Als dieses Wiki statt Kommentaren noch Diskussionsseiten hatte, entstand zu dieser Seite eine Seitendiskussion: Seitendiskussion-TheIsles
"The Isles: A History". Buch von Norman Davies.
Lektüre-Notizen:
- "Introduction":
- Geschichtsschreibung ist ein idyllisches Unterfangen. Große alte Männer sitzen würdevoll im Garten, umgeben von Büchern.
- Postmodernismus-Bashing! Generalismus-Praising! Spezialisierungs-Bashing! History-Blockbuster-Praising!
- Der Historiker klagt darüber, dass Geschichtsunterricht immer stiefmütterlicher behandelt werde in den Schulen. Und eine Gesellschaft ohne Geschichtsbewusstsein, das ist ja wie eine Demokratie ohne Printjournalismus!
- Meinten Sie: Großbritannien? Oder meinten Sie: England? Oder meinten Sie vielleicht auch Wales, Schottland und Irland (wenigstens zum Teil) dazu? Oder meinten Sie: das Vereinigte Königreich? Oder meinten Sie: eine Insel? Oder meinten Sie: mehrere Inseln? Oder mei... Ach das ist ja alles so durcheinander und verwirrend und die ganzen Begriffsbenutzer sind alles Begriffsverhunzer und Patriotismusgeschichtsfälscher und Anglozentristen und ...! Okay, we get it, nach gefühlt fünfhundert Vergleichen zwischen verschiedenen Geschichts- und Wörterbuch-Definitionen: Das Thema ist vermutlich komplex.
- OH NEIN JETZT WEITET ER DAS AUCH NOCH AUF "the classification systems of major libraries" AUS! Aber es schildert einen interessanten Fall von bibliotheksstrukturellem US-Imperialismus gegenüber Oxford. Nichtsdestotrotz bekomme ich den Eindruck, Davies übt sich als das geschichtswissenschaftliche Äquivalent eines GrammarNaziTrolls.
- Aber amüsanter Vergleich mit rückdatierender sowjetischer Geschichtsschreibung, die die Krim-Griechen, Dschinghis Khan und Peter den Großen allesamt in die Geschichte der Sowjetunion eingemeinden, genauso, wie der Begriff "britisch" auf alles zurückdatiert wird, was auf heutigen britischen Inseln sich mal abgespielt haben mag.
- "The Midnight Isles":
- Die Einleitungserzählung umkreist den "Cheddar Man": http://en.wikipedia.org/wiki/Cheddar_Man (dort auch weiterklicken für schöne Bilder von der Höhle!) Davies betont hilfreich, dass dieser in der Nähe des einige Jahrtausende später so genannten "Cheddar Gorge" gefundene Mensch 8.000 B.C. kein Englisch sprach und auch nicht "Cheddar Man" von seinen Mitsteinzeitmenschen gerufen wurde. Etwas informativer: England war damals noch keine Insel, er war also Kontinentaleuropäer. Und sein Gencode hat sich bis in eine Geschichtslehrerin (das gefällt Davies natürlich), die heute um die Ecke wohnt, fortgepflanzt. Also sind die Bewohner der späteren britischen Inseln zehntausend Jahre an einem Platz geblieben!
- Zwecks kopfwaschender Desorientierung des Lesers werden die Inseln in eine Herr-der-Ringe-Geographie umgebaut, wo alle geographischen Features nur Namen tragen wie "Land's End", "The Afternoon Country" oder "The Sunrise Sea". Europa ist Mordor. Davies setzt viel daran, den Leser zu defamiliarisieren. All die eingefahrenen Kontexte und Assoziationen müssen ausgetrieben werden! Ein frustrierter Kommentar dazu hier: http://strange-brouhaha.blogspot.com/2005/06/prehistory-vs-comprehension.html
- Kontinuierlich sind die britischen Inseln seit dem Emmerich-Jahrtausend 10.000 B.C. (als sie noch keine Inseln ...) bewohnt. Davor waren sie's auch schon, aber zwischendurch gab's menschenfreie Eiszeit(en?)!
- Vor allem östlich von England gab's gaaanz viel Land, das Großbritannien mit Europa verband. Das alles schrumpfte bis 5.500 B.C. immer weiter weg, bis es keine Landbrücke mehr gab. Aber denk mal an: so viel Land, da kann man bestimmt irgendein Atlantis oder Thule reinpacken.
- Das langsame Verinseln Britanniens gab den Bewohnern genug Zeit und Motivation, sich zu prima Seefahrern auszubilden. Alles was zwischen Europa und den beiden großen Inseln am Wasser lag, wurde besiedelt, der Rest blieb lange unattraktiv, bis 4.000 B.C. das Agrarwirtschafts-Mem rübergeschwappt kam.
- Die "Eight Sisters" oder "Seven Sisters", wie auch immer man's haben will, hier Bilder: http://en.wikipedia.org/wiki/Seven_Sisters,_Sussex
- Der Blick nach Osten ist der Blick nach vorne, der nach Westen der zurück. Denn der Mensch stellt sich morgens Richtung aufgehender Sonne auf. Deshalb auch ist der Norden linkshändig und der Süden rechtshändig. Das mit Vorne und Hinten klingt plausibel: Ein Pfeil nach rechts ist üblicherweise ein Pfeil vorwärts.
Jäger und Sammler, die Indianer Europas! Nein, die Jäger und Sammler wurden vermutlich nicht so sehr von den Agrarwirtschaftlern ausgerottet, als dass sie viel mehr das Mem übernommen haben und halt sesshaft wurden.
- Töpferei in Irland 3.795 B.C.!
- Im Neolithikum war das Land durchzogen von einem ausgiebig gepflegten Wege-Netz entlang Gebirgskämmen, die teilweise gigantische Kreidefiguren wie das berühmte Weiße Pferd trugen; mit bewässerten Wegestationen zur Erfrischung. Ebenso Teil dieses Netzwerkes waren Steinmonumente: Gräberhügel, Kreise (Stonehenge bspw.), Reihungen, Menhire, allesamt ausgerichtet nach Himmel-/Kalender-/Sonnen-/Sterne-/Mond-Logiken, entsprechend dem landwirtschaftlichen Interesse für Jahreszeiten, oder auch als Weg-Marker, oder auch, für Esoteriker, mystische Ley-Linien-Energienetze.
