Buch Karl Marx, "Das Kapital. Erster Band" (MEW 23); gelesen in Begleitung von Michael Heinrichs "Wie das Marxsche 'Kapital' lesen?"
Lektüre-Notizen:
- "Vorwort zur ersten Auflage":
- Fortsetzung von "Zur Kritik der Politischen Oekonomie" (1859), das im ersten Kapitel zusammengefasst sei, unter Wegfall von Text über die Geschichte der Wert- und Geld-Theorie.
- Dies erste Kapitel sei dann auch das schwierigste des Buchs. Thema: Ware, Wert und ihre Formen, die elementarsten ökonomischen GrundBauSteine der "bürgerlichen Gesellschaft". Marx hat sich gegenüber dem 1859er Text bemüht, die Darstellung zu vereinfachen. Der Rest des Buches sollte eh verständlich sein für jeden, der sich etwas anstrengt.
- ForschungsGegenstand des Buchs: "die kapitalistische Produktionsweise und die ihr entsprechenden Produktions- und Verkehrsverhältnisse". Er will deren Gesetze im Allgemeinen erkunden, nicht nur die einer bestimmten historischen Ausprägung wie z.B. im England seiner Zeit. Aber dort lassen die sich eben grad am Besten studieren.
- Deutschland solle sich nichts drauf einbilden, dass Kapitalismus dort noch nicht so tiefgreifend etabliert sei wie in England. In Deutschland wirkten noch ältere-rückständige Strukturen nach, die eigenes Elend mit sich brächten. In England ist nicht nur der Kapitalismus weiter, auch sein politisches Verständnis, gibt's staatl. FabrikInspekteure usw.
- Die Verhältnisse steuern auf heftigen Wandel zu, der ArbeiterKlasse "Sturmglocke" leutet, das erkennt auch schon die Politik, die Bourgeoisie, drum zur Milderung ja FabrikGesetze, SozialPolitik etc. Frage ist, wie notwendig brutal der gesellschaftl. Fortschritt ablaufen wird, wie entwickelt oder brutalisiert die ArbeiterKlasse in ihn eintritt usw.
- Marx interessiert sich für systemische Fragen, nicht dafür, irgendwelche schuldigen Personen zu identifizieren und gegen diese zu moralisieren. Soweit er von "Kapitalisten" usw. spricht, spricht er von diesen als Rollen innerhalb des analysierten Systems, dessen Regeln diejenigen, die diese Rollen ausfüllen, sich schwerlich entziehen können.
- "Erstes Buch: Der Produktionsprozeß des Kapitals":
- "Erster Abschnitt: Ware und Geld":
- "Erstes Kapitel: Die Ware":
- "1. Die zwei Faktoren der Ware: Gebrauchswert und Wert (Wertsubstanz, Wertgröße)":
- Eine Ware ist erstmal eine Sache von Nützlichkeit: Sie befriedigt irgend(egal)wie irgend(egal)welche menschlichen Bedürfnisse.
- Die Nützlichkeit einer Sache hängt ab von ihren körperlichen Eigenschaften und davon, dass Menschen gelernt haben, diese Eigenschaften zur Befriedigung von Bedürfnissen einzusetzen. Die Eigenschaften einer Sache sind vielfältig, und damit auch ihre entdeckbaren Nützlichkeiten.
- Als nützliche Sache, also über ihre körperlichen Eigenschaften und deren Verwendung (Gebrauch, "Konsumtion") zur Bedürfnisbefriedigung, ist die Ware Gebrauchswert.
- Sachen können Gebrauchswerte sein unabhängig davon, ob und wieviel Mühe (oder "Arbeit"?) es kostet, sie herzustellen oder verfügbar zu machen.
- Nützliche Sachen haben nicht nur eine nützliche Qualität, sondern immer auch eine Quantität. Folglich gibt es auch keinen Gebrauchswert ohne Mengen-Angabe. Es gibt keinen Gebrauchswert "Eisen", sehr wohl aber einen "eine Tonne Eisen".
