstand: Er nimmt an der Geschichte Teil und seine Untersuchung und Modellierung formt sie überhaupt erst.
- Der Plan der Geschichte ist für Kant der der Befreiung des Menschen aus ihm äußeren (Natur-)Gesetzen: der der Befreiung, so dass der Mensch endlich moralisch werden, sich seine Handlungsvorgaben selbst bestimmen kann.
- Die Teleologie der Natur für ihre Schöpfungen ist die Realisierung von deren Eigenart. Die Eigenart des Menschen, sein geistig-kultureller Apparat, verwirklicht sich durch das Weiterreichen und Weiterentwickeln von Idee/Wissen/Kultur; im historischen Prozess entfaltet sich naturgemäß das Große des Menschen, über das einzelne Menschenleben hinweg.
- Für Kant ist die Triebkraft des historischen Prozesses weder die menschliche Weisheit, noch Gottes Wille, sondern blinde und antisoziale Leidenschaft: Stolz, Eifer, Gier. Aus deren entzweiender Kraft betreibt die Natur die Fortentwicklung der menschlichen Gesellschaft hin zu einem rationalen Utopia, wo diese niederen Eigenschaften sich selbst abschaffen. Hier wieder die aufklärerische Apokalypse zwischen irrationalem Gestern und rationalem Morgen, wenn auch mit mehr Verständnis für die Entwicklungslinien, die vom einen zum anderen führen.
- Kant differenziert zwischen dem historischen Wissen und seinem philosophischen Interpretieren. Er hätte gerne als historisches Projekt die Synthese der beiden und übersieht dabei, dass beide noch nie voneinander getrennt möglich waren.
- "Schiller":
- "Fichte":
- "Schelling":
- Geschichte ist ein Erkenntnisprozess, der das "Absolute" herausarbeitet. Die Natur wird als Objekt erforscht und als Absolutes begriffen; die Geschichte erzeugt verschiedene Fälle und Widersprüche, die in ihrem Verlauf mehr und mehr als Verwirklichungen desselben Absoluten begriffen werden; zugleich wird das Begreifen selbst Gegenstand des Forschens, der Geist begreift seine Bedingungen und erweitert so seine Möglichkeit, so dass das Gebiet des Begreifbaren (und als solches ins Absolute Überführbaren) stetig erweitert wird. Das Absolute realisiert sich in einem Geist, der Objekt wie Subjekt der Geschichte ist. We are the universe trying to figure itself out. Oder so ähnlich, ich hab das alles nicht so richtig verstanden. (Hoffentlich ist das Hegel-Kapitel nicht noch komplizierter.)
- "Hegel":
- Hegel fügt ein Best of Herder, Kant, Fichte und Schelling zu einem kohärenten System zusammen.
- Hegel verneint die Vergleichbarkeit der Natur mit der Geschichte. Natur sei zyklisch oder bloße chronologische Abfolge von Ereignissen, aber keine Entwicklung; er verneint Darwins Evolutions-Theorie, bevor dieser sie überhaupt verfasste. Geschichte dagegen ist Entwicklung aus Lern- und Erfahrungsprozess, nicht zyklisch sondern bestenfalls spiralförmig, d.h. es mag immer wieder Prozesse geben, die vorherigen ähneln, aber sie sind stets aus Erfahrung der vorherigen leicht anders und tendieren in eine langfristige Neuausrichtung. Collingwood verteidigt Hegel, insoweit Geschichte von Natur dadurch unterschieden sei, dass in erstere tatsächlich bewusste Ziele und Pläne einfließen, in letztere dagegen nicht.
- Hegel nennt den Gedanken, nicht das Ereignis, den Gegenstand der Geschichte. Der Nachvollzug politischer Motivationen, von Denksystemen, von Ideologien, und aus denen heraus die Ereignisse begreifen; denn jede historische Handlung, nicht erst die ab der Aufklärungs-Apokalypse, ist rational; sie ist es halt nur in Bezug auf andere Prämissen, Kenntnisstände, Weltanschauungen.
- Hegel räumt auch mit der Verachtung für die Leidenschaft als Gegensatz zur Rationalität auf. Sie ist ihm Werkzeug oder Brennstoff der Rationalität, mit der Rationalität in dynamischer Beziehung, anstatt ihre Negation.
