Buch Mircea Eliade, "Histoire des croyances et des idees religieuses: I. De l'age de la pierre aux mysteres d'Eleusis" / 1976. Deutsch: "Geschichte der religiösen Ideen I: Von der Steinzeit bis zu den Mysterien von Eleusis".
Lektüre-Notizen:
- Vorwort:
- Eigentlich wollte Eliade ja ein kurzes Buch schreiben, um die 400 Seiten, statt ein multi-bändiges Werk. Dann hätte der Leser die verschiedenen Geister sehr viel näher beieinander und voneinander durchdrungen gelesen, in nur geringem Abstand weniger Stunden (das Werk hätte sich an einigen Tagen am Stück durchlesen lassen), und ihm wäre so sehr viel eher ihre Verbundenheit klar geworden. Er sieht voraus, dass dies hier jetzt sein letztes Werk sein könnte.
- Säkularisierung, das heißt eigentlich nur: das Heilige verschmilzt ganz und gar mit dem Profanen. So ganz klar ist mir nicht, wie Eliade das meint, aber vielleicht (nach meiner letzten Eliade-Lektüre würde es passen) so: Am Anfang war das Heilige ja einfach mit allem äquivalent, das in ein erklärbares, Sinn-haftes System eingepasst wurde. Die Aufklärung übernimmt diesen Job, sowohl für alles vormals Heilige als auch das, was früher als "profan" keine Beachtung fand. Mal sehen, ob diese These standhält.
- "Am Anfang … Magisch-religiöse Verhaltensweisen des Altsteinzeitmenschen -- Paläolithikum":
- Einwirkung einiger kulturell-anthropologischer Voraussetzungen auf den frühen Menschen: ein bestimmtes dem aufrechten Gang spezifisches RaumGefühl (hab ich nicht ganz verstanden), die immer ausgefeiltere Nutzung von Werkzeugen (im Gegensatz zu den übrigen Primaten: Werkzeuge, die Werkzeuge schaffen!) und die Bändigung des Feuers, die TierJagd (sie soll den frühen Menschen gerettet haben; das WurzelSammeln reichte nicht), ArbeitsTeilung zwischen Mann und Frau hin zu früher GeschlechterDifferenzKultur.
- Eliade betont Spärlichkeit und mangelhafte Interpretierbarkeit altsteinzeitlicher Zeugnisse. Daraus lasse sich aber nicht die Abwesenheit religiösen BewusstSeins herleiten: Auch das GlaubensLeben heutiger Primitiver hinterlasse so gut wie keine archäologischen Spuren. Findet es legitim, Analogien zu heutigen primitiven Kulturen als spekulatives FüllMaterial für damalige Spuren zu nutzen, um zumindest den MöglichkeitenRaum klar zu machen, die Unwahrscheinlichkeit eines "da war gar nix" zu betonen.
- Der frühe Mensch nämlich war sicherlich dem heutigen in seinen psychischen Fakultäten schon sehr ähnlich gestrickt; die Langsamkeit des sozialen und technologischen Fortschritts ist kein Beweis für seine Dummheit, so wenig wie die Geschwindigkeit des Fortschritts in den letzten Jahrhunderts von einer erhöhten Intelligenz des modernen Gehirns zeugt. Die Umstände boten keinen großen Raum für kulturellen oder technischen Fortschritt, straften ihn sogar mit Gefährlichkeit, Tötlichkeit.
- Was haben wir konkret? BestattungsFormen, die den Glauben an eine wie auch immer geartete FortExistenz der Verstorbenen nahelegen, mit umstrittenen GrabBeilagen; reich bemalte Höhlen (oft nur als rituelle Orte, nicht zum Wohnen brauchbar; tief, schwer zugänglich), in deren über Jahrtausende stabilen SymbolSprache eine "mythische Solidarität" zwischen Tier und Mensch offenbar wird, und vielleicht auch früher "Schamanismus"; schwer deutbare Figürchen, demselben Zeichen-Repertoire zuzugehörig.
- Was fehlt? Hinweise auf einen Glauben an hierarchisch höhere Wesen und OpferGabenSysteme; auch von FruchtbarkeitsSymbolik ist keine Rede, Eliade verschmäht sogar die Bezeichnung diverser steinzeitlicher Figürchen als "Venus".
- Eliade stellt sich einige Aufregungen durch die Genese der Sprache vor; verweist auf die mystischen Qualitäten die schon (oder gerade) Sinn-entleerte Laute bei Schamanen und Yogis haben und gleichzeitig auf die kulturelle Kraft, die jedes kommunikative und begriffliche AufKeimen von Sprache entfaltet haben dürfte, was das GeistesLeben des frühen Menschen sicher auch als bedeutendes Ereignis verarbeitete.
- Sicherlich werden die Lebens- und Macht-wichtigen Gegenstände des frühen Menschen, Feuer, Werkzeug, Geschlecht usw., aber auch die urmenschliche Erfahrung der Ekstase und des Träumens, im GeistesLeben des frühen Menschen vielerlei religiöse Vorstellungen und Erzählungen ausgelöst haben; selbst wenn davon kaum Zeugnisse überliefert sind; wir können davon ausgehen, dass mit Beginn des Neolithikums schon eine reichhaltige VorstellungsWelt existierte, schon vieles angelegt war, das teils bis heute fortwirkt.