- Ab 2. Jahrtausend B.C. so reger Handel, dass man auch Objekte aus der Ägäis auf den Britischen Inseln wiederfindet. 1100 B.C. im Kanal versunkenes Schiff. Metallurgie.
- Ja und immer, wenn die Historiker sagen, da kamen Leute und haben die ursprünglichen britischen Insulaner verdrängt oder abgeschlachtet, dann sagt Davies: Nein, da haben sich nur die Meme verbreitet, nicht aber die Menschen. Die Insulaner blieben da, wo sie waren.
- Im Bronze-Zeitalter wird der Kult der Megalithe und des Himmels ersetzt durch die Götter von Fluss, See und Wald. Tier- und Menschenopfer.
- Im Eisen-Zeitalter Militarisierung mit Pferden und Wallburgen. Letztere würden die Römer später Städte / oppida nennen.
- In Cornwall wird Zinn gefunden. Handel explodiert, holt die Mittelmeermenschen heran, monetarisiert sich. Pytheas von Marseilles schreibt über seinen Besuch bei den "Zinn-Inseln" 325 B.C.
- Archäologie ist materialistisch, also, ich meine, marxistisch!
- Mythen sind unser Schlüssel zum Geistesleben der Prähistorie.
- Die Iren sind ihrer Prähistorie am Nächsten. Sie haben die wenigsten Wechsel zwischen ihr und der Moderne durchgemacht (nur den zum Christentum). Ihre Mythen tragen vielleicht noch viele Überreste aus den früheren Jahrtausenden in sich.
- "The Painted Isles":
- Ja, man kann sicher viel reden von dem großen Wert, den die Kelten auf Sprache legten. Wenn sie die Schrift verboten. Aber wovon man wenig weiß, das schätzt man ja auch höher ein.
- Kelten, Gallier, Gälen. Alles dasselbe!
- Die Kelten, eine Proxy-Kultur zwischen den Mittelmeermenschen und dem Rest Europas. Uniformisierten letzteres, Export der Sprache.
- Aha, es war nicht Pytheas, der die Zinn-Inseln zum ersten Mal Zinn-Inseln nannte, sondern bereits Herodot, ein Jahrhundert früher! Aber auch, wenn Herodot viel rumkam (behauptete er), bis nach England ist er bestimmt nicht gesegelt. Bei Pytheas übrigens kommen bereits die ersten Vorformen von "Albion", "Erin" und "Britannia" vor.
- Pytheas' Insel-Besuch ist umso erstaunlich, als die Karthager wohl in jenen Jahrhunderten das Mittelmeer durch Gibraltar-Blockade absperrten!
- Was in Eire "Q", das wurde in Albion "P". Hätte Pytheas mit Iren statt mit Engländern gesprochen, dann hätte er das alles Qritannien statt Britannien genannt, und man würde heute von Kruten statt von Briten reden.
- Verwirrende mythische Fundamente. Die irischen Kelten nannten sich Schotten, wegen einer Scota, der Tochter eines ägyptischen Pharaos, der existierte oder auch nicht, die mit Spaniern vorbeigekommen war. Dort oben eine Genealogie zurück zum Mittelmeer, Ägypten oder Moses, sich zu wünschen, war nicht unüblich. (Erinnerung an das letzte Kapitel, wo erwähnt wurde: ein einige Jahrhunderte zuvor im Norden von Irland begrabener nordafrikanischer Affe.)
- Auch die Kelten haben nicht einfach die vorhandene Bevölkerung brutal überrollt, das lief alles viel ruhiger und gradueller ab. Intermingeln! Evtl. überlebten kleine Ecken prä-keltischer Kultur sogar bis zum Christentum. (Bis zum äußersten Norden muss man auch erstmal kommen!)
- Enges Hin und Her unter Kelten zwischen Albion und Kontinent. Häuptlinge mit Machtgebieten auf beiden Seiten des Flusses.
- Kaum waren die Kelten da, war Rom auch schon kaum mehr zu überhören. Kam immer näher. Handels-Außenposten, die bald Städte wurden. Die keltische Elite ließ ihre Kinder bereits Latein lernen.
- Cäsar lästert: die Engländer an der Südküste schon auf dem Weg zur (urbanistischen) Zivilisation, nördlich davon lebt das Land aber immer noch "in Häuten".
- Und prompt werden die Scharmützel irgendwelcher keltischer Stammeshäuptlinge mit Cäsar bereits als erste Großereignisse der Briten gefeiert, die Häuptlinge als die ersten britischen Könige. Historisch unklar, ob das keltische Albion bereits einem seiner Stammeshäuptlinge irgendeine supreme Macht über alle gewährte. Aber rückwirkend haben Geschichtsschreiber wie Raphael Holinshed es gerne so gesehen.
- Harhar, für die Geschichtswissenschaft waren die Kelten nicht nur am Arsch, weil sie die Schrift verboten, sondern auch all jene von ihnen, die keine Münzen pressten. Das Pressen von Münzen hat so manchen obskuren Herrscher noch ins Historische rübergerettet. Aber diejenigen unter den keltischen Stämmen, die selbst das verplanten, tja, Pech gehabt.
- Im Glauben, so Davies, seien die Kelten näher den alten Hindus gewesen als den zeitgenössischen Römern oder Griechen. Passt ja genealogisch auch irgendwie. Der Polytheismus der Kelten hatte nichts gemein mit dem Polytheismus der Hellenen. Die Götter der Kelten sind permanente Shapeshifter.
- Als Lovecraftianer freut mich natürlich die Erklärung von Nodens aka Lud/Nud. Albion Supergott Silberhand. St. Paul's in London (London, benannt nach ihm) steht auf einem alten Tempel von ihm!
- Der Kult der Kelten inkorporiert: öffentliche Feste auf denen der irische Hochkönig öffentlich kopuliert; das Sammeln von Menschen-Köpfen; das Menschen-Opfer; Königwerdung durch Sex, Königentwerdung durch Tötung.