- Geschichte ist eine Logik-Kette von Konzepten, die hinter den Ereignissen stehen. Nicht eine Logik zwischen den Ereignissen an sich, aber zwischen den Denkprozessen hinter den Handlungen, die die Ereignisse erzeugen.
- Dialektik: Die These begreift ihr Absolutes durch ihre Antithese und gelangt so, in Überwindung des Widerspruchs, zur Synthese. Gedanke/These konfrontiert mit / umgesetzt in Natur/Realität schlägt um zur Antithese; die Synthese ist die Verschmelzung des ersteren mit den Erkenntnissen / den identifizierten System-Vorgaben aus dem letzteren. Die These provoziert die Antithese, bis die gemeinsame Grundlage beider erkannt wird, was dann die Synthese erlaubt. (Usw. Ich werde die Dialektik vermutlich nie begreifen.)
- Geschichte endet heute. Geschichte endet immer im Heute, so Collingwood, denn das Heute ist die einzige Perspektive, aus der wir sie erzeugen können, der Blick in die Zukunft ist uns verbaut; das ist keine Verneinung der Möglichkeit einer Weiter-Entwicklung im Morgen.
- Hegels Historik triumphiert dort, wo sie tatsächlich nur den Gedanken zum Gegenstand hat: in Hegels Philosophie-Geschichte. Beim Rest stolpert sie. Collingwood sieht Hegels Problem nicht darin, dass dieser versucht habe, Geschichte in Rationalität / logische Abfolgen aufzulösen; sondern darin, dass die Punkte dieser Abfolgen sich auf einen engen Bereich politischer Ereignisse/Formen beschränkten, die also untereinander logisch einander bedingt haben sollen, anstatt ein breiteres Panorama von Wendungen menschlicher Kultur, Kunst, Wirtschaft usw. ins Auge zu nehmen, mit denen sich alles vielleicht weniger eindimensional, aber dennoch rational verwebe.
- "Hegel and Marx":
- "Positivism":
- All den metaphysischen Höhenflügen der Geschichtsphilosophen wirft sich der Positivismus entgegen, der mit naturwissenschaftlicher Genauigkeit die reinen Fakten zu sammeln sucht. Ihm verdankt das 19. Jahrhundert sein eigentliches Volumen an Erzeugung historischen Wissens: Während Hegel & Co. wild rumspekulierten, wirft er Fleiß, Sorgfalt, Skepsis und Unmengen an Schrift-und-Archäologie-Material. Statt Kantscher Universalgeschichte mikroskopische Spezialisierung.
- Rohe Materialsammlung, der Öffentlichkeit bald langweilig, den Geistmenschen bald zu ambitionslos: Wo liegt hier die Erkenntnis? Wollt ihr nicht mal, wie jede Wissenschaft, beginnen, aus den Daten Gesetzmäßigkeiten zu ziehen? Auguste Comte schlägt vor, eben das mit naturwissenschaftlicher Methodik zu versuchen und es "Soziologie" zu nennen.
- Darwin macht die Idee einer sich entwickelnden Natur (im Gegensatz zu einer statischen, wie sie noch Hegel pflegt) salonfähig durch sein Konzept der "natürlichen Auslese"; strenggenommen ist nicht die Idee der Evolution selbst, sondern dass sie sich auf diese Weise abspiele, Darwins' Erkenntnis-Verdienst, wie Vorformulierungen des Evolutionsgedanken z.B. bei Herder zeigen. Ein neues Bild der Natur hebt die philosophische Unvereinbarkeit von Geschichte und Natur auf. Beide unterliegen nun dem selben Prozess der Entwicklung; dessen Paradigma ist nun wissenschaftlich und kann als Grundlage für schließbare Gesetzmäßigkeiten gelten.
- Geschichtswissenschaft hat inzwischen ansehnliche kritische Methoden entwickelt: Philologie/Textkritik, Zergliedern von Texten in Passagen und Inhaltsstufen unterschiedlicher Glaubwürdigkeit, aus Texten andere Informationen ziehen als dem Autor bewusst waren. Eigene kritische Methodik entwickelt, statt bloße Übernahme naturwissenschaftlicher a la Comte. Akademisches Selbstbewusstsein wächst.