- "Die längste Revolution. Die Entdeckung des Ackerbaus -- Mesolithikum und Neolithikum":
- Sich in den Menschen einprägende Veränderungen mit dem Ende der EisZeit; Migration von Mensch und Tier und Notwendigkeit, sich in der Versorgung technisch-kulturell umzustellen. Schon bald belegbare Ahnen-Mythen verweisen vielleicht auf die Erinnerung an eine frühere, andere, bessere Zeit.
- Mit dem Ackerbau treten neue Mythen ein, rund um Fruchtbarkeit und den Samen; größere Bedeutung und Genauigkeit der Zyklen; periodische WeltBilder, wo alles, was lebt, stirbt und wieder neu geboren wird, Jahr für Jahr. Erst hier weist Eliade der Weiblichkeit große mythologische Bedeutung zu; denn nun ernährt die Fruchtbarkeit den Menschen.
- Rolle des Jägers wird an den Rand gedrängt; Jäger werden zu Kriegern. Die "mythische Solidarität" zwischen Mensch und Tier in der JägerKultur weicht der zwischen Mensch und Samen/Vegetation. Aber nicht ganz: in Krieger-Kulturen, vor allem nomadischen, überlebt sie lange; noch lange zählen hier Selbst-Identifikation mit Tieren, trägt man TierNamen.
- Alle technischen Neuerungen ziehen religiöse nach sich. Die Metall-Gewinnung beispielsweise eröffnet die unmenschliche UnterWelt; auch hier ein Wachsen, aber eines nach übermenschlichen Zyklen; nur durchs Eindringen ins dunkle Verbotene gewinnbar; große Mythologie des Schmieds, der das Chthonische meistert und deshalb verehrt wie verachtet wird.
- SchädelKult; Verortung eines Geistes scheint sich durchzusetzen, eine Aufspaltung des Menschen zu einem Körper einerseits und einem spirituellen Wesen andererseits. Möglichkeiten des Lebens nach dem Tod oder der WiederGeburt erscheinen verfestigt.
- Erste Siedlungen; in die HausFormen interpretiert Eliade frühe Formen der WeltAchse / axis mundi hinein, wie bei den Juten in den Schamanen-Kulturen als Zentrum des Hauses, das sich mit dem Zentrum der Welt vereint, als WeltenBaum vom Untergrund bis in den Himmel schießt.
- Bisher große Monotonie, GleichArtigkeit der Kulturen, eine Art gesamt-menschlicher Kultur; nun dürfte langsam regionale AusDifferenzierung einsetzen (erhebliche Ungleichzeitigkeiten technologischen Stands). Aber so spärlich die Zeugnisse sind, bleibt trotzdem alles in allem nur gleich Aussehendes übrig, restliche Differenzen: Spekulation.
- "Die mesopotamischen Religionen":
- Mit den Mesopotamiern treten schriftliche Zeugnisse des Glaubens auf die Bühne, und damit eine Vielzahl von mythologischen Standards und Futter für Eliades übliche Thesen. Es gibt Pantheon, Sintflut, den Gang in die Unterwelt zum Retten eines Verstorbenen, die Suche nach Unsterblichkeit und ewiger Jugend (Gilgamesch), usw. usf.
- Die Sintflut-Erzählung gleicht bereits der biblischen; die Götter strafen (teils nur aus ÜberDruss, teils aufgrund der Menschen Verfehlungen in ihren Pflichten gegenüber den Göttern) alle bis auf einen Guten; der erhält zur Belohnung die Unsterblichkeit; nachher wird Gilgamesch ihn aufsuchen, der von ihm den Trick erfahren möchte.
- Im Pantheon wilde Gemetzel, GenerationenKämpfe, in deren Verlauf Welten, Dämonen und Menschen entstehen. Zum Teil werden hier auch religionsgeschichtlich wechselnde GötterHierarchien sortiert; der immer weiter ins Abstrakte rückende HimmelsGott; die erst niederen, dann konkreteren, wichtigeren Götter, oft der gerade wichtigsten Stadt (Marduk/Assur).
- Gilgamesch rackert sich vergebens ab in seiner UnsterblichkeitsQueste; im mesopotamischen System ist die Rolle des Menschen eine niedere, verzweifelte, trotz gewisser göttlicher Anteile in seiner Herkunft. Bald darauf häufen sich in ZweiStromLand und Umgebung religiöse Krisen, die Verlassenheit von den Göttern, Zweifel; siehe Julian Jaynes.
- Für Eliade, den alten Schamanen-Studenten, ist eh spannender, was im Gilgamesch-Epos an Initiations-Riten durchblitzt – heroische, aber vor allem auch in der SiebenTageWach-Übung spirituelle. Gilgamesch versagt natürlich und entschlummert sofort.
- Diverse zauberisch-okkulte Praktiken kommen bei den Sumerern, Akkadiern, Babyloniern, Assyrern vor, vor allem das Vorhersagen über das Auslesen dieser oder jener Akzidenzen; Astrologie sei hier eine recht späte Erfindung. Aberglaube, aber auch das Systematisieren von Zeichen und Vorhersagen, also durchaus proto-wissenschaftliche Spuren.
