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Seitendiskussion zu: Renaissance

Ha, danke, "Bernd W", sehr interessant! Ich muss es bald zu lesen beginnen! (Ich muss mir noch eine gute Formel für den Austausch zwischen Seiten-Kommentatoren ausdenken.) -- plomlompom, 2010-06-30-02:48

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Einige Zitate aus Jacob Burckhardt, "Kultur der Renaissance in Italien", die ich vor längerer Zeit mal notiert habe ob ihrer Interessanz und die nicht notwendig meine eigene Meinung widerspiegeln.
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„Der Humanist der Renaissance dagegen muß eine große Tradition und einen Strudel der verschiedensten Lagen und Beschäftigungen zu tragen wissen. Dazu dann, um sich zu betäuben, unordentlicher Genuß, und, sobald man ihm ohnehin das Schlimmste zutraute, Gleichgültigkeit gegen alle sonst geltende Moral. Ohne Hochmut sind solche Charaktere vollends nicht denkbar; sie bedürfen desselben, schon um oben schwimmen zu bleiben, und die mit dem Hass abwechselnde Vergötterung bestärkt sie notwendig darin. Sie sind die auffallendsten Beispiele und Opfer der entfesselten Subjektivität.“
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Zum Thema Mind/DieRessourceIgnoranz (Kaptiel "Der moderne Spott und Witz"):
S. 174
„Wer konnte, schützte sich dagegen [gegen eine "unerhörte Summe von Schmach"] am zweckmäßigsten durch Verachtung, sowohl was die wahren als was die erlogenen Beschuldigungen betraf, und durch glänzenden, fröhlichen Aufwand. So tat es Leo X., und er rechnete damit im ganzen richtig: so schrecklich die Pasquillanten zumal nach seinem Tode mit ihm umgringen, sie haben die Gesamtanschauung seines Wesens nicht dominieren können.
Zartere Gemüter aber konnten wohl in eine Art von Verzweiflung fallen, wenn sie tief in Schuld und noch tiefer in üble Nachrede verstrickt waren...“\

S. 304
„[...] Was unterscheidet ihn von den Humanisten? Diese haben mehr freien Willen, mehr losgebundene Subjektivität, als sie mit Glück verwerten können; der Bettelmönch dagegen, im Kloster seit seinen Knabenjahren, hatte nie nach eignem Belieben auch nur Speise oder Schlaf genossen und empfand deshalb den Zwang nicht mehr als Zwang.“
(auf die Frage, warum viele Gelehrte unglücklich waren.)



Zweiter Band

Sehr interessant (aus dem Mund des Gelehrten J.B.): S. 6:
„Auch der dilettantische Bearbeiter einer Wissenschaft,..., kann gerade diejenige Art von allgemeinem Interesse für die Sache verbreiten, die für neue Unternehmer den unentbehrlich neuen Boden einer herrschenden Meinung, eines günstigen Vorurteils bildet."


S. 8:
„Die Bahnwissenschaft, welche sich an die Sterne hing, beweißt nichts gegen den empirischen Sinn der damaligen Italiener; dieser wurde nur durchkreuzt und überwältigt durch die Leidenschaft, den heftigen Wunsch, die Zukunft zu wissen.“ (mein Kursiv)


"Gärten wurden von den Fürsten sehr geschätzt wegen der Vielfalt ihrer Pflanzen. Erst später in der Kunstgeschichte kam es, dass Pflanzen dem „Gartenbild“ zu dienen hatten."