- Eine Ware hat auch Tauschwerte. Das sind erstmal die Proportionen, in denen Gebrauchswerte gegeneinander (Heinrich meint: abstrahiert vom Umweg über das noch nicht eingeführte Geld) getauscht werden können. Eine einzelne Ware hat viele Tauschwerte, da jeder Gebrauchswert gegen viele andere Gebrauchswerte tauschbar ist.
- Eine Ware hat andere Waren zu Tauschwerten und ist wiederum Tauschwert für diese anderen Waren. Für sich selbst ist keine Ware Tauschwert. Während der Gebrauchswert eine Eigenschaft der Sache ist, die Ware ist, unabhängig von anderen Waren, existiert der Tauschwert nur als Verhältnis zwischen mehreren Sachen, die Ware sind.
- Einer Ware Tauschwerte sind untereinander verrechenbar: Tauscht sich 1×A ebenso gegen 2×B wie 3×C, müssen 2×B und 3×C gleich groß sein.
- Etwas muss unter den verschiedenen Tauschwerten der selben Ware qualitativ gleich bleiben, damit sie darin verglichen und als gleich groß erkannt werden können: der Wert. Aber woraus besteht er?
- Alles, was Wert hat, hat auch Gebrauchswert. Aber jenseits dieses binären "Gebrauchswert haben" lässt sich über die Tauschwerte der selben Ware keine Gemeinsamkeit im Gebrauchswert feststellen: Ihre körperlichen Formen, Nützlichkeiten usw. lassen sich nicht auf den einen gemeinsamen Nenner reduzieren, den der Wert-Vergleich erfordert.
- (Oder, so denke ich mir, zumindest nicht direkt: Man könnte ein abstraktes Maß der gesellschaftlichen Nützlichkeit von Waren postulieren, dessen Größe je Ware jedoch erst vom Markt bestimmt wird. Der Ablauf dieser Bestimmung wäre dann aber gerade das, was Marx sowieso beschreibt, und "Wert" eine Bezeichnung dieses Maßes.)
- Noch etwas haben die Tauschwerte einer Ware alle gemein, was zur WertBestimmung führen könnte: Sie sind Produkte menschlicher Arbeiten. (Heinrich merkt an, dass auch Sachen getauscht werden, für die das nicht gilt, "z.B. unbearbeitetes Land". Marx widme sich aber erstmal nur den ArbeitsProdukt-Typen und den anderen erst viel später.)
- Wo im Tausch aber aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit von den Gebrauchswerten abstrahiert werden muss, muss auch von diesen menschlichen Arbeiten alles abstrahiert werden, was an ihnen unterschiedliche, konkrete Gebrauchswerte erzeugt. Unterschiedliche, konkrete menschliche Arbeit wird aufgelöst zu gleicher, abstrakter menschlicher Arbeit.
- In dieser Abstraktion erzeugt Arbeit keine konkreten Gebrauchswerte mehr, aber "gespenstige Gegenständlichkeit": abstrakte Dinge, denen als Substanz nur bleibt, Produkt solcher abstrakter Arbeit zu sein. Die Werte der Waren nennt Marx "Kristalle" dieser Substanz. Gleiche, abstrakte menschliche Arbeit bildet die Warenwerte.
- (Diese abstrakte Arbeit ist ein schwieriges Tier. Mein Vorstudium sagt mir, dass man sie nicht leichtfertig an konventionelle Arbeitsbegriffe binden darf. Marx scheint erstmal nur klassische Arbeitswerttheorie zu wiederholen. Dann erfragt er genau die gesellschaftliche Natur von wertbildender Arbeit und sprengt diese Theorie damit vielleicht.)
- Die Wertgröße einer Ware ist messbar an der Größe der abstrakten Arbeit, die den Wert bildet. Die Größe einer konkreten Arbeit ist messbar an ihrer Dauer, der benötigten Arbeitszeit. Die Größe abstrakter Arbeit kann aber auch nur eine Abstraktion solcher Arbeitszeiten sein. Marx nennt diese Größe: gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit.