- Druiden, Allzweck-Geist-&-Zaubermenschen, supermächtige Kaste. Merlin steht für sie. Dann auch eine Kriegerkaste, später wurden hieraus die Ritter der Tafelrunde und des Mittelalters.
- Wie schwer es offenbar ist, längerfristig über die Kelten zu reden, ohne ins Fahrwasser zu geraten des modernen Kelten-Revivals. Die irischen und schottischen Nationalisten. Die Esoteriker. Die Romantiker. Die Anti-Anglos und Anti-Aufklärer. Erlebnis/Lifestyle Kelte!
- Der Autor referenziert eine Gopher-Adresse!
- Was wir, gerade in Irland, an Kelten-Zeugnissen rüberretten konnten. Hat überlebt, weil, Irland wurde in Ruhe gelassen, lag so abseits des Interesses. Nicht so Albion. England wird bald romanisiert. Und damit wird auch die dortige keltische Kultur abgewürgt. In dem Moment, wo es in den Arbeitsbereich der Schreiber, der Historiker gelangt, wird das Keltentum rausbugsiert.
- "The Frontier Isles":
- Globalisierung und Glasfasernetz Roms: sein Straßensystem. Siehe auch http://en.wikipedia.org/wiki/Roman_road
- Es gab kein ausgeprägtes geopolitisches Kalkül in der Grenz-Arbeit des Römischen Reiches. Die Römer hatten nur sehr vage Vorstellungen von den räumlichen Verhältnissen. In erster Linie ging es darum, immer mal wieder irgendwohin einen Feldzug zu starten, um das Verlangen der Armee nach Eroberungen oder das eines Kaisers nach Ruhm zu befriedigen. Und wieder zu etwas Konsolidierung sich zurückzuziehen, wenn die Lage zu instabil wurde. Größere Rationalität steckte oft nicht dahinter.
- Irland erlebte keine römische Invasion. Es blieb keltisch. Es gab aber mindestens eine römische Handels-Station.
- Das ideologische Sich-Absetzen als Zivilisation von den Barbaren wurde bei den Griechen in Ablehnung der Skythen geformt und bei den Römern in Ablehnung der Kelten. Das Druidentum wurde bekämpft. Das römische Fünftel der Bevölkerung fühlte sich nicht so richtig sicher und umgab seine Städte mit großen Mauern; anders als in Kontinentaleuropa. Belagerungsempfinden gegenüber dem Rest der Bevölkerung?
- Der Hadrianswall war nicht einfach zu Verteidigungszwecken da, sondern bot der Politik und dem Handel die Sicherheit einer klaren Grenzziehung.
- Die Schotten kamen aus Irland rüber, im 4. Jahrhundert. Davor: Alba, Kaledonier, Pikten. Diese vielleicht prä-keltisch. Megalithen und später sowas: http://en.wikipedia.org/wiki/Glamis_Stone http://en.wikipedia.org/wiki/Aberlemno
- Der Südosten der Insel war kulturell gründlich durchromanisiert, viele römische Städte und im Land drumherum aristokratische Villen; der Nordwesten bis zum Hadrianswall war in erster Linie militärisch gesichert, hier machten die britischen Stämme trotzdem noch ziemlich ihr eigenes Ding, hatten eigene Hauptstädte und Selbstverwaltung.
- Die internationalen römischen Legionen, die in Britannia stationiert waren. Herkünfte bis nach Syrien. Verteilung von Briten bis nach Ungarn. Überall latinisiert. Militärische Globalisierung der Antike!
- Londinium auch schon politisches Zentrum. Die römischen Straßen gingen zentral von dort aus wie vorher schon von Rom. Bestehen teilweise noch heute fort. Siehe auch: http://en.wikipedia.org/wiki/Roman_roads_in_Britain
- Erste Verteidigungsanlagen gegen aufkommende barbarische Meeresinvasionen vom Südosten. Sachsen verteidigen gegen Angel-Sachsen.
- Die Abneigung Roms gegen das Christentum war auch eine Abneigung gegen Geheimgesellschaften. Ich grübele weiter: Das verinnerlichende und privatistische Christentum, das den Kult der Öffentlichkeit (einschließlich der Verehrung der offiziellen Götter und Kaiser) ablehnt, radikaler Gegenentwurf zu einer materialistischen Öffentlichkeits-Kultur der Antike?
- Zwischendurch Britannia Teil des Gallischen Reiches, das Rom mit Köln substituierte: http://en.wikipedia.org/wiki/Gallic_Empire
- Die seltsame Identifikation der Engländer mit ihren römischen Besatzern. Die Vorfahren der heutigen Engländer hockten damals noch im germanischen Urwald. Die Urbevölkerung Britanniens dagegen waren die Indianer gegenüber einer ausländischen Kolonialmacht, die aber bald wieder untergehen sollte. Gerade mit diesen untergegangenen Ausländern, Besatzern wollten die Engländer die letzten paar Jahrhunderte sich in Kontinuität setzen? Gut, Christen und Christen, könnte man sich denken; aber nein, gerade die heidnischen Römer in Britannia sind es, mit denen der Engländer sich identifizieren möchte; mit den christlich-katholischen identifizieren sich eher noch die Iren, die sonst so stolz darauf sind, überhaupt nichts mit den Römern zu tun gehabt zu haben, als Albion von diesen besetzt ward, aber sich offenbar über die spätrömisch-christliche Missionierung freuen. Der Engländer verachtet die Kelten, die Iren, die Schotten, die eigentlich Ureinwohner also seiner Inseln, die eigentlichen "Briten"; er identifiziert sich mit den Römern, die das Land, auf dem er heute lebt, für ein paar Jahrhunderte besetzten und es dann wieder verließen, bevor die ersten Engländer ihren Fuß darauf setzten. Warum? Weil die Kontinuität in der Verehrung des Imperialismus liegt. Daher auch die Verachtung für die Ureinwohner-Völker: Er hat sich eingeprägt, sie als Barbaren aus der Perspektive der römischen Zivilisation zu betrachten.
- "The Germanico-Celtic Isles":
- Rom ist nicht mehr. Anarchie. Völkerwanderung und Piraten.