- "Religiöse Gedankenwelt und politische Krisen im alten Ägypten":
- Während bei den Mesopotamiern die GeoPolitik ein WechselSpiel verschiedener großer Städte ist, dominiert in Ägypten der Fluss des Nils umgeben von einer eher ländlichen Bevölkerung, dafür bis auf wenige Episoden aber umso stabiler als ein einheitliches Reich und Kontinuum von Tradition und Verwaltung.
- Gegenüber Mesopotamiern stärkere Identifikation der Könige mit Göttern. Das Reich: göttliche Ordnung (NachBildung, permanente NeuErschaffung heiligen UrZustands), Hierarchie und Tradition das Wahre, Abweichung Chaos. So tausendjähriger "Immobilismus", oder: SelbstBehauptung einer Ordnung und Gestaltetheit, wo vorher nichts (Chaos) war.
- Gesamt-historisch undurchschaubares Götter-WirrWarr – neben dem Pharao-Gott die anderen Götter (oft als ehemalige Pharaonen behauptet), die ihre Plätze und Rollen immer wieder vertauschen, mit wechselnden Macht-Konstellationen und Befindlichkeiten und über metaphysische Feinsinnigkeiten. Echnatons Aton-"Monotheismus" passt ins Durcheinander rein.
- Ein paar Köpfe ragen dann doch hervor; Re und Amon, Horus und Osiris. Die Horus-Osiris-Geschichte enthält wieder den Gang in die UnterWelt zwecks WiederErweckung. Die Popularität von Osiris, dem "ermordeten Pharao" der zum Lebens-, dann Jenseits-Prinzip gerät, wächst mit den Jahrhunderten; mit der Zeit demokratisiert er, gibt allen Hoffnung.
- Um den Wechsel vom 3. zum 2. Jahrtausend religiöse und herrschaftliche Krise; erstaunliche pessimistisch-agnostische Texte zirkulieren, in denen selbst dem Pharao die Unfehlbarkeit abgesprochen und Selbstmord kontempliert wird. Persönlicher Individualismus einzelner Autoren scheint durch.
- Ganz im Kontrast zum offiziellen depersonalisierenden StaatsKult, worin die Pharaonen in gewisser Weise über ihre Göttlichkeit austauschbar sind, ihre Handlungen und Eigenschaften nur Wiederholungen des Ewigen sind. Dass die mythischen Pharaonen / Götter TierKöpfe haben, führt Eliade auf die göttliche Unpersönlichkeit der Tiere zurück.
- Zum Ende hin immer beachtlicherer JenseitsKult. Ägypter haben starke, sehr detaillierte Vorstellungen vom Leben nach dem Tod; Eingang in UnterWelt oder SternenHimmel (der Tod ist die VerEwigung, Eingang in die göttliche Ordnung); Prüfungen zu bestehen über sittlichen LebensWandel oder (späterhin immer stärker) Kenntnis von ZauberFormeln.
- "Megalithe, Tempel, Kultzentren: Westen, Mittelmeer, Industal":
- In den Megalith-Strukturen Nord- und WestEuropas, den Menhiren, Cromlechs und Dolmen, sieht Eliade einen Ahnen-/TotenKult. Steinerne Monumente sollten den Sterblichen und Toten Ewigkeit verleihen, ihre Erinnerung bewahren. Es waren vielleicht schon Erz-abbauende Völker; sie hinterließen aber nur Stein, weil sie das Metall im Leben brauchten.
- Der Harappa-Kultur gelingen parallel mit Ägypten ähnlich begabte Städte-Anlagen; aber da ihr ErfindungsReichtum Innen-gekehrter war, hinterließ er weniger Zeugnisse. AusStrahlung ihres Glaubens auf den Hinduismus; unter arischer Invasion war ihr offizieller Kult an die populären Ränder verdrängt, von wo er im MittelAlter sich wieder nach oben arbeitet.
- Minoische Palast-Zivilisation stark von den Kulturen südlich und östlich Kretas beeinflusst; Göttinnen (!) der Fruchtbarkeit und des Todes, starke Ideen zum Jenseits und der Seele. Dieser in den Palästen zelebrierte Teil des minoischen Kults fand keinen Eingang in die spätere griechische Religion.
- Zugleich in Mykene und der griechischen SpätPhase schon rege Spuren des späteren griechischen Pantheons; viele Götter vertreten. Heilige Orte, Höhlen, Bäume, BergGipfel, werden auch in der Antike noch verehrt; Kreta gilt dann nach wie vor als Ort mythischer Vergangenheit.
- "Hethitische und kanaanäische Religion":
- Hethiter / hattisch-hurritischer Komplex: indogermanisch-anatolisch-mesopotamisches Kultur- und Götter-Gemisch. Familien-Pantheon, an der Spitze stehen WetterGott/GroßeGöttin; dann gibt's noch z.B. lokale Gottheiten. König ist von ihnen eingesetzter Vertreter zwischen ihnen und den Menschen. Ähnlich Babyloniern, zu denen die Mythen querverbinden.
