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2013-10-15-KommentarMspro

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Kommentar zu http://mspr0.de/?p=3812:

Kleiner Widerspruch.

1. Die Proles in "1984" werden keineswegs gar-nicht überwacht. AFAIR sind sie von Spitzeln durchsetzt, die zwar kein "gegen die da oben"-Stammtisch-Gehaue grinteressiert, sehr wohl aber, ob sich unter der Masse der Verdummten doch vielleicht der eine oder andere als etwas Politik-bewusster und -befähigter als geplant hervortut. Solche individuellen Potentiale für Widerstand sollen identifiziert und dann ausgemerzt werden. (Für Details müsste ich das Buch aber nochmal nachlesen.)

2. Ich lese aus dem Text ein der Post-Privacy-Apologie verdächtig gefälliges "es trifft ja sowieso eher die da oben, nur die haben groß was zu verlieren" heraus. Ich bin mir selbst im Unklaren, wie die Post-Privacy-Risiko-Verteilung entlang der sozialen Hierarchie aussieht, und will nicht ausschließen, dass es für "die da oben" mehr zu verlieren gibt. Aber ich sehe hier die Falle, es sich entspannt in einem "die Post-Privacy ist von Natur aus sozial gerecht" einzurichten; und so Notwendigkeiten wie "Herrschaft, Hierarchien und Kontrolle zu beseitigen, um frei als Individuuen zu leben" (wie sie der verlinkte Metronaut-Text aus der Post-Privacy-Diagnose zieht – und dabei den "Individuen"-Begriff stark macht, mit dem ich so meine Probleme habe, aber andere Geschichte), abzudämpfen. Solches Waffen-streckendes Abdämpfen geschähe auf wackeliger Grundlage sehr splitteriger Beobachtungen und Analysen einer sehr komplexen Welt, und in Richtung einer Zukunftsspekulation, auf die wir uns mangels seherischer Fähigkeit kaum verlassen können. Wir wissen schlicht zu wenig, um pauschal davon auszugehen, dass es die Mächtigen härter trifft als die Ohnmächtigen.

3. Dass die Mächtigen mehr zu verlieren und sich deshalb mehr zu fürchten hätten, klingt mir auch arg nach einer üblichen Apologie von Macht, sie gehe mit größerem Risiko (etwa dem des Unternehmers) einher, sei darin ja auch eine Bürde. Es liegt aber gerade in der Natur von Macht, dass diesem (echten oder vermeintlichen) größeren Risiko auch ein Mehr an Mitteln zur Seite steht, um dieses Risiko abzuwehren, abzufedern oder auf solche abzuschieben, die hierarchisch tiefer stehen.

4. "Der Manager einer Bank kann durch eine geleakte Mail tiefer fallen, als der Angestellte, der Angestellte tiefer als der Arbeitslose, etc." Das "tiefer fallen" kann hier nur die zurückgelegte Strecke bezeichnen, nicht aber, auf welcher Tiefe die jeweiligen Protagonisten am Ende ankommen. Dem sehr tief gefallenen Manager der Bank dürfte es am Ende seiner Karriere immer noch materiell besser gehen als dem Arbeitslosen, dem es schon im Ausgangszustand materiell schlechter ging als jetzt dem gefallenen Manager und nun noch "nur" ein bisschen schlechter. (Jeder Mensch, dem sein Leben noch etwas wert ist, oder dem noch mehr Schmerzen zufügbar wären als er sie schon erleidet, oder dem etwa am Schutz einiger seiner Mitmenschen was liegt, hat noch Einiges durch weitere Repression zu verlieren, egal wie elend er bereits von außen wirken mag.) Gleiches gilt fürs Bild der ach so hart getroffenen NSA. Da muss sich eine umfassend finanziell und rechtlich abgesicherte Institution also intern etwas um-organisieren, vielleicht sogar neu erfinden (hey, Reformprozesse sind immer eine gute Gelegenheit, sich zu optimieren und auszubauen) – wie, äh, tragisch für sie?

5. Ich glaube auch, dass Transparenz an manchem Machtverhältnis nagen kann; aber eine Nagerei macht noch keine Revolution. Derjenige, der nackt ist, aber einen Knüppel hat, hat immer noch mehr in der Hand als derjenige, der nur nackt ist. Es braucht sehr viel mehr als die emanzipativen Potentiale von Post-Privacy, um die Repressionen unserer Gesellschaft anzugehen.

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