- Andernorts zogen sich die Römer geordnet zurück, mit Verträgen, planmäßigen Abzügen von Militär und römischer Bevölkerung und anderen zivilisierten Arrangements. Britannia, abgeschnitten, wurde einfach sich selbst und dem Druck der Barbaren überlassen. Vietnam!
- 5. Jahrhundert: Keltisch-piktisches "Revival" vs. Versuch latinisch-christlicher Kontinuität, gleichzeitig von Draußen (und von Norden) Barbaren-Invasionen, die die neuen Kolonialherren werden wollen. Bürgerkrieg.
- Doch der Hadrianswall hält stand! (Er wird einfach umsegelt.) Die Anführer zurückgebliebener Armee-Teile machen sich zu lokalen Machthabern.
- Erste Sachsen-Siedlungen an der Küste noch aus der Zeit, als die Römer sie zwecks Küstenverteidigung reinholten. Wussten sich zu verteidigen, blieben wohl einigermaßen unbehelligt vom Chaos.
- Die lateinische Bevölkerung: ausgeliefert, abgeschnitten von ihren Machtquellen. Die schon unter Rom selbstverwalteten Stämme: einigermaßen selbstversorgend und -behauptend. Die Zivilisation ist nun auf den Schutz der Barbaren angewiesen. Die aber haben eher Spaß daran, sich gegenseitig zu bekriegen, wie sie es schon immer machten, vorm pax romana.
- "J.R.R. Tolkien -- beside whose bust these lines have been written -- ..."
- Einer der barbarischen Warlords holt von draußen die Sachsen als Söldner rein, gibt ihnen Land gegen Militärdienst. Die Sachsen holen die Angeln nach. Oder die Juten. Oder alles in umgekehrter Reihenfolge. Jedenfalls kommen die da alle nach Britannia rein! Oder waren es Frisen? Dänen? Franken? Ist ja auch egal. Es geht um Söldner. Kein großer ethnischer Stolz hier brauchbar. Nehmen wir einfach das allgemeine Label "Germanen"!
- Die germanischen Gastarbeiter erledigen ihren Job (die von Norden piratenden Pikten disziplinieren) und werden nicht mehr gebraucht. Sie wollen aber nicht wieder heimkehren. Stattdessen vermehren sie sich. Und werden mächtiger. Und übermannen die britischen Machthaber, die sie reingeholt haben. Wobei das primär ein Übermannen der politischen Elite ist, kein Genozid an der Bevölkerung.
- Exodus der britisch-römischen Elite ins immer noch (auch nach dem Fall Roms) sehr viel romanischere Gallien/Franken. Bretagne?
- De-Christianisierung, Re-Paganisierung.
- Die germanischen Dialekte ertränken im künftigen England die britisch-keltischen. Das Englische kündigt sich an.
- Briten/Kelten vs. Briten/Kelten, Briten/Kelten vs. Germanen, Germanen vs. Germanen. (Wechselnde Allianzen und Differenzen.)
- Die Germanen werden mal als Sachsen, mal als Angeln, mal als sonstwas wahrgenommen. Sie selbst nennen sich später "Englisc".
- St. Patrick / Patricius wurde hundertzwanzig Jahre alt, befreite Irland single-handedly von Dämonen und Schlangen und bekehrte den irischen ''High King' direkt zum Christentum.
- In der hochfragmentierten und ultramobilen Welt der Stämme war das territorialistisch-hierarchische Konzept der Bischöfe/Bistümer/Diözesen nicht so erfolgreich und machtvoll wie das Peer-to-Peer-Netzwerk der Klöster. Die bildeten ein Internet von Intelligenz-Stationen, das Alphabetisierung, Literatur, Anbindung an Weltdiskurs ins keltische Hinterland radiierten. Davies zeichnet die Wirkung als befreiend für ein Geistesleben, das von keltischer Isolation und Schriftverbot kleingehalten worden war. Irland erblühte als Zivilisation und würde die barbarisierte Nachbarinsel wieder auf den Leuchtenden Pfad zurückführen. Irland war das Arabien oder Byzanz zur Renaissance Britanniens!
- Irland war noch eine ganze Weile eine fragmentierte Kultur auf beiden Seiten des Keltischen Meeres, bevor es zu einer einheitlichen Insel-Identität wurde.
- Die späteren Schotten bilden sich aus einem heterogenen Gemisch von Pikten, Iren, Angeln und Briten. Die Pikten hielten ihr Piktland, den Nordzipfel der Insel, stabil, uneinnehmbar. Aber die Christianisierung, aus verschiedenen Richtungen und Traditionen gleichzeitig (römisch, keltisch), einte bald Kaledonien kulturell und ließ das keltische Gälische siegen.
- Weiter südlich führten "tausend" Kriege, Heiraten usw. zu einer langsamen politischen Integration/Entscheidung der keltisch-germanischen Wirrnisse zu einem germanisierten England und zu sieben englischen Königreichen, die auf eines zustrebten. Das britische Keltentum war hier schon durch die Romanisierung geschwächt, germanische Einflüsse hatten leichtes Spiel. Außerdem waren die Kelten evtl. stärker von der Pest des 6. Jahrhunderts getroffen als die Germanen -- Indianerkrankheit? Die britisch-keltische und die germanische Kultur verschmolzen hier nicht; stattdessen verdrängten die Germanen das Britisch-Keltische, immer weiter nach Westen. (Wales!)
- Eine Konfliktlinie zwischen britischen Kelten und den Germanen war das Christentum. Die Kelten waren schon Christen, da waren die Germanen noch Heiden; aber die Kelten waren halt britische/keltische Christen, nicht mehr explizit katholisch-römische. Als Rom die in heidnische Barbarei verfallene Gegend re-christianisieren wollte, über den Hub Canterbury, wollte es auch den neuen zentralistisch-katholischen Standard durchsetzen. Die Germanen ließen sich zu eben diesem bekehren, und Rom war also nur allzu happy, den Germanen dafür in deren heidnisch-kulturellen Traditionen tolerant entgegenzukommen. Die keltischen, ursprünglich spätrömischen Christen dagegen wollten bei ihrer britischen Kirche bleiben -- und wurden dafür von den frisch bekehrten katholisch-christlichen Germanen abgeschlachtet, in Mission Roms. Dass es eine eigene britisch-christliche Kirche keltischen Hintergrunds gab, die sich dem katholischen Ritus widersetzte, daran erinnerten sich die Engländer seltsamerweise nicht, als sie sich später von Rom los sagten, um eine eigene Insel-Kirche zu gründen.