- (Mir scheint Abstraktion verschiedner Arbeit zu einem gemeinsamen Quantifizierbarkeits-Nenner aus den selben Gründen waghalsig, die Marx gegen die Abstraktion verschiednen Gebrauchswerts zu einem solchen vorbringt. Dass er diese Präferenz hier nicht weiter begründen zu müssen glaubt, liegt wohl an zeitgenössischer Dominanz der Arbeitswertlehre.)
- Gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit zur Erzeugung einer Ware: wie lange ihr Erarbeiten unter Bedingungen gesellschaftlich gleicher Arbeit braucht, also nach Heben/Senken Zeit-bestimmender Faktoren wie Intensität/Geschick der Arbeit oder Wirksamkeit/Zugänglichkeit ihrer Rohstoffe/Technologien zum Durchschnitt aller tauschvermittelten Arbeiten.
- Das Produkt solcher Faktoren ist die Produktivkraft der Arbeit, die etwa durch technologischen Fortschritt steigt und mit Ressourcen-Verknappung sinkt. Der Wert einer im Gebrauchswert stabilen Ware steht und fällt umgekehrt proportional zur Produktivkraft der Arbeit, weil mit Steigen letzterer gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit sinkt.
- Allen Exemplaren desselben Warentyps oder Gebrauchswerts wird gleich viel gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit / Wert zugerechnet, egal wie unterschiedlich viel konkrete Arbeit je in ihnen steckt. Es zählt, wieviel gesellschaftlich gleiche Arbeit für ein Exemplar notwendig wäre, nicht, wieviel tatsächlich dafür aufgewandt wurde.
- Die Verhältnisse so entwickelter WertGrößen von Waren zueinander entsprechen nicht unbedingt den Verhältnissen ihrer Preise, wie Marx an Beispielen Wert-relativ zu niedriger Preise bei Gold und Diamanten behauptet. (Heinrich merkt an, Marx entwickle später Faktoren, die die Differenz von Preis- zu WertGrößen-Verhältnissen erklären.)
- Marx (und Engels in einer Einfügung) betont nochmal, nur das Gut sei Ware und habe Wert, das Gebrauchswert sei, und zwar nicht nur für den Produzenten, sondern für Andere – und davon wiederum nur das, was im Tausch als gesellschaftlich gesuchter Gebrauchswert legitimiert sei.
- (Heinrich deutet eine später im Buch zu entwicklende Angebot-Nachfrage-Theorie an, die Wertgröße einer Ware sinke, wenn ihrer über zahlfähige gesellschaftlichen Bedarf hinaus produziert werde: In die überproduzierte GüterMenge fließe teils Arbeit, die keinen Wert produziere, was im Durchschnitt den Wert jedes ihrer Vertreter mindere.)
- "2. Doppelcharakter der in den Waren dargestellten Arbeit":
- Gegenüber bisheriger Arbeitswertlehre sieht Marx sich darin als Innovator, dass er nicht nur den Wert der Ware aufspaltet (in Gebrauchswert und Tauschwert/Wert), sondern analog auch die Arbeit in dieser Ware.
- Nützliche ("konkrete"?) Arbeit zeugt Gebrauchswert. Nur wo diese Arbeiten unterschiedliche Gebrauchswerte erzeugen und so selbst unterschiedlicher Substanz sind, können ihre Resultate gegeneinander tauschbar und so zueinander Ware werden. Denn wären sie im Gebrauchswert identisch, gäbe es keinen Grund, sie gegeneinander zu tauschen.
- Arbeitsteilung ist notwendige Voraussetzung der Warenproduktion. (Denke mir hinzu: Produziert die selbe Hand alle Gebrauchswerte, braucht sie nichts tauschen.) Arbeitsteilung für sich schafft keine Waren: "[I]n der altindischen Gemeinde" oder innerhalb einer Fabrik wird Arbeit geteilt, die Ergebnisse stehen sich aber nicht als Waren gegenüber.
- Waren schafft die Arbeitsteilung, die gegeneinander autonom/"privat"/"selbständig"/"unabhängig" gesetzte Arbeiten erst über den Tausch ihrer Produkte zueinander in Beziehung setzt. (In der Fabrik dagegen: Arbeiter A kriegt von Arbeiter B erzeugte Teile zur Weiterverarbeitung nicht im Tausch, sondern qua Vorschrift/Planung/BedarfsAnmeldung.)