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Viertes Kapitel („Entdeckung des Menschen; geistige Schilderung in der Poesie“)

„Zu der Entdeckung der Welt fügt die Kultur der Renaissance noch eine größere Leistung, indem sie zuerst den ganzen vollen Gehalt des Menschen entdeckt und zutage fördert.“

„Die Entwicklung der Persönlichkeit ist wesentlich an das Erkennen derselben bei sich und anderen gebunden.“


Post-Privacy im 19. Jahrhundert:

S. 33
„...hat man gleichwohl auch für Petrarca aus den wenigen 'Reliquien' solcher Art eine Lebensgeschichte zusammengestellt, welche einer Anklageakte ähnlich sieht. Übrigens mag sich der Dichter trösten; wenn das Drucken und Bearbeiten von Briefwechseln berühmter Leute in Deutschland, Frankreich und England noch lange so fortgeht, so wird die Armesünderbank, auf welcher er sitzt, allgemach die erlauchteste Gesellschaft erhalten.“


Über die Biographie:
S. 50
„Bei den Italienern wird nun das Aufsuchen der charakteristischen Züge bedeutender Menschen eine herrschende Tendenz, und dies ist es, was sie von den übrigen Abendländern unterscheidet, bei welchen dergleichen mehr nur zufällig und in außerordentlichen Fällen vorkommt. Diesen entwickelten Sinn für das Individuelle kann überhaupt nur derjenige haben, welcher selbst aus der Rasse herausgetreten und zum Individuum geworden ist."


S. 55
„Es gibt Menschen, die wesentlich Spiegel dessen sind, was sie umgibt; man tut ihnen Unrecht, wenn man sich beharrlich nach ihrer Überzeugung, nach ihren inneren Kämpfen und tieferen Lebensresultaten erkundigt. (über die langweilige Autobiographie von Pius II.)“
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Schönheitsideal\
S. 66
„In anderen Schilderungen erwähnt Bocaccio auch eine ebene (nicht mittelalterlich gerundete)
Stirn, ein ernstes, langgezogenes braunes Auge, einen runden, nicht ausgehöhlten Hals" (mein Kursiv)

„Im 16. Jahrhundert tritt dann Firenzuola hervor mit seiner höchst merkwürdigen Schrift von der weiblichen Schönheit. Man muß vor allem ausscheiden, was er nur von antiken Autoren und von Künstlern gelernt hat, wie die Maßbestimmungen nach Kopflängen, einzelne abstrakte Begriffe usw. [...] Er definiert die Ausdrücke der Farben, die an Haut und Haaren vorkommen und gibt dem biondo den Vorzug als der wesentlichen und schönen Haarfarbe, nur daß er darunter ein sanftes, dem Bräunlichen zugeneigtes Gelb versteht. Ferner verlangt er das Haar dicht, lockig und lang, die Stirn heiter und doppelt so breit als hoch, die Haut hell leuchtend, aber nicht von toter Weiße, die Brauen dunkel, seidenweich, in der Mitte am stärksten und gegen Nase und Ohr abnehmend, das Weiße im Auge leise bläulich, die Iris nicht gerade schwarz, obwohl alle Dichter nach occhi neri als Gabe der Venus schreien, während doch das Himmelblau selbst Göttinnen eigen gewesen und das sanfte, fröhlich blickende Dunkelbraun allbeliebt sei. Das Auge selbst soll groß gebildet sein und vortreten; [...] die Augenhöhle muß die Farbe der Wangen haben. Das Ohr, von mittlerer Größe, fest und wohl angesetzt, muß in den geschwungenen Teilen lebhafter gefärbt sein als in den flacheren, der Saum durchsichtig und rotglänzend wie Granatenkern. Die Schläfen sind weiß und flach und nicht zu schmal am schönsten. Auf den Wangen muss das Rot mit der Rundung zunehmen. [...] Lippen nicht zu subtil[...] Besondere Delikatessen sind das Grübchen in der Oberlippe, ein schönes Anschwellen der Unterlippe, ein liebreizendes Lächeln im linken Mundwinkel [kommt natürlich auf Perspektive an, aber trotzdem interessant, einer Seite den Vorzug zu geben] usw. Die Zähne sollen sein: nicht zu winzig, ferner gleichmäßig, schön getrennt, elfenbeinfarbig; das Zahnfleisch nicht zu dunkel, ja nicht etwa wie roter Sammet. Das Kinn sei rund, weder gestülpt noch spitzig, gegen die Erhöhung sich rötend, sein besonderer Ruhm ist das Grübchen. Der Hals muß weiß und rund und eher zu lang als zu kurz sein, Grube und Adamsapfel nur angedeutet ; die Haut muß bei jeder Wendung schöne Falten bilden. Die Schultern verlangt er breit, und bei der Brust erkennt er sogar in der Breite das höchste Erfordernis der Schönheit; außerdem muß daran kein Knochen sichtbar, alles Zu- und Abnehmen kaum bemerklich, die Farbe „candidissimo“ sein. Das Bein soll lang und an dem unteren Teil zart, doch am Schienenbein nicht zu fleischlos und überdies mit starken weißen Waden versehen sein. Den Fuß will er klein, doch nicht mager, die Spannung (scheint es) hoch, die Farbe weiß wie Alabaster. Die Arme sollen weiß sein und sich an den erhöhten Teilen leise röten; ihre Konsistenz beschreibt er als fleischig und muskulös, doch sanft wie die der Pallas, da sie vor dem Hirten auf Ida stand, mit einem Worte: saftig, frisch und fest. Die Hand verlangt er weiß, besonders oben, aber groß und etwas voll, [...] das rosige Innere mit wenigen, aber deutlichen nicht gekreuzten Linien und nicht zu hohen Hügeln versehen, den Raum zwischen Daumen und Zeigefinger lebhaft gefärbt und ohne Runzeln, die Finger lang, zart und gegen das Ende hin kaum merklich dünner [...]" (mein Kursiv)
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S. 74
„in der Lombardei scheuten sich zu Anfang des 16. Jahrhunderts die Edelleute nicht, mit den Bauern zu tanzen, zu ringen, zu springen, und um die Wette zu laufen. Italienische Autoren jeder Gattung erkennen sodann das Bedeutende und Große, wo es sich im Bauernleben zeigt, freiwillig an und heben es hervor.“