- Die vielen verschiedenen germanischen Dialekte kohärieren zur Sprache Englisch, als sie Schriftsprache werden.
- Die westlichen Berge bleiben von den Germanen unberührt. Das dortige Keltentum saugt den keltischen Exodus der von den Germanen Vertriebenen auf. Integriert sich zu einer eigenen romano-britisch-keltischen Identität as opposed to germanisches England,. Als die "Fremden" werden sie von den Germanen bald "Welsch" genannt; erst sehr viel später werden sie sich selbst als eigene isolierte Identität begreifen und "Cymru" nennen. "Offa's Dyke" / der Offa-Wall trennt sie gegenüber den Germanen ab, in der Wahl seines Verlaufs diplomatisch, um der Grenzziehung politische Stabilität zu sichern.
- Im Südwestzipfel der Insel hält sich dann auch noch Kerno/Cornwall britannisch. Die Gegend ist ein wichtiges keltisches/irisches Sprungbrett zwischen Eire und Gallien/Franken. Außerdem war es einer der am Längsten romano-latinisierten Landesteile. Zudem hat die Gegend wohl was mit "Tristan und Isolde" zu tun. Und möglicherweise kolonialisierte sich von hier aus auch die Bretagne, die ja nicht umsonst so heißt, wie sie heißt.
- König Artus war eine ursprünglich keltische Figur, die tatsächlich nachträglich stolz in die germanisch-englische Geschichte integriert wurde. Aber nicht über den direkten Weg zu den Briten/Kelten, sondern über den Umweg durch Frankreich und dortige kontinentaleuropäische Rittertums-Geschichten. Ansonsten akzeptiert man als Referenz nur das germanische Beowulf.
- Vierhundert Jahre nach dem Ende der römischen Besatzung hatten sich die einzelnen Ethnien, Kirchen, Sprachen und Identitäten einigermaßen verteilt in einer Form, dass man grob sehen konnte, woraus sich später Irland, Wales, Schottland und England bilden würden. Die ersten drei allesamt Nachfahren der Ur-Briten und Kelten, aber untereinander isoliert, als Gesamtidentität zerfasert unter der kulturellen Dominanz des distinkt germanischen Englands.
- "The Isles in the West":
- Ach, wie schön! Die Wikinger und die Engländer bekämpften sich bei einer typischen Konfrontation erstmal mit Poesie, bevor das Schlachten losging.
- Die Wikinger verteilten sich in der gesamten Insellandschaft zwischen Skandinavien und Island, und ein guter Wikinger starb fern von seinem Geburtsort, auf einer fernen Insel.
- Runen/Futhark wurden nie für Literatur verwendet.
- War vielleicht nicht grade warm da oben in Skandinavien, aber hey, reiche Fischgründe, viel tierreicher Wald, alles ganz fruchtbar und ausbeutbar. Gab sicher keinen Mangel an Feuerholz für den Kamin oder an Tierfell für den Schlafmantel! Und die harsche Natur nennt Davies "stimulierend". Man lebte an der äußersten Grenze der besiedelten Welt und baute sich alles selbst, mit großer, erfinderischer Könnerschaft (Zwerge!). Und gönnte sich Meeresausflüge im Frühling und Herbst.
- "As in many slave-holding societies, the free classes were eager democrats."
- Die heidnischen Wikinger kannten, im Gegensatz zu den Kelten, keine eigene Priesterkaste. Der Glaube war bei ihnen mit dem öffentlichen Heldenkult usw. identisch, nicht separiert.
- Harrrr! Tradition: Häuptling stirbt und wird auf brennendem Schiff ausgesandt, eines seiner Sklavenmädchen an seiner Seite, das sich fürs Teilhaben am Valhalla-Nachleben freiwillig meldete für folgende Prozedur: sich kräftig besaufen, dann mit sämtlichen anwesenden Kriegern geschlechtsverkehren, dann einem lebenden Huhn den Kopf abschneiden und sich dann erstechen und erwürgen lassen, während um sie herum alles rumgröhlt, um ihre Schreie zu ersticken. Die verstanden es, zu sterben, die Wikinger!
- Bevölkerungsdruck und großartige Schiffstechnik machten den Nordmännern die Piraterie attraktiv.
- Bald wollten die Wikinger nicht nur plündern, sondern auch siedeln. Die Vorhut waren feste Hauptquartiere in umgebenden Inseln, von denen aus als Zwischenstationen sich Angriffe besser managen ließen. So wurden diverse kleinere Inseln bald vollwertige nordische Kolonien, teils unter Vertreibung von Pikten und Kelten. Selbst die "Isle of Man" war bald wikingisch und zeigt davon noch heute kulturelle Spuren!
- Der Stolz der uneroberten Iren gebrochen, die Wikinger machten auch vor Irland nicht halt im Kolonialisieren. Sie nannten es auch als erste "Irland". Von dort auch dann rüber nach Britannia / Schottland! Dort zerfleischen sich Nordmänner gegenseitig über Eroberungs- und Machtansprüche und gehen in den wechselnden sich bekriegenden Konfigurationen und Allianzen der Briten, Schotten, Germanen/Sachsen auf.
- Der nordische Trieb verliert auf den Inseln an Kraft, als er weniger piratet als auf Land sich zähmen und zum Christentum bekehren lässt; während weiter nördlich die Triebkraft eher nach Island und von dort weiter nach Grönland und Amerika sich schiebt. Auch lässt der Überbevölkerungsdruck aus Skandinavien nach, das zudem sich bald königlicher Zentralisierung öffnet.
- Jede Dänen-Eroberungs-Welle auf die Gebiete der Sachsen: Hunderte von Schiffen, Tausende von Männern! Immer mehr, Jahr auf Jahr, hintereinander! Sächsisches Königreich auf sächsisches Königreich fällt. Doch Wessex (unter Alfred dem Großen) und London halten Stand! Und dann bekehrt Alfred die Dänen einfach zum Christentum. Der Weg ist frei für England: die sächsischen Königreiche haben sich zu einem konsolidiert, und das muss jetzt nur noch mit dem Danelaw zusammengehen.