- Solche Arbeitsteilung zerlegt das gesellschaftliche Arbeiten in seiner Gesamtheit entlang der Tauschbarkeit seiner Erzeugnisse, atomisiert es also entlang (Tauschbarkeits-Bedingungen) der Verschiedenheit der erzeugten Gebrauchswerte und der Autonomisierbarkeit der Produzenten hinter diesen Gebrauchswerten gegeneinander.
- (Heinrich betont, dass der autonome Produzent kein menschliches Individuum sein muss, sondern auch ein Unternehmen sein kann – er muss nur als autonomer Tausch-Partner am Markt auftreten. Marx selbst erinnert mit seinem Fabrik-Beispiel daran, dass innerhalb solcher Unternehmen Arbeitsteilung oft sehr viel weniger autonomisierend gerät.)
- Gebrauchswert entsteht nicht allein durch nützliche menschliche Arbeit. Er ist ein Produkt auch weiterer Faktoren: natürlicher Rohstoffe und der Naturkräfte, derer sich der Mensch zu seiner Erzeugung bedient. Zeugung des Gebrauchswerts aus diesen mehreren Faktoren geschieht unabhängig der Gesellschaftsform, war schon immer notwendig.
- Wert indes drückt allein eine bestimmte gesellschaftl. Abstraktion aus: menschliche Arbeit als gleichartige Substanz. Indiz dieser Abstraktion ist, verschiedene gebrauchswertbildende Tätigkeiten gesellschaftlich als Ausprägung desselben ("Arbeit") zu behandeln, das man je Nachfrage stärker in diese o. jene Form/Aufgabe gießen/investieren könne.
- (Heinrich merkt an, erst die Warenform abstrahiere Arbeit/Nutzen in einer Weise, die die Begriffe "nützliche Arbeit" und "Gebrauchswert" mit Sinn erfülle, als Kehrseite von wertbildender Arbeit und Wert. Viele Tätigkeiten/Nutzen seien ohne Vereinheitlichung aller Güter zu Waren zu unvergleichbar, um sie in diesen Begriffen zusammen zu denken.)
- Zieht man dieser Abstraktion folgend von menschlicher Arbeit ab, was sie je Gussform/Aufgabe verschieden macht, bleibt ihr, Verausgabung menschlicher Arbeitskraft überhaupt zu sein. Marx charakterisiert dieses Bleibende als "Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im physiologischen Sinn" oder "von menschlichem Hirn, Muskel, Nerv, Hand usw."
- (Heinrichs Kritik dieser Wortwahl: Die (Akkusativ) Gleichsetzung der Arbeit erschwert, dass je Arbeit diese Organe zu verschiedner Proportion anträten. Ihr Einsatz an sich beschreibe jede Arbeit, nicht nur wertbildende. Diese Vermischung "überhistorischer" Physis mit gesellschaftlicher Abstraktion sei für Marx' Argumente aber nicht "tragend".)
- Diese Abstraktion verschiedener Tätigkeiten zu einer Kategorie "Arbeit" gleicht sie in der Substanz strukturell an, zur quantitativen Vergleichbarkeit einzelner Ausschnitte dieser Substanz muss sie aber noch auf einheitliche Dichte gepresst werden: "Reduktion" verschieden komplizierter Arbeiten zum selben Maß "einfacher Arbeit".
- Einfache Arbeit ist Verausgabung der Arbeitskraft, die Angehörige einer Gesellschaft eines bestimmten Entwicklungsstands im Durchschnitt besitzen. Tausch wertet Mengen verschieden komplizierter Arbeit als Multiplikations-Produkte von Mengen einfacher Arbeit mit Faktoren, die je Arbeitstyp gesellschaftlich verschieden ausgehandelt werden.
- (Heinrich: Marx erkläre die gesellschaftliche Setzung dieser Faktoren später aus wechselnden Konventionen und Machtverhältnissen, die z.B. je Klassenkampfstand zur Auf- oder Abwertung von "blue collar"-Jobs gegenüber "white collar"-Jobs führten. Heinrich ergänzt Abwertung weiblich konnotierter Arbeiten im Vergleich zu männlich konnotierten.)