- Positivistische Geschichtsschreibung verheddert sich in Faktennähe: Es kann nur noch das Detail beschrieben, aber kein Zusammenhang über das Detail hinaus geschlossen werden. Nur noch engste Monographien möglich, alles Breitere ersäuft in Atomisierung des Wissens. Wertungen werden unmöglich.
- Problematischer Faktenbegriff der positivistischen Geschichtswissenschaft. Die Naturwissenschaft hat eine klare Falsifizierbarkeit in der Wiederholbarkeit von Experimenten. Die Geschichtswissenschaft dagegen kann nicht einfach etwas als Fakt hinnehmen, wovon es nur eine endliche Menge an Zeugenberichten undefinierter Glaubwürdigkeit gibt. Die positivistische Historik krankt am Mangel einer Theorie historischen Wissens / der Möglichkeiten historischen Wissens.
- "Part IV: Scientific History":
- "England":
- "Bradley":
- Ende des 19. Jahrhunderts Kritik an der positivistischen Historik, an der Naturwissenschaftlichkeit ihrer Methoden, als sei das die einzige legitime Art des Wissens.
- Bradley: "The Presuppositions of Critical History" Wenn ich historische Behauptungen wie die in der Bibel nach ihrem Wahrheitsgehalt abwäge, auf welche Weise geschieht das? Ich gleiche das, was ich lese, mit meinem eigenen Wissen, meiner eigenen Weltanschauung ab; so verteile ich Plausibilität. Ich halte Zeugenberichte für glaubwürdig, soweit ich den Zeugen den meinen ähnliche Kriterien für Plausibilität des Berichteten unterstelle. Berichte allerdings von Menschen aus ganz anderen Zeiten mit ganz anderen Wirklichkeitsbegriffen und Weltanschauungen verlieren dann für mich jede Glaubwürdigkeit. Mir bleibt nur meine Realität als Schablone für die Vergangenheit; insofern kann ich eigentlich gar nichts als Fakt identifizieren, was aus einer anderen Epoche stammt. (Ich glaube, das ist es, worum es geht. Ich habe das Argument nur halb verstanden.)
- Diverse weiterführende metaphysiche Erörterungen Collingwoods gehen ganz an mir vorbei.
- "Bradley's successors":
- "Late nineteenth-century historiography":
- "Bury":
- "Oakeshott":
- "Toynbee":
- "Germany":
- "France":
- "Ravaisson's spiritualism":
- "Lachelier's idealism":
- "Bergson's evolutionism":
- Zeit verstreicht im Bewusstsein als eine Abfolge nicht von Zuständen, die voneinander diskret getrennt sind, sondern die ineinander überfließen. Die Vergangenheit ist in der Gegenwart enthalten, ihr nicht äußern, nicht von ihr getrennt. Die naturwissenschaftliche Methode dagegen zergliedert die Welt diskret und macht das eine dem anderen äußerlich; sie ist unnatürlich. Wir gehen nur deshalb so vor, weil es uns die Welt beherrschbar macht.
- "Modern French historiography":
- "Italy":
- "Croce's essay of 1893":
- "Croce's second position: the 'Logic'":
- "History and philosophy":
- "History and nature":
- Auch Natur ist nur als Geschichte greifbar. Alles was man an Naturgesetzen zu wissen meint, sind Fiktionen, die man Einzelereignissen der Geschichte auferlegt. Aus dieser Geschichte etwas herauszunehmen und es positivistisch zergliedern, gut, das mag Wissenschaft sein, aber das interessiert Collingwood nicht. Er möchte, wie Croce, Geschichte, und die kann nur das sein, wo man sich in einen vergangenen Geist hineindenken, hineinversetzen kann, weshalb Geschichte nur die Erkenntnis vergangener geistiger Vorgänge sein kann. Collingwood war schon die vergangenen Kapitel ziemlich besessen von diesem Sich-in-Köpfe-der-Vergangenheit-hiein-versetzen.
- "Croce's final view: the autonomy of history":
(Nachdem mich die letzten 70 Seiten immer mehr angeödet haben, was man vielleicht an der wachsenden Kürze und Inakkuratesse der Notizen bemerkt, lege ich das Buch erstmal beiseite.)