- Die Ordnungs-schöpferische SeifenOper zwischen den Göttern ist reich an Kämpfen, BlutVergießen, Entmannung, sehr sexuell aufgeladen: x beißt y das Glied ab, y antwortet lachend mit "haha, jetzt hab ich dich geschwängert!"; x schwängert einen Stein. Die BiSexualität und Androgynität von Figuren ist ein göttliches Attribut.
- Hesiods Theogenie hat sich hier reich bedient; Gaia, Uranus, Kronos, all das ist hier vorformuliert.
- Im phönizisch-kanaanisch-ugaritischen Komplex taucht Baal auf, Sohn des Dagon ("Dagan"), eigentlicher Name Hastur ("Haddu"). Auch er gewinnt seinen Vorrang durch viel Rumgezoffe mit den anderen Göttern und durch Entmannung eines früher dominierenden höchsten, nun mehr in den himmlischen Hintergrund zurücktretenden Gottes ("deus otiosus").
- Die Baal-Mythologie ist das, wo die Israeliten mit ihrem Kommen hinein stoßen, was sie mit ihren eigenen Ideen zu verdrängen versuchen werden. Kommen im Zuge mehrerer völkerwanderischerer Einfälle von seitens der Ansässigen jeweils als Barbaren empfundenen weniger zivilisierten Völkern, die eher noch Himmels- statt AgrarWirtschaftsGötter pflegen.
- "'Als Israel noch ein Kind war …'":
- In der Genesis scheinen viele Standards der Nachbarn/Vorgänger, z.B. Mesopotamier durch: Wasser und Chaos werden zur Geburt der Welt verdrängt, Sintflut löscht Vorgänger aus, Götter-"Kinder" (Nephilim) schaffen mit MenschenFrauen HalbGötter (Sperma-schleudernder antiker Pantheon). Hohes LebensAlter der Ahnen; eine paradiesische VorZeit.
- Zugleich Umdeutungen. Personalisierte Götter werden zu abstrakten Prinzipien (das Chaos, aus dem die Welt geformt wird, statt ein zu bekämpfender Drache oder UrGott). Kein göttliches Bedauern für die Sintflut, denn der eine Gott hat sie guten Gewissens ausgelöst. Die Frucht vom heiligen Baum löst nicht Initiation, sondern Strafe aus.
- Nomadische Abrahamiten. Gott ist ein Gott der Väter, patrilinear weitergereicht, ohne festen StandOrt, residiert in einem Zelt oder einer Lade. Abel ist ein halbnomadischer ViehHirte, der böse Kain betreibt AckerBau und Schmiederei und gründet Städte; die sesshafte Zivilisation ist noch der Feind. Diverse Ähnlichkeiten zu prä-islamischen Arabern.
- Noch Moses' Gott ist nicht der einzige, nur halt für seine Kinder (der Stamm Abrahams und Moses', mit dem er den Bund geschlossen) der einzige erlaubte. Erweist sich in Eroberung Kanaans aber auch als der stärkere gegenüber der Konkurrenz. Das führt zu religiösen Überläufern. Ist gegenüber anderen auffällig eifersüchtig, intolerant, herrisch.
- Moses (ein ägyptischer Name) kannte vielleicht Aton (Echnatons Idol) und übernahm von hier monotheistisches Gedankengut. Später übernehmen die Juden für ihren Gott auch Kult-Elemente der Kanaaniten, eindeutig den Gott El, vielleicht auch den in späteren Passagen verdammten Baal. Man übernimmt Sesshaften-Elemente, lässt nomadische fallen.
- Riten für Götter verlieren bei den Juden den magischen Charakter: Man opfert und erfüllt Gebote, aber ohne Kalkül dafür einforderbarer Belohnungen. Göttliches und seine Logik sind unergründlich, entziehen sich dem Verstand. Abraham opfert Isaak aus blindem Glauben, fragt nicht, was das bringen soll. Der GlaubensBeweis zählt mehr als das Opfer.
- "Die Religionen der Indoeuropäer. Die vedischen Götter":
- AusbreitungsGeschichte der IndoEuropäer. Kommen vermutlich aus der Gegend nördlich des Schwarzen Meeres.
- Über ihre Kultur lässt sich nur anhand der Spuren bei den Enkeln spekulieren. Immerhin gibt es als Aufhänger z.B. sprachliche Identitäten mit Aufschluss-reicher Differenzierung (viele gemeinsame Begriffe für dies, wenige für das). Außerdem gibt es bemerkenswerte Identitäten zwischen Mythen vom äußersten Irland bis in den Orient.
- Einige annehmbare Merkmale: Die IndoEuropäer favorisierten das Hirtentum, betrieben aber auch AckerBau. Sie waren patriarchal organisiert und mochten das Kriegerisch-Militärische. Sie pflegten eine soziale Hierarchie mit den drei Schichten Priestertum, Krieger und (freie?) Bauern. Mythen von der Bekämpfung dreiköpfiger Drachen.
- Sie hatten einen HimmelsGott (das Himmliche und das Göttliche manifestiert seine Verbindung in vielen Sprachen), der mit der Zeit immer mehr zum deus otiosus wurde. Darunter Götter der verschiedenen Natur-Elemente, Witterungen, Donner, Feuer, Wasser. Das oberste Göttliche hat bei ihnen eine magische und eine moralisch-gesetzliche Seite.(?)