- Marx kündigt an, im Weiteren diese Multiplikationen immer schon vorauszusetzen, und von Einheiten "einfacher Arbeit" als Einheiten von "Arbeit" zu reden. Gewählte Einheit ist die zeitliche Dauer. (Eine bestimmte Menge White-Collar-Arbeit wäre etwa bezifferbar als "zehn Stunden Arbeitszeit", auch wenn sie den Manager nur eine Stunde koste.)
- Dieselbe Menge abstrakter reduzierter Arbeit bildet dieselbe Wertgröße, unabhängig des Steigens oder Fallens der Produktivkräfte der Arbeit. Wachstum dieser Produktivkräfte und damit der mit ihnen erzeugbaren Gebrauchswerte schafft keinen neuen Wert. (Die Gesamt-Wertmenge indes steigt/sinkt mit der Gesamt-Arbeitszeit in der Gesellschaft.)
- "3. Die Wertform oder der Tauschwert":
- Die einzelne Ware hat als Form die des Gebrauchswerts: körperliche "Naturalform". Um als Ware aufzutreten, muss sie aber als Träger von Wert erkennbar sein, braucht eine "Wertform". Wert ist im Gegensatz zum Gebrauchswert ein Verhältnis zwischen mehreren Waren. Der Ware "Wertgegenständlichkeit" kann nur im Bezug zu anderen Waren aufscheinen.
- Bereits im ersten Unterkapitel wurden Tauschwerte und Austauschverhältnisse der Waren als "Erscheinungsform des Wertes" eingeführt. Die bekannteste Wertform ist aber spezifischer die Geldform. Marx plant, letzterer "Genesis" aus ersteren "nachzuweisen", und dabei "zu leisten, was von der bürgerlichen Ökonomie nicht einmal versucht ward".
- (Heinrich merkt an, Marx ziele auf keine historische Herleitung: Geld sei vor dem Kapitalismus entstanden, Marx aber untersuche explizit nur Verhältnisse im Kapitalismus. Historische Skizzen der Entstehung des Geldes (etwa aus früherem Tausch-Handel?) seien ihm von bürgerlichen Ökonomen bekannt gewesen, dagegen erhebe er also kaum Anspruch.)
- (Marx spricht von einem "Geldrätsel", das es zu lösen gelte. Heinrich charakterisiert dieses Rätsel so: Warum können wir im realen Tausch-System tatsächlich nur mit Geld alles kaufen, nicht aber mit beliebigen Waren?)
- Etwas unklare Verhältnisse diverser Begriffe. Marx spricht vielleicht austauschbar von "Wertform", "Wertgegenständlichkeit" und "Wertausdruck", und vom "Wertverhältnis zweier Waren", das "den einfachsten Wertausdruck für eine Ware [liefert]", bzw. vom "im Wertverhältnis der Waren enthaltenen Wertausdruck".
- "A) Einfache, einzelne oder zufällige Wertform":
- Kaum kommentiert (nur eine Konkretisierung qua Variablen-Auflösung) steht da "x Ware A = y Ware B" (Wertverhältnis?) gefolgt von "oder :" (drückt das aus, dass das folgende nur eine alternative Schreibweise, oder auch analytisch eine andere Ebene, eine andere Kategorie sei?) gefolgt von "x Ware A ist y Ware B wert" (Wertausdruck?).
- (Heinrich erklärt, "=" sei eine Gleichsetzung zweier Werte – und damit wohl symmetrisch –, "ist wert" dagegen eine noch zu erläuternde "polare" – und damit wohl asymmetrische – Beziehung.)
- (Heinrich erklärt die Überschrift: "einfach" sei diese Wertform, weil sie nur zwei Waren voraussetze, "einzeln", weil sie sich nur auf ein einziges Wertverhältnis beziehe, und "zufällig", weil die ins Verhältnis gesetzten Waren beliebig ausgewählt werden könnten (sie müssen nur voneinander verschieden sein).)