- Während die Angelsachsen mit den Nordmännern/Dänen einen erbitterten Überlebenskampf führen, konsolidieren sich die keltischen Landesteile. Wales einigt sich sogar zwischendurch mal. Schottland wird Schottland. Die Pikten verschwinden, aufgerieben zwischen schottischer Hegemonie und Nordmänner-Invasionen.
- So rosig sieht es dann aber doch nicht für England aus. Anfang des 11. Jahrhunderts haben die Dänen Alfreds England einfach verschluckt. Es bildet jetzt einen Teil eines großen nordischen Imperiums, das neben Island die gesamte Nord- und Ostsee bis Novgorod und Kiew umfasst und Verbindungen bis nach Byzanz, dem Kaspischen Meer und nach Arabien unterhält. In dieser Welt spielt dann wohl auch "Der 13. Krieger"! Über diese imperiale Linie dienten dann auch Angelsachsen aus Britannien in wikingischen Söldnereinheiten für Byzanz.
- Die Nordmänner an der Seine / die Normannen wurden irgendwann einfach vom lokalen fränkischen Machthaber akzeptiert und in sein entstehendes Feudalsystem als Vasallen integriert, Territorienname Normandie. Sie warfen bereitwillig ihre alte Kultur ab und machten prompt auf französische Ideal-Feudal-Christ. Dafür bekamen sie auch viele Geschenke. Naja, nicht ganz. In Sachen Invasionen übern Teich landen nordmännerten sie auch noch immer gerne auf Eroberungs-Segeltouren rum, bis nach Sizilien. In England würde Guillaume der Eroberer dann das Anglo-Dänische Königreich besiegen / ins normannische Feudalsystem integrieren. Plötzlich war "England" ein Feudalreich, dessen Führungsklasse Französisch statt Sächsisch oder Nordisch sprach. Völliges Abschneiden vor allem von der skandinavisch-imperialen Kultur / Entnordifizierung durch ehemalige Nordmänner.
- Davies erwähnt ein "Old English" System in Abgrenzung zu dem nun aufkommenden fränkischen Feudalsystem. Was er damit wohl meint? Wohl liberaler. Eine Grenzziehung macht aber sicherlich Sinn zu etwaigen wikingisch-demokratischen Strukturen, die wohl jetzt erstmal futsch sind.
- Die französischen Normannen übernahmen das dänische England / die englische Dänemark. Richtung Westen drückten sie die Waliser an den Rand, mit einer großen Puffer-Zone der walisischen Sümpfe, wo sie aus ihren Reihen und Verbündeten importierten Feudalherren ein anarchisches eigenes Reich gaben, das zwar Tribut an den englisch-normannischen König zahlen musste, aber ansonsten wild sein eigenes Ding machen konnte.
- Die Grenze zu Schottland dagegen war instabiler. Dafür gab sich Schottland aber auch offener gegenüber Einflüssen aus dem normannischen England. Die schottische Identität war inkludierend gegenüber non-keltischen Einflüssen.
- Im Tohuwabohu jener Zeit ergaben sich immer wieder identitäre Integrationen, die nachträglich als "englisch" identifiziert wurden. Dummerweise brach ihre Hegemonie (z.B. König Alfred) auch immer wieder zusammen und machte ziemlich breit Anderem Raum. Insofern nicht möglich, da eine große lange "englische" Kontinuität zu konstruieren, selbst wenn sich auch schon Angelsachsen vorm Wikinger-Zeitalter mal sprachgeschichtlich dieser Buchstabenkombination angenähert haben mögen. Gerade die nachträgliche Identifizierung des Ur-Englischen mit dem Angel-Sächsischen scheint gepushed worden zu sein vom House of Hannover -- schaut her, die Deutschen waren schon immer die Wurzel des Englischen!
- 1066 ist eine eigene Ideologie: Ein freies angelsächsisches (selten: dänisch-angelsächsisches) England wird von Franzosen überrumpelt, die dort einen unfreiheitlichen Feudalismus installieren; der englische Nationalgeist wird sich später in einem freiheitlichen Opponieren gegen dieses französische (teils: papistische) Diktat beweisen. Natürlich Unsinn: Genauso gut könnte man sagen, ein Nordmänner-Klan verdrängte einen anderen Nordmänner-Klan. Das Hin und Her zwischen Angelsachsen und Dänen, in das die Normannen traten, war alles Andere als eine erkennbare englische National-Identität; England war eine Kolonie des Nordischen Imperiums, bevölkert von Dänen und Sachsen. Die Dänen waren dabei eher die 'freemen' als die Sachsen. Hier traten nun andere Nordmänner ein, durchaus französierend und feudalisierend. Aber der Bruch war längst nicht so heavy. Schon vorher war die Freiheitlichkeit mehr und mehr Richtung 'serfdom' gerutscht.
- "The Isles of Outremer":
- "Outremer": die Kreuzfahrerstaaten. Kurze Recherche in Wikipedia: überlebten im Heiligen Land teilweise bis zu zweihundert Jahre lang. Frühe europäische Kolonien?
- Jaaa, die Kreuzzüge! Der erste große englische Kreuzfahrererfolg vollzog sich ... in Portugal. Teilnahme und Teilhabe an der Reconquista. Die anglo-normannische Aristokratie war insgesamt dicht eingebundener Teil des großen fränkisch-latinischen Feudal-Apparates, der damals ins Heilige Land sich gezogen fühlte.
- "details are better left, in the best Gibbonian tradition, in the decent obscurity of the Latin"? Fuck you, Davies! Ich will wissen, was du da in deinem Buch zitierst, und nicht erst mein Latein vorher auffrischen.
- Was soll man auch machen, wenn man einmal so eine Kreuzfahrermaschinerie in Gang gesetzt hat: Man muss erobern und plündern, Anderes kann die Maschine nicht, und irgendwie muss sie sich ernähren. Und dann kommt man eben mal in Situationen, wo man auch Verbündete angreifen muss, weil sonst nichts zur Verfügung steht oder mit einem Minimum an Erfolgsaussichten angreifbar wäre.