S. 76
„Auch auf italienisch hat Poliziano einzelnes gedichtet, woraus hervorgeht, daß man im Kreise des Lorenzo bereits irgendein Bild aus dem leidenschaftlich bewegten Leben der unteren Stände realistisch behandeln durfte. Sein Liebeslied des Zigeuners ist wohl eines der frühesten Produkte der echt modernen Tendenz, sich in die Lage irgendeiner Menschenklasse mit poetischem Bewußtsein hineinzuversetzen.


S. 90
Im Zusammenhang mit der individuellen Mode der Italiener:

„Unsere Zeit, welche wenigstens in der Männerkleidung das Nichauffallen als höchstes Gesetz respektiert, verzichtet damit auf größeres, als sie selber weiß. Sie erspart sich aber damit viel Zeit, wodurch allein schon (nach unserm Maßstab der Geschäftigkeit) jeder Nachteil aufgewogen würde.“


S. 119
„Das ruhmvollste, was damals von den großen Italienerinnen gesagt wird, ist, daß sie einen männlichen Geist, ein männliches Gemüt hätten. Man braucht nur die völlig männliche Haltung der meisten Weiber in den Heldengedichten, zumal bei Bojardo und Ariosto zu beachten, um zu wissen, daß es sich hier um ein bestimmtes Ideal handelt.“


S. 121
„Der herrschende Genus der letzteren ist nicht die heutige Weiblichkeit, d.h. der Respekt vor gewissen Voraussetzungen, Ahnungen und Mysterien, sondern das Bewußtsein der Energie, der Schönheit und einer gefährlichen, schicksalsvollen Gegenwart. Deshalb geht neben den gemessensten Weltformen ein Etwas einher, das unserm Jahrhundert wie Schamlosigkeit vorkommt"


S. 159
„...und die äußeren Gesetze verachten wir, weil unsere Herrscher illegitim und ihre Beamten und Richter verworfene Menschen sind. - Machiavelli selber setzt hinzu: weil die Kirche in ihren Vertretern das übelste Beispiel gibt.“


S. 162
„Was nun der Sittlichkeit des höher entwickelten Italieners der Renaissance als wichtigste allgemeine Voraussetzung gegenübersteht, ist die Phantasie. [...]; unter ihrer Herrschaft gewinnt seine entfesselte Selbstsucht erst ihre volle Furchtbarkeit."