- Sie respektierten die mündliche Überlieferung und verachteten die schriftliche. Clash mit den Semiten und ihren BuchKulturen; Verbot, ihre Schriften zu studieren. Die ganze indoeuropäische VerbreitungsGeschichte ist gekennzeichnet von einem wechselhaften Spiel der Abstoßung und Synthese vorgefundener unterworfener Kulturen.
- Irgendwann fallen sie bekanntlich auch in Indien ein, zerstören/erobern/assimlieren dort. Das sehr langanhaltende WechselSpiel zwischen der arischen Kultur und im Volk sehr lange fortexistierenden Elementen der vor-arischen interessiert Eliade immer wieder und ist im Detail in LeYoga aufgeschlüsselt.
- Ins Vedische hinein dann lange Listen und Erörterungen verschiedener sich hintereinander jeweils für eine Periode in den Vordergrund drängender und dann ins Obskure abrutschender Götter und ihrer oft komplizierten Metaphysik. Ich schalte immer etwas ab, wenn Eliade beginnt, wild mit indischem FachVokabular um sich zu werfen.
- "Indien vor Gautama Buddha. Vom kosmischen Opfer zur letzten Identität. Atman-Brahman":
- Ach, ach. Ein großer Teil meines kognitiven Apparats schaltet ab, wenn Eliade indische Metaphysik referiert. Es klingt alles sehr poetisch und bedeutsam und philosophisch. Ich ertrage es aber nur, assoziativ drüber zu flanieren.
- Vedische Riten des Opfers und der Initiation. Keine Heiligtümer. Tod und WiederGeburt bzw. RückKehr in den Schoß, regressus ad uterum, Darstellung des männlichen Samens usw. spielen viele Rollen.
- Vielfältige Kosmologien, die Religionen andernorts spiegeln: Entstehung von Welt, Kosmos, Mensch, Ordnung aus dem Wasser, oder aus der Zerstückelung (der Selbst-Opferung) eines anthropomorphen Ur-Riesen (vgl. Ymir), aus Metaphysik (das Eine war statt Sein und Nicht-Sein, Tod und Nicht-Tod usw.), aus Trennung von Himmel und Meer.
- Das Opfer, die Zerstückelung des Gottes, Welten-schöpfend, Welten-erneuernd, wird nachvollzogen, in Tier-Opfern (Zerstückelung eines Pferdes) oder auch in Menschen-Opfern, tatsächlichen oder symbolischen (Mensch wird in letzter Minute durch ein Tier ersetzt – wie bei Abraham und Isaak!).
- Wandlungen von Rig-Veda bis zu Upanishaden. Einarbeitung metaphysischer Krisen, führen zur Abwertung der Opfer, Erhebung bestimmter Formen esoterischer Erkenntnis; Erschrecken über den Karma-Kreislauf, den WiederGeburts-Zyklus samsara und Hoffnung auf Entkommen durch eine bestimmte nur in spiritueller Disziplin erreichbare Erleuchtung.
- Asketische Disziplin, schamanische und germanische WertSchätzung des inneren Feuers, VorFormen des Yoga hinterlassen hier und da Spuren, verweisen auf spätere Entwicklungen. Am Rande der Gesellschaft schon länger: seltsame Asketen, Wald-Einsiedler, in Krisen-Zeiten werden sie mehr.
- "Zeus und die griechische Religion":
- Hesiod berichtet von Götter-Generationen-Kriegen ähnlich den Orientalen. Seltsame Rolle von Zeus – als allmächtiger HimmelsGott, der zugleich weder die Welt noch den Menschen erschaffen hat. Vertreter der früheren Generationen überleben, zum Teil mit obskurer Funktion. Kronos darf die Insel Elysium regieren.
- Zeus ist der Multi-Funktionen-Gott, was vor allem daran liegt, dass es keine Spezial-Göttin gibt, mit der er nicht geschlafen hätte. Die Griechen sind groß im Synkretisieren, alles Vorgefundene wird den Kulten einverleibt, stellt im Zweifel eine weitere Episode im Leben des Zeus dar, seine Kindheit auf Kreta, usw.
- Prometheus ist so eine Art alttestamentarische Schlange, er schiebt den Menschen technische/geistige Vorteile zu, was aber nur den Zorn von Zeus auf sich zieht, der sie dann mit Übeln wie z.B. der Frau / der Büchse der Pandora straft. Irgendwann versöhnen sich Zeus und Prometheus wieder; Märtyrer-Bewunderung für ihn ist neuzeitliche Romantik.
- Nach Hesiod gibt es zuerst die goldenen Menschen, denen geht es paradiesisch unter Kronos; vergehen mit ihm. Die silbernen und "ehernen" bauen ab / bauen Mist, töten sich gegenseitig. Dann interessanterweise statt Abstieg die Heroen, die gut genug sind, um ins Elysium einzugehen, wo Kronos das Goldene ZeitAlter reanimiert. Dann dröges Jetzt.