Armes Damaskus! Damaskus : Kreuzfahrer 1 : 0.
- Die Kreuzzüge nahmen offenbar recht schnell die Form des üblichen spätantik-mittelalterlichen Dramas an von zur Unterstützung reingeholten Barbaren (Franken), die nicht ihrem Ursprungsauftrag eingeschworen gehalten werden können und stattdessen Chaos stiften, Büchse der Pandora. Insofern hatte Byzanz wenig vom Weströmischen Reich gelernt. Aber der Drive der Barbaren war auch schwächer geworden, ihr Getobe versandete in der Zeit der Kreuzzüge recht schnell zum eigenen Fiasko.
- Daheim in England: feudalistische Anarchie. Jeder will jeden meucheln im Kampf um territoriale und familiäre Vorrechte. Faktisch sind sie alle Abhängige des Königs von Frankreich, die Territorien aber zugleich nicht direkt diesem unterstellt und damit ein strategisch attraktiver Bolzen gegen dessen Macht.
- England unter Henri Plantagenet / Henri II ein Legostein unter vielen im Errichten eines weitreichenden westeuropäischen Gegen-Imperiums gegen das östlichere Imperium des französischen Königs Louis VII / Capet. Henri ein Wanderkönig durch sein dezentrales Reich, installiert für seine Abwesenheiten örtliche zentralistische Bürokratien.
- Die frühen Plantagenet-Könige sprachen wahrscheinlich kein Wort Englisch und hielten sich auch nur vergleichsweise selten in England auf.
- Die Eroberung Irlands beginnt als walisisch-normannisch-exilirisches Privatunternehmen, reißt Dublin den Norden und Iren aus den Händen und wird dann nachträglich von Henri II ins Reich aufgenommen, aus Angst, da könne ein Privatkönigreich entstehen.
- Die Lektüre der Absätze zur Regierungszeit von King Jean / King John verdeutlichen mir, was für ein unglaublicher, unglaublicher historischer nationalistischer Blödsinn Ridley Scotts Robin Hood ist. In dem Ausmaß hätte ich das nicht erwartet. Ausnahme: King Johns Sticheleien bezüglich König Richards (Staatskasse bankrottiert durch Kreuzzüge und Vergeiselung) und seiner Mutter (haha, du bist doch auch nur eine Französin, also meckere nicht, dass ich mich mit einer Französin vergnüge!). Auch: Was hätte man aus der Figur von Eleonore von Aquitanien noch so alles machen können, die im Film so blass ist, historisch aber einen extrem bewegten und politisch monströsen Lebenslauf hatte.
- King Jean wird von Davies ordentlich rehabilitiert: Indes König Richard gerade mal ein paar Monate seines Lebens in England zugebracht hat, sei King Jean der erste Plantagenet-König gewesen, der in England geboren wurde und auch dort starb. Er durchlitt die größte Katastrophe der Plantagenet-Dynastie: den Verlust der Normandie und weiterer kontinentaleuropäischer Territorien, eine Zweiteilung des Herrschaftsgebiets (Rest: das ferne Aquitanien). Er konsolidierte zugleich England. Er durchstand ein päpstliches Interdikt gegen England, den Aufstand der Barone und machte das Zugeständnis der Magna Carta.
- Robin Hood: völkische, teils antisemitische Ideologie-Gestalt; die Engländer sehen sich gerne als die Aufständigen gegen foreign powers, ungeachtet ihrer eigenen imperialen Ambitionen
- Ideologie auch die rückblickende Überbewertung von Magna Carta und Parlamentsbegriff, ganz im Ziel verhaftet, die englische Geschichte bis zur Glorreichen Revolution als eine Teleologie hin zur Nation der Freiheit zu stilisieren; auch der völkische Charakter dieser Institutionen (das angelsächsische Freiheitsstreben begehrt gegen die normannischen Besatzer auf) reininterpretiert, fehlerhafter Gedanke, man könne das England dieser Zeit isoliert von ähnlichen Entwicklungen auf dem Kontinent denken
- auch die Unterbewertung der mittelalterlichen Angebundenheit an die katholische Kirche völkische Ideologie; die katholische Kirche band England in ein internationales Geistessystem ein
- und immer wieder die Betonung, dass all die nachträglich zu Super-Engländern stilisierten wichtigen Figuren dieser Zeit meist bis immer Französisch sprachen, in England selten geboren waren oder dort starben, sich selbst für England nur teilweise bis kaum interessierten
- "The Englished Isles":
- 1331 beginnt der König von England den Prozess, seine Abhängigkeit vom König von Frankreich formal durchzusägen. Don't expect this to be easy: Damals ist alles ziemlich miteinander verwoben. Die Engländer haben ja z.B. damals auch nicht einfach eine Nationalkirche. Nichtsdestotrotz beginnt wenige Jahre später der Hundertjährige Krieg. Wohlgemerkt, der Krieg beginnt zwischen den Personen König von Frankreich und König von England und dreht sich um deren feudalistisches Machtverhältnis untereinander; wenig später wird der König von England den Titel des Königs von Frankreich beanspruchen. Man kann also nicht so einfach von einem Krieg zwischen zwei definiert gegensätzlichen Nationen England und Frankreich sprechen, jedenfalls nicht in der heutigen Bedeutung der Begriffe.
- Die Pest kotzt die englische Sprache zurück auf die Bühne. Die Oberschicht spricht trotzdem weiter Französisch. Aber ab zweiter Hälfte des 14. Jahrhunderts erlangt die Volkssprache Englisch einen offiziösen Status. England trilingual: Französisch, Englisch, Latein. Ende des 14. Jahrhunderts lernen die Schulkinder nicht mehr Französisch, sondern Englisch. Der Aufstieg des Englischen liegt vermutlich weniger an der Schönheit desselben, sondern daran, dass man sich von den Franzosen da unten abgrenzen wollte und Französisch deshalb unpopulär wurde. Man besinnt sich deshalb darauf, ein englisches Gebilde sein zu wollen, eine englische Identität. Nation building!