S. 169
„Wenn man nun der Liebesmoral der Renaissance näher nachgeht, so findet man sich betroffen von einem merkwürdigen Gegensatz in den Aussagen. Die Novellisten und Komödiendichter machen den Eindruck, als bestände die Liebe durchaus nur im Genusse und als wären zu dessen Erreichung alle Mittel, tragische wie komische, nicht nur erlaubt, sondern je kühner und frivoler, desto interessanter. Liest man dagegen die besseren Lyriker und Dialogenschreiber, so lebt in ihnen die edelste Vertiefung und Vergeistigung der Leidenschaft, ja der letzte und höchste Ausdruck derselben wird gesucht in einer Aneignung antiker Ideen von einer ursprünglichen Einheit der Seelen im göttlichen Wesen."


S. 170
„Höchst wichtig erscheint nun hier jene oben erwähnte Ansicht von der gleichen Geltung des Weibes mit dem Manne. Die höher gebildete, individuell entwickelte Frau verfügt über sich mit einer ganz anderen Souveränität als im Norden, und die Untreue macht nicht jenen furchtbaren Riß durch ihr Leben, sobald sie sich gegen die äußeren Folgen sichern kann.“


Bandello: „Es ist doch eine große Grausamkeit, daß wir alles tun wollen, was uns in den Sinn kommt und den armen Weibern nicht dasselbe zugestehen. Wenn sie etwas tun, was uns mißfällt, so sind wir gleich mit Strick, Dolch und Gift bei der Hand. Welche Narrheit der Männer, vorauszusetzen, daß ihre und des ganzen Hauses Ehre von der Begierde eines Weibes abhänge!“


S. 177
„Nun ist es wohl unmöglich, zu erraten, was in jedem Land der Welt auch heute geschehen würde, wenn Regierung und Polizei ihre Tätigkeit einstellten und dennoch durch ihr Dasein die Bildung eines provisorischen Regiments unmöglich machten; allein was damals in Italien bei solchen Anlässen geschah, trägt doch wohl einen besonderen Charakter durch starke Einmischung der Rache.“
(über die Krise in Mailand um 1480 mit Verwüstungen etc.)


S. 186
„Die sinkende Kirche ist es, auf welche jene schwerste Verantwortlichkeit fällt, die in der Geschichte vorgekommen ist: sie hat eine getrübte und zum Vorteil ihrer Allmacht entstellte Lehre mit allen Mitteln der Gewalt als reine Wahrheit durchgesetzt, und im Gefühl ihrer Unantastbarkeit sich der schwersten Entsittlichung überlassen;"


„Hier stellt sich uns auf dem Wege die Frage entgegen: warum das geistig so mächtige Italien nicht kräftiger gegen die Hierarchie reagiert, warum es nicht eine Reformation gleich der deutschen und vor dieser zustande gebracht habe?“


Schönes Zitat über die Laster des Klerus' befindet sich auf S. 195


S. 210
Über Savonorola:
„Kindlicher kann man nicht räsonieren. Die einfache Erwägung, daß das wiederentdeckte Altertum und die riesige Ausweitung des ganzen Gesichtskreises und Denkkreises eine je nach Umständen ruhmvolle Feuerprobe für die Religion sein möchten, kommt dem guten Menschen nicht in den Sinn. Er möchte gern verbieten, was sonst nicht zu beseitigen ist.“