- Im Hades ist alles Schatten, öde, man mag dort nicht sein; sowohl Qualen als auch Belohnungen empfangen nur wenige Ausgewählte im NachLeben. Die Glücklichen werden ins Elysium geschickt. Das Leben der Meisten ist voller Leiden und kurz. Keine große Hoffnung: Zeus ist nicht unser Schöpfer, empfindet keine besondre Sympathie für uns.
- In Folge adoptieren die Griechen eine CarpeDiem-Einstellung zum Leben: Fülle es aus, so lange es da ist, greife alles, was sich bietet. Sie zelebrieren das Leben, und gerade auch den Menschen, so distinkt er von den Göttern ist (paradoxerweise sind alle ihre GötterBilder Feiern der Perfektionen des menschlichen Körpers).
- "Olympier und Heroen":
- Poseidon: Bruder von Zeus, vielleicht sogar der ältere, einstmals eben in der Hierarchie; dann durch spätere MachtVerteilung aufs Meer fokussiert. Ursprünglich als Idee vom trockenen Norden kommend, als Zeus-artiger Gott, viel schwängernd, und eher den Pferden assoziiert. Gab nach und nach alle Attribute außer die feuchten ab.
- Hephaistos: Sohn der Hera, ohne Vater. Hässlich und verkrüppelt, dafür Meister der technischen Produktion. Meister der BindeKunst / FesselKünstler. Magie und Metallurgie.
- Apollon: Hellenistischer Liebling; verkörpert "Heiterkeit, Achtung von Gesetz und Ordnung, göttliche Harmonie"; Verrechtlichung der Buße – erschlägt den delphischen Drachen Python, büßt ein Jahr lang als Sklave unter Menschen; inspiriert Delphi-Orakel, steht für Weisheit und Erkenntnis; ist den mythischen nördlichen Hyperboreern assoziiert.
- Hermes: Steht den Menschen nahe, entdeckt das Feuer, gilt als Bote (und geleitet auch die Toten) weil er Meister der Wege, des ZurechtFindens ist. Assoziiert mit List, Trickserei; induziert ErfinderGeist. Überlebt das Heidentum: die Christen sehen ihn als Personifikation des Denkens, und die Alchemisten sehen in ihm GeheimWissen verkörpert.
- Hera, ursprünglich eine große Herrin/Göttin von Argos, rege dort Fruchtbarkeits-Mythen assoziiert, wird als Gattin von Zeus zur Göttin der Ehe domestiziert, deren bekannteste Eigenschaft ihre stete Eifersucht ist.
- Artemis: Sowohl Schutzgöttin der Tiere als auch der Jagd. Liebe und Ehe sind ihr unbekannt; sie ist ewig jungfräulich, schon weil sie an Männern nicht interessiert ist. Interessanterweise gibt es aber auch einige Kulte, die ihr Kompetenzen in Mutterschaft und Fruchtbarkeit zusprechen. Griechen loben solche Widersprüche als "Geheimnis".
- Athene startet als mykenische / vor-griechische PalastGöttin; ist dann der KriegsKunst geweiht, aber auch der technischen Kompetenz (ähnlich Hephaistos), hilft den Nutzern von Technik bei der korrekten Durchführung ihrer Taten. Göttin auch des vernünftigen, praktischen Denkens.
- Ares ist ein interessanter Gegensatz zur Athene. Er ist der KriegsGott, aber er wird von allen Göttern verachtet und kennt auch keinen menschlichen Kult. Es heißt, er kenne keine Gesetze. Er ist Thrakien assoziiert, vielleicht naserümpfte man deshalb über ihn.
- Aphrodite macht das mit Liebe und Sex und stiftet dabei z.B. auch Zeus zu seinen regelmäßigen Eskapaden an – die dadurch eben nicht profane Menschlichkeit des Gottes ausdrücken, sondern einen göttlichen Antrieb verliehen bekommen.
- Unklare Rolle der Heroen: Menschen, Götter, Halbgötter? Sind definiert über ihre großen/prägenden Taten und oft über ihren spektakulären Tod; nur wenige werden mit göttlicher Unsterblichkeit belohnt; die meisten sind über ihren NachRuhm unsterblich. Atmen durch hybris und Exzesse, die nur in einer noch unfertigen VorZeit duldbar sind.
- "Die Mysterien von Eleusis":
- Demeter ist vielleicht die älteste Gottheit, verweist auf die urtümliche GroßeMutter zurück; ihre Eleusischen Mysterien werden schon mindestens seit den griechischen dark ages gepflegt.
- Demeters Tochter Persephone wird in die UnterWelt entführt, Zeus will sie mit Hades vermählen; Demeter, sauer, verlässt den Olymp (was Dürre der Länder nach sich zieht), zieht nach Eleusis bei Athen, mischt sich unter Menschen; versucht erfolglos (aufgehalten durch menschliche Dummheit), aus Rache, ein MenschenKind als Gott zu adoptieren.
- Kompromiss-Lösung: Persephone darf die Hälfte der Zeit ins Reich der Lebenden, und in der Zeit sorgt Demeter für Fruchtbarkeit; Demeter wiederum vergöttlicht die Menschen nur halb: offenbart ein Mysterium (Ackerbau?), das Eingeweihte aus der Tristheit des NachLebens befreit, ihnen irgendeine Teilhabe am Göttlichen erlaubt.