- "1. Die beiden Pole des Wertausdrucks: Relative Wertform und Äquivalentform":
- "2. Die relative Wertform":
- "a) Gehalt der relativen Wertform":
- Bürgerliche Ökonomie befragt das Wertverhältnis nur nach seiner jeweiligen Proportion, aber nicht danach, wie die beiden beteiligten Güter zueinander proportionierbar werden. Dabei steckt hinterm Wertverhältnis der Wertausdruck, nämlich Zurichtung dieser Güter zu Werten, zueinander proportionierbar qua gemeinsamer Qualität.
Bürgerliche Ökonomie nimmt Wertausdrücke wie obige als gegeben, fragt nur nach darin ausgedrückten Wertgrößenverhältnissen. Dabei drücken solche Wertformen notwendig erstmal Anderes aus: qualitative Eigenschaften oder Zurichtungen der beteiligten Güter bzw. ihrer Werte, die es erlauben, sie quantitativ zueinander zu proportionieren.
- Analyse der Wert-Substanz als abstrakter Arbeit ist schön und gut, macht Wert als deren Verdinglichung aber ziemlich ungreifbar (Heinrich erinnert an Marx' Begriff fürs Resultat: "gespenstige Gegenständlichkeit"). Die Wertform dagegen soll Wert greifbar, konkret machen (Heinrich: als Gegenständlichkeit "sinnlich fassbar" machen).
- (Ich denke mir: Marx dreht die Analyse um. Er abstrahierte aus der Form – dem Ausdruck von Tauschverhältnissen – das Konzept Wert und will nun aus jener Abstraktion die Form entwickeln; zeigen, dass das aus der Form Gelesene in derselben perfekten Ausdruck findet. Ob er dabei zu der Form zurückfinden wird, von der er ausging?)
- Indem der Wertausdruck die Waren A und B für gleich erklärt, verleugnet er, was sie unterscheidet (den Gebrauchswert – die beteiligten Waren müssen hierfür unterschiedlicher Naturalform sein) und betont, was sie verbindet: Beide sind Träger einer gemeinsamen, von ihrem Gebrauchswert verschiedenen Eigenschaft (dem, wie wir wissen, Wert).
- Wert ist nicht einfach Arbeit, sondern Arbeit "in geronnenem Zustand, in gegenständlicher Form" (oder: "Kristall" der Wert-Substanz abstrakte Arbeit). Der Ausdruck des Werts von Ware A soll solche Gegenständlichkeit aufzeigen (warum?) – aber worin? Keine Ware kann ihren Wert an sich selbst, durch ihren eigenen Körper verkörpern.
- (Mir bleibt unklar, was "Wertgegenständlichkeit" genau sein, oder wie ich mir die Kristallisation der Arbeit zu Gegenständlichkeit oder Dinglichkeit – und die Notwendigkeit derselben – vorstellen soll.)
- Der Wert der Ware A kann nicht im Körper von A verdinglicht werden. Aber in dem von Ware B. In ihrer Tauschbarkeit mit A erweist sich B als Träger der gleichen Art von Wert, erwirbt so also das Recht, deren Wert zu repräsentieren. Und B hat dafür auch das Werkzeug: ihre Gegenständlichkeit, nämlich ihre Naturalform.
- Auf diese Weise gerät im Wertausdruck die Naturalform von Ware B zum qualitativen Ausdruck des Werts von Ware A, ihr Gebrauchswert zum "Material" des Wertausdrucks von A. In dieser Beziehung ist die Naturalform von B die Form des Werts überhaupt, gilt B als reines "Wertding".
- (Denke mir: So drückt die Wertform diverse bisher analysierte strukturelle Eigenschaften des Werts aus. Mängel der einfachen gegenüber der entfalteten und der entfalteten gegenüber der allgemeinen Wertform sind dann wohl Defizite in der Sichtbarmachung dieser Eigenschaften, deren vollständige Analyse erst die Geldform spiegelt?)
- (Denke mir: So erklärt sich auch die Asymmetrie der Wertform: Sie abstrahiert vom Gebrauchswert von A, während sie den von B zur Wertvergegenständlichung benötigt. B kann seinen Wert nicht im Gebrauchswert von A vergegenständlichen, wenn der schon aufgelöst wurde. Erst muss die jetzige Wertform-Abstraktion zurückgenommen werden.)