S. 214
„Es ist schon öfter versucht worden, eine Anzahl von allgemeinen ritualen Gebräuchen der katholischen Kirche auf heidnische Zeremonien zurückzuführen, und daß außerdem eine Menge örtlicher und volkstümlicher Bräuche, die sich an Kirchenfeste geknüpft haben, unbewußte Reste der verschiedenen alten Heidentümer Europas sind, gibt jedermann zu. In Italien aber kam auf dem Lande noch dies und jenes vor, worin sich ein bewußter Rest heidnischen Glaubens gar nicht verkennen ließ. So das Hinstellen von Speise für die Toten, vier Tage vor Petri Stuhlfeier, also noch am Tage der alten Feralien, 18. Februar. [...] Vielleicht ist es nur scheinbar paradox, zu sagen, daß der populäre Glaube in Italien ganz besonders fest gegründet war, soweit er Heidentum war.“ (mein Kursiv)


S. 217
„Vielleicht war aber in Italien überhaupt, abgesehen von Venedig und dem ganz exzeptionellen Rom, der Reliquiendienst schon seit langer Zeit mehr zurückgetreten vor dem Madonnendienst, als irgendwo sonst in Europa, und darin läge dann zugleich, wenn auch verhüllt, ein frühes Überwiegen des Formensinnes.
Man wird fragen, ob denn im Norden, wo die riesenhaften Kathedralen fast alle Unserer Frauen gewidmet sind, wo ein ganzer reicher Zweig der Poesie im Lateinischen wie in den Landessprachen die Mutter Gottes verherrlichte, eine größere Verehrung derselben auch nur möglich gewesen wäre? Allein diesem gegenüber macht sich in Italien eine ungemein viel größere Anzahl von wundertätigen Marienbildern geltend, mit einer unaufhörlichen Intervention in das tägliche Leben. Jede beträchtliche Stadt besitzt ihrer eine ganze Reihe. [...] Das Kunstwerk ist hier gar nicht so harmlos, wie Battista Mantovano glaubt; es gewinnt je nach Umständen plötzlich eine magische Gewalt. Das populäre Wunderbedürfnis, zumal der Frauen, mag dabei vollständig gestillt worden sein und schon deshalb der Reliquien wenig mehr geachtet worden sein.“
[...]
„Erst die Gegenreformation brachte in Italien den Mariendienst wieder in die Kunstdichtung zurück.""


S. 219
„Es ist bekannt, wie Luther in Rom durch das weihelose Benehmen der Priester in der Messe geärgert wurde. Und daneben waren die kirchlichen Feste mit einer Pracht und einem Geschmack ausgestattet, wovon der Norden keinen Begriff hatte. Man wird annehmen müssen, daß das Phantasievolk im vorzugsweisen Sinne das Alltägliche gern vernachlässigte, um dann von dem Außergewöhnlichen sich hinreißen zu lassen."


-Das Religiöse wurde oft zu politischen Zwecken mißbraucht (z.B. mithilfe von Prozessionen)


S. 225
„Da ferner die Italiener die ersten neueren Europäer waren, welche sich schrankenlos dem Nachdenken über Freiheit und Notwendigkeit hingaben, da sie dies taten unter gewaltsamen, rechtlosen politischen Verhältnissen, die oft einem glänzenden und dauernden Siege des Bösen ähnlich sahen, so wurde ihr Gottesbewußtsein schwankend, ihre Weltanschauung teilweise fatalistisch. Und wenn ihre Leidenschaftlichkeit bei dem Ungewissen nicht wollte stehen bleiben, so nahmen manche fürlieb mit einer Ergänzung aus dem antiken orientalischen und mittelalterlichen Aberglauben; sie wurden Astrologen und Magier."