- Die Mysterien von Eleusis nun: die Teilhabe an Demeters Offenbarung und damit an einer Art von Vergöttlichung, Erhebung über die Verbannung des Menschen ins von den Göttern gleichgültig betrachtete Profane. Sind ein Geheimnis, trennen die Auserwählten von der Masse.
- Eleusis-Kult: halb-öffentlich. Jährliche Prozession, diverse öffentliche Andeutungen über niedere Stufen der Initiation, prinzipiell große Offenheit gegenüber Initiations-Willigen jeder gesellschaftlichen Stufe – auch Frauen und Sklaven. Müssen Griechisch können. Aber höhere Initiations-Stufen, das Innerste der Rituale, bleibt geheim.
- Viel wurde spekuliert. Vermutlich drehten sich die Geheimnisse um FruchtbarkeitsSymbolik.
- Eleusis-Kult relevant als Prägung der Idee vom Geheimnis als Initiation. Das Geheime ist das WertVolle, das ist die Weisheit vieler antiker Autoren. Und diverse KulturTechniken erlangten Aufstieg über Aura des GeheimWissens, vom AckerBau bis zur SchmiedeKunst. Eleusis-Kult vielleicht Mystifizierung urzeitlich privilegierten Ackerbau-Wissens.
- "Zarathustra und die iranische Religion":
- Es gibt eine indo-iranische Ur-Religion, in die Mitte des 1. Jahrtausends-vor die Zarathustra-Figur geworfen wird. Der vertritt den Kult zur Erhöhung Ahura Mazdas, zur Bekämpfung der Rinder-Opferer und anderer archaischer Elemente, die dem Gefolge Ahura Mazdas einverleibt oder zum bekämpfenden Dämon erklärt werden.
- Beim Auseinander-Entwickeln der Religionen werden die einen Götter/Dämonen/Unsterblichen auf indischer Seite gut und auf iranischer Seite schlecht, und umgekehrt.
- Zoroastrismus stark dualistisch geprägt: Es gibt das Gute und das Böse (ersteres klar Mazda zugeordnet, letzteres … strenggenommen auch von ihm, aber kompliziertes Verhältnis); fortwährender Kampf; freie Wahl jedes Menschen, sich dem einen oder anderen zuzuwenden; aber je nach moralischer Bilanz wird man im NachLeben belohnt oder bestraft.
- Schamanische Einflüsse bei Zarathustra, aber nicht sehr große; einzelne rituelle Elemente scheinen entlehnt, aber ohne große Konsequenz oder Tiefe.
- Kein Monotheismus: Ahura Mazda ist Teil eines regen Pantheons, wobei ihm andere Götter allerdings als Gefolgschaft zugeordnet sind und/oder entstammen; aus monotheistischer Perspektive "Erzengel". Dass er der richtige Gott zum Anbeten ist, heißt nicht, dass es keine anderen gibt; es gibt die zu bekämpfenden bösen Wesenheiten.
- Besondere Vergöttlichung, Heiligung des Feuers und der Sonne.
- Unklar, ob Achämeniden (Xerxes usw.) zarathustrisch geprägt waren; pflegten auf jeden Fall die Verehrung/Erhöhung von AhuraMazda. Ist wohl nicht unbedingt an Zarathustra gebunden; geht ihm wohl voraus. Möglicherweise war Zarathustra eine (esoterische) Seite eines AhuraMazda-Kults, von dem die Achämeniden die offiziös-staatliche vertraten.
- Eschatologisches, lineares GeschichtsBild des Zoroastrismus: Jahres-Zyklismus wird ersetzt durch Fortschritt des Kriegs zwischen Gut und Böse; am Ende steht WiederErweckung der Toten und Erneuerung der Welt, nun bereinigt von den Dämonen. Jedes Opfer und jede individuelle Erleuchtung hat Anteil an diesem Projekt, an der Erlösung.
- Zoroastrische Priester: "Magier", denen diverse wundersame Fähigkeiten zugeschrieben werden. Zarathustra selbst wird nachträglich als Magier erinnert. In seiner westlichen RezeptionsGeschichte reizt er die VorstellungsKraft von Okkulisten an. Den Hellenen gilt er als LehrMeister des Pythagoras.
- Diverse christliche anmutende Elemente (Eschaton verkündende HeilandFigur des Zarathustra, ErlösungsHistorismus); auch: ArcheNoah-Geschichte: uralternde frühere MenschenGenerationen abgewürgt vom göttlichen Willen durch eine dreijährige Katastrophe; König rettet auf Anweisung Vertreter aller TierArten für diese Zeit in einen SchutzRaum.
- Aufstieg der Mithras-Figur gegenüber Ahura Mazda; letzterer weist bald DeusOtiosus-Tendenzen auf, überlässt Mithras Funktionen und führenden Kampf gegen das Böse; wird dann mit ihm in eine gemeinsame Göttlichkeit zusammen gelegt. Mithras musste vielleicht erst zum gerechten Kampf bekehrt werden, was den Triumph umso größer macht.