- "b) Quantitative Bestimmtheit der relativen Wertform":
- Jeder Ware Wert ist Kristall einer bestimmten Menge abstrakter Arbeit. Diesen Wert-Aspekt drückt die Wertform aus im quantitativen Verhältnis (Wertverhältnis?) der Waren, die zueinander in Wertform stehen: "x A = y B" als "A ist y/x B wert" gibt A's Wertgröße an als Menge in A's Einheit für Wert überhaupt: seinem Wertding B.
- Marx gibt zu, das Wort "Wert" gelegentlich nicht für den Wert insgesamt, sondern als Kurzform für "Wertgröße" zu verwenden.
- x kann gegen y wachsen, weil die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit hinter A wächst oder hinter B fällt. Umgekehrtes gilt, so x gegen y fällt: Der Wert von B wächst, oder der von A fällt. x und y können beide gleich bleiben, obwohl die gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeiten hinter A und B steigen/sinken – so denn gleich stark.
- Ein (Nicht-)Wandel in der Relation der Wertgrößen von A und B gibt für sich wenig Auskunft, ob der Wert von A oder B gefallen, gestiegen oder gleich geblieben ist. Eher könnte man Wertwandel messen am Wandel der Produktionsmenge einer Ware binnen einer gegebenen Arbeitszeit oder an ihrem Wertgrößen-Verhältnis zu weiteren Waren.
- (Die Fußnote gegen Broadhurst lese ich als Schuss gegen ein Anti-Arbeitswerttheorie-Argument, Wert sei unabhängig von Arbeit: Der Wert von A relativ zu B mag fallen, obwohl das in A vergegenständlichte Quantum Arbeit gleich bleibt. Aber das sagt eben nichts aus übers Größenverhältnis des Werts von A zu allen anderen Werten.)
- "3. Die Äquivalentform":
- Äquivalent einer Ware sein, heißt, sich mit dieser unmittelbar auszutauschen. (Heinrich: Tauschen sich A wie B unmittelbar gegen C, sagt das nicht, A tausche sich unmittelbar gegen B; nur: A mittelbar gegen B im Umweg über C. Erst unmittelbare Austauschbarkeit gegeneinander setzt A und B zueinander in relative Wert- und Äquivalentform.)
- Sind Waren des Typs B Äquivalent von Waren des Typs A, sagt das nichts übers Wertgrößenverhältnis von A zu B aus, sondern bezeichnet nur qualitative Gleichheit – 1×B kann dabei in der Wertgröße um Welten größer oder kleiner sein als 1×A. Erst die Wertform setzt quantitativ gleich, indem sie diese Größen zueinander proportioniert.
- A drückt seine Wertgröße in der Einheit des Äquivalents B aus. B's Wertgröße indes bleibt unausgedrückt, bis sie in relativer Wertform zu einer anderen Ware (z.B. A) steht, während diese ihr Äquivalent wird. Dem Äquivalent fehlt sonst mit dem Wertding die Einheit seiner Wertgröße, für sich erscheint es nur als Menge eines Gebrauchswerts.
- Bürgerliche Ökonomie sieht im Wertausdruck ein Mengenverhältnis zweier Wertgrößen. Damit liegt sie falsch, denn im Wertausdruck wird eben stets nur eine Wertgröße ausgedrückt. Die Quantität der Ware in der Äquivalentform ist die Quantität irgendeiner Sache, aber eben nicht eines Werts.
Dass A's Wert gesellschaftliches Verhältnis ist, wird sichtbar daran, dass er sich in etwas Anderem – B – ausdrückt. Beim Äquivalent B wird das nicht sichtbar, wo sein Wert keinen Ausdruck findet. Wo B dennoch als Wert gilt, verführt das die AlltagsIntuition zum FehlSchluss, B sei an sich statt nur im gesellschaftlichen Verhältnis Wert.
- Wert haben A und B je nur im Verhältnis zueinander. Der WertAusdruck drückt aber nur den Wert des einen aus – im anderen. Das Äquivalent …
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