S. 233
„Dantes Abscheu gegen Epikur oder gegen das, was er für dessen Lehre hielt, war gewiß aufrichtig; der Dichter des Jenseits mußte den Leugner der Unsterblichkeit hassen, und die von Gott weder geschaffene noch geleitete Welt sowie der niedrige Zweck des Daseins, den das System aufzustellen schien, waren dem Wesen Dantes so entgegengesetzt als möglich. Sieht man aber näher zu, so haben auch auf ihn gewisse Philosopheme der Alten einen Eindruck gemacht, vor welchem die biblische Lehre von der Weltlenkung zurücktritt. Oder waren es eigene Spekulation, Einwirkung der Tagesmeinung, Grauen vor dem die Welt beherrschenden Unrecht, wenn er die spezielle Vorsehung völlig aufgab? Sein Gott überläßt nämlich das ganze Detail der Weltregierung einem dämonischen Wesen, der Fortuna, welche für nichts als für Veränderung, für das Durcheinanderrütteln der Erdendinge zu sorgen hat und in indifferenter Seligkeit den Jammer der Menschen überhören darf. Dafür hält er aber sittliche Verantwortung des Menschen fest; er glaubt an den freien Willen.
Der Populärglaube an den freien Willen herrscht im Abendlande von jeher, wie man denn auch zu allen Zeiten jeden persönlich für das, was er getan, verantwortlich gemacht hat, als verstehe sich die Sache ganz von selbst." (mein Kursiv)


S. 245
Über den Aberglauben:
„Es ist ewig hilfreich, zu sehen, wie alle Bildung und Aufklärung gegen diesen Wahn lange Zeit nicht aufkamen, weil dieser keine Stütze hatte an der leidenschaftlichen Phantasie, an dem heißen Wunsch, die Zukunft voraus zu wissen und zu bestimmen, und weil das Altertum ihn bestätigte.

„daß zu Como schon im ersten Jahre nach Erlaß der Bulle 41 Hexen verbrannt wurden; Scharen von Italienerinnen flüchteten auf das Gebiet Erzherzog Sigismunds, wo sie sich noch sicher glaubten. Endlich setzt sich dies Hexenwesen in einigen unglücklichen Alpentälern, besonders Val Camonica, ganz unaustilgbar fest; es war dem System offenbar gelungen, Bevölkerungen, welche irgendwie speziell disponiert waren, bleibend mit seinem Wahn zu entzünden. Dieses wesentlich deutsche Hexentum ist diejenige Nuance, an welche man bei Geschichten und Novellen aus Mailand, Bologna usw. zu denken hat."


S. 275
Über gute Geister
„An die Möglichkeit der Sache selber glaubten offenbar sehr viele; ein mittelbarer Beweis dafür liegt schon darin, daß auch die Frömmsten ihrerseits an erbetene Visionen guter Geister glaubten. Savonorola ist von solchen Dingen erfüllt, die florentinischen Platoniker reden von einer mystischen Bereinigung mit Gott, [...]“


S. 278
„Mit etwas Geld und Gefahr schien man der allgemeinen Vernunft und Sittlichkeit ungestraft trotzen zu können und die Zwischenstufen zu ersparen, welche sonst zwischen dem Menschen und seinen erlaubten oder unerlaubten Zielen liegen.“


„Eine mächtige Quelle aller Zweifel an der Unsterblichkeit war zunächst der Wunsch, der verhaßten Kirche, wie sie war, innerlich nichts mehr zu verdanken. Wir sahen, daß die Kirche diejenigen, welche so dachten, Epikureer nannte (oben S. 227 ff.). Im Augenblick des Todes mag sich mancher wieder nach den Sakramenten umgesehen haben, aber Unzählige haben während ihres Lebens, zumal während ihrer tätigen Jahre, unter jener Voraussetzung gelebt und gehandelt."


S. 290
„Besäßen wir noch mehr Bekenntnisse dieser Art, so würde das geistige Bild jener Zeit um viele wichtige Züge reicher werden, die uns keine Abhandlung und kein Gedicht gibt. Wir würden noch besser sehen, wie stark der angeborene religiöse Trieb, wie subjektiv und auch wie schwankend das Verhältnis des einzelnen zum Religiösen war und was für gewaltige Feinde dem letzteren gegenüberstanden. Daß Menschen von einem so beschaffenen Innern nicht taugen, um eine neue Kirche zu bilden, ist unleugbar, aber die Geschichte des abendländischen Geistes wäre unvollständig ohne die Betrachtung jener Gärungszeit der Italiener, während sie sich den Blick auf andere Nationen, die am Gedanken keinen Teil hatte, getrost ersparen darf.“