- "Die Religion Israels zur Zeit der Könige und Propheten":
- Die Juden führen das Königtum ein. Der König ist nicht göttlich, aber von Gott immerhin als FunktionsTräger anerkannt/gutgeheißen. Ein Tempel für die BundesLade wird errichtet, nahe dem KönigsPalast; Verschmelzung Königtum und TempelKult. Der König erfüllt priesterliche Funktionen.
- Das Jenseits-Bild ist unspektakulär/trist. Ähnlich unerquicklich wie der griechische Hades; kein Himmel oder Hölle. Gott herrscht hier nicht; das Einzige, was er tun kann, ist, Leute vorm Eintritt in dieses Reich zu bewahren oder daraus hervorzuholen. Spärliche erste Andeutungen einer WiederErweckungs-Mythologie; iranischer Einfluss?
- IdealFigur Hiob: Versagt funktional-magischem Verhältnis zu Gott, verliert Glauben und Unterwürfigkeit auch dann nicht, als ihm alles geworfen wird. Klagt über sein Unverständnis gegenüber Gottes Gründen für sein Leid, akzeptiert aber die Unergründlichkeit der göttlichen Wege, irgendwie werden sie schon gerecht sein. Zweifelt nie an Gott.
- Es gab professionelle Propheten am königlichen Hof und diejenigen, die sich durch Gottes direkte Ansprache berufen fühlen; letztere neigen zu aufrührerischen Hetzen, verdammen moralischen Verfall, Akzeptanz kanaanitischer Kulte im israelischen Land und die damit verbundene Neigung zu Opfer und Ritus statt Arbeit-am-gerechten-Selbst.
- Vor allem predigen die Propheten die Strafe Gottes durch (erst kommende, dann gegenwärtige) Unterwerfung von Außen; die feindlichen Armeen sind Gottes Werkzeug; Vernichtung des Tempels lehrt Gottes Zorn/Indifferenz gegenüber dem OpferKult. Nach aussiebender Läuterung des israelischen Volkes wird Gott mit dem Rest einen neuen Bund schmieden.
- Im Exil, und ohne Tempel, satteln die Juden mehr auf verteilte ReligionsSchulen anstelle eines zentralen HeiligTums um; Vorläufer der Synagogen. Die Hoffnung auf einen Tempel lässt sich aber nicht auslöschen, denn er steht nicht nur für einen OpferKult, sondern auch für die jüdische Nation.
- Die Propheten lehnen die kosmische Religiosität ab, die Heiligung der Gräser und Bäche und des Lebens; ist für sie BaalsKult. Arbeiten an fortwährender Entzauberung der Welt – Gott ist das Andere da oben, nicht in jeder Blume. Auch die eigene Seele ist noch lange nicht irgendwie mystisch mit Gott verbunden. Das Hier und Jetzt ist trist.
- Dafür bringen sie aber auch ein GeschichtsBild ins Spiel, das gegenwärtige historische Entwicklungen zum Teil eines linearen göttlichen Plans macht, der langfristig vielleicht in irgendein Heil führt. In diesem GeschichtsBild ist das Gegenwärtige eben nicht ewig-zyklisch, sondern vergänglich, weicht dem, was zur Fortentwicklung kommen muss.
- "Dionysos oder die wiedergefundenen Seligkeiten":
- Dionysos passt nicht ganz sauber in den Pantheon. Er gilt als "neu" eingeführter Gott (die Gelehrten streiten sich, ob aus Thrakien oder Kreta), und zahllose Texte berichten vom Widerstand gegen die Einführung seines Kults. Er verträgt sich mit dem restlichen griechischen GlaubensLeben nicht durch die Absolutheit seiner Ansprüche, Ekstasen.
- Der Legende nach ist er der "zweimal Geborene": Produkt einer Sterblichen-Bettung des Zeus – die Sterbliche (Semele) erlitt durch einen Trick der Hera einen Kontakt mit Zeus als BlitzSchlag und warf verfrüht; Zeus aber nähte das Kind in sich ein und trug es ein zweites Mal aus; als Dionysos ihn verließ, war er nun Zeus-geboren und Gott.
- Dionysos steht für Tod (er gilt selbst zuweilen als gestorben), Wein, Vitalität, wildes Gemisch. Er bildet außerdem ein BindeGlied zu den Menschen; die überaus wilden Ekstasen, Orgien, die ihm zu Ehren gefeiert werden, lassen Sterbliche für einen Augenblick teilhaben an seinem entfesselten SeinsZustand.
- In den dionysischen Orgien treten urzeitliche Triebe und Empfindungen nach oben, das händische Zerreißen von lebenden Tieren und das Verzehren ihres rohen Fleisches ("Omophagie"), Kannibalismus, Getanze das mit den mittelalterlichen Veitstänzen verglichen wurde.
- Kein anderer Gott ist so sehr dem Wahn assoziiert wie er, er verteilt ihn großzügig, er zählt als religiöses Erlebnis. Aus den dionysischen Fest-Spielen entsteht das Theater. Euripides' "Bacchae" schildern einen Einzug des Dionysos ins widerständische Theben, wo er seinen Kult mit viel Wahn, Orgie, Blutfließen durchsetzt. Cthulhu?