Und weiter noch:
„Wenn der Unglaube in dieser Beziehung unter den höher Entwickelten eine so bedeutende Stellung gewann, so hing dies weiter davon ab, daß die große irdische Aufgabe der Entdeckung und Reproduktion der Welt in Wort und Bild alle Geistes- und Seelenkräfte bis zu einem hohen Grade für sich in Anspruch nahm. Von dieser notwendigen Weltlichkeit der Renaissance war schon (S. 226) die Rede. Aber überdies erhob sich aus dieser Forschung und Kunst mit derselben Notwendigkeit ein allgemeiner Geist des Zweifels und der Frage. Wenn derselbe sich in der Literatur wenig kundgibt, wenn er z.B. zu einer Kritik der biblischen Geschichte (S. 237) nur vereinzelte Anläufe verrät, so muß man nicht glauben, er sei nicht vorhanden gewesen. Er war nur übertönt durch das soeben genannte Bedürfnis des Darstellens und Bildens in allen Fächern, d.h. durch den positiven Kunsttrieb; außerdem hemmte ihn auch noch die noch vorhandene Zwangsmacht der Kirche, sobald er theoretisch zu Werke gehen wollte. Dieser Geist des Zweifels aber mußte sich unvermeidlich und vorzugsweise auf die Frage vom Zustand nach dem Tode werfen, aus Gründen, welche zu einleuchtend sind, als daß sie genannt zu werden brauchten.“

Interessant:
S. 294/295
„Wenn kräftig entwickelte Menschen der Renaissance uns erzählen, ihr Prinzip sei: nichts zu bereuen, so kann dies allerdings sich auf sittlich indifferente Angelegenheiten, auf bloß Unkluges und Unzweckmäßiges beziehen, aber von selbst wird sich diese Verachtung der Reue auch auf das sittliche Gebiet ausdehnen, weil ihre Quelle eine allgemeine, nämlich das individuelle Kraftgefühl ist. Das passive und kontemplative Christentum mit seiner beständigen Beziehung auf eine höhere Welt beherrschte diese Menschen nicht mehr. Machiavelli wagte dann die weitere Konsequenz: dasselbe könne auch dem Staat und der Verteidigung von dessen Freiheit nicht förderlich sein.“


S. 332
Luxusgesetze, angestoßen durch die Bußprediger
„höchstens 4 Unzen Silber als Schmuck gestattet; für die Frauen studierter Richter und Doktoren: 6 Unzen; nur ein Ring. Verboten sind Stickereien von Bäumen und Tieren auf Kleidern.
Siehe auch die Zusammenfassung von plomlompom Mind/DasLebenImMittelalter


S. 337
„Von der Waghalsigen Kletterei eines Deutschen wird im sog. Chron. Parm., Muratori, u.U. XXII 3, S. 29 erzählt“

Dämonen

S. 389
„[...] 'Ausdrücklich setzt D. [Dante,Anm] sie den Intelligenzen (Engel) gleich, welche die Himmelsleitern im Auftrage Gottes und die von Gott geschaffene Welt – selbst schöpferisch aber Gott verantwortlich – ausgestalten."

S. 398
„Eine eigentliche Ansicht über Dämonen stellte Ge. Gemisthos Pletho auf, dessen großes philosophisches Werk [griechischer Text], heute nur noch in Bruchstücken erhalten, bei den Italienern des 15. Jahrh. aber vielleicht in Abschriften oder durch Tradition vollständiger bekannt, ohne Zweifel auf die philosophisch-politisch-religiöse Bildung der Zeit einen großen Einfluß geübt hat. Nach ihm waren die Dämonen, die zu den Göttern dritter Ordnung gehörten, vor jedem Irrtum bewahrt und „fähig, der Spur der über ihnen stehenden Götter nachzugehen“, Geister, welche den Menschen das Gute bringen, „das von Zeus her durch die anderen Götter hindurch bis auf sie herunter fließt; sie bewachen und läutern den Menschen, erheben und stärken sein Gemüt“.

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