- Edouard III hatte sich vielleicht etwas zu viel vorgenommen, als der den Titel des Königs von Frankreich beanspruchte. Versuchte ein Undo beim Vertrag von Bretigny. Dummerweise kündigte die Gegenseite den Vertrag wieder auf, der Königstitelanspruch blieb also bestehen, verlangte nach dem damaligen Ehrbegriff fortan nach einem Bemühen um Durchsetzung. In dieser Sackgasse unenthusiastisch für zwölf Jahrzehnte gefangen, bei geopolitischer Unmöglichkeit eines Sieges für beide Seiten: Das war der Hundertjährige Krieg.
- Was ist das überhaupt, damals, "Frankreich"? Unter der Bedingung der "incurable fractiousness of feudal politics" (p. 371) lassen sich Begriffe von Territorialnationen noch wirklich schwer reinzwängen in das, was damals so abgeht. Alles nur erweiterte Familienvormachtskämpfe umherziehender Warlords. Der Einzelne fühlte sich nicht einer Nation, sondern einer herrschenden Familie zugehörig. Aber der Hundertjährige Krieg ist so ein bisschen der Schmelztiegel, der zumindest das Gebilde "Frankreich" territorial vereinheitlicht und festigt; und auch England ein bisschen, soweit es territorial tatsächlich auf sich selbst zurückgeworfen wird.
- Zugleich war der Hundertjährige Krieg ein Probelauf für englischen Übersee-Imperialismus: durch Meeres-Abtrennung leicht ungefährlich haltbare Ländereien vergewaltigen, plündern und unterwerfen. Wikingische Ausbeutung.
- Wider die Parlaments-Teleologie: Das englische Parlament war für sich kein singulärer Richtungsweiser von königlicher Tyrannei in die Demokratie. Das mittelalterliche Europa kannte viele die Macht des Königs von unten und von der Seite beschneidende Institutionen und Mitspracherechte; remember, der Absolutismus kommt erst später! und republikanische Präzedenzen finden sich in Polen-Litauen und den italienischen Stadtstaaten.
- Nichtsdestotrotz relevant ist sicher der langsame Aufstieg des House of Commons im Zwei-Kammern-Parlament. Üblicherweise ist er aber das Resultat einer Nützlichkeit desselben für Machtkämpfe z.B. unter feudalistischen Protagonisten; das House of Commons ist damals immer nur so viel wert, wie ihm von den Mächtigen aus Eigennutz zuerkannt wird, und hat aus sich selbst heraus kein Gewicht, auf das es pochen könnte; im Gegensatz dazu das House of Lords, das reale Macht dadurch in sich trug, dass es eine Versammlung derer war, die auch außerhalb des Parlaments reale Macht besaßen.
- Henry VIII hatte keine Liebe für die Ideen der Reformatoren/Protestanten und gründete die Church of England als staatstreues Spiegelbild der Katholischen Kirche, mit sich selbst im Machtanspruch des Papstes.
- Oha, es gab ja noch einen wichtigen Cromwell in der englischen Geschichte, nämlich Thomas Cromwell! Das war der Chef-Ideologe von Henry VIIIs Kirchenwechsel, erfand The Great Myth / The English Myth eines bis weit in die Vergangenheit reichend stets sich selbst mit freiheitlichem Nationalgeist definierenden England (mit äußeren, katholischen Einflüssen als abzuwehrender Tyrannei), bahnte Ansprüchen königlichen Absolutismus' den Weg und bastelte in der Koppelung von König und Kirchenoberhaupt etwas, das dem "Caesaro-Papism" der byzantischen Herrscher bis Iwan dem Schrecklichen recht nahe kam.
- Erst nach Henry VIIIs Tod wird die Church of England etwas protentantisiert, unter Edward VI. Dann kommt kurz Queen Mary und versucht eine blutrünstige Rückführung ins Popenreich. Ihr folgt Elizabeth I und Frieden kehrt ein; sie richtet auch ein paar religiöse Abweichler zu allen Seiten hin, duldet aber Krypto-Katholizismus, der nicht aufrührerisch wird (Abschiebung der nicht-offiziellen Glaubensentscheidung ins Private?).
- Irland lässt sich kaum zur Church of England bekehren; Schottland findet seinen eigenen Weg vom Katholizismus hin zum Protestantismus. Dort gelingt aber keine byzantinische Verschmelzung der Mächte von Staat und Kirche, stattdessen gibt es sogar eine presbyterianische Bewegung für eine strikte Trennung der beiden. Die Channel Islands werden hugenottisch!
- Passend zum Age of Discovery treibt England mit dem Kirchenwechsel einen radikalen Keil zwischen sich und Festlandeuropa, der ihm gar keine andere Wahl lässt, als zur in die Ferne schauenden Seemacht zu werden und sich eigenständig und "exzentrisch" zu entwickeln.
- Unter den Tudors wächst London ins Gigantische.
- Das englische Empire entsteht auf den Inseln: Wales wird auf englische Normen gleichgeschaltet und Cornwall in seine Schranken verwiesen. Irland war noch extrem heterogen der englischen Logik, erlebt aber einen anwachsenden Druck englischer Besiedlungs- und Militärpolitik; praktisch war es noch lange ziemlich selbstbestimmt, nominell aber bereits dem englischen König untergeordnet. Es sah sich gern als eigenes Königreich, das nur eben den selben Feudalherren akzeptierte wie das Nachbarkönigreich England. Schottland hat sich über Jahrhunderte zwar immer mal wieder England angenähert, ist aber im 16. Jahrhundert noch politisch vergleichsweise unabhängig. (Ist ja schwierig, eine totale Unabhängigkeit von irgendwem zu irgendwem zu denken, so lange noch die Verkettungen von Adelsfamilien untereinander der Maßstab sind!)
- Imperialistische Zentralisierung und Standardisierung, vor allem auch über die englische Sprache, die durch Schulunterricht und Buchdruck jetzt langsam eine offizielle Form wird. Sie wird zur kolonialpolitisch durchgesetzten lingua franca überall auf den Inseln. Der König verlangt, dass jeder am Sonntag in die Kirche gehe, um englische Predigten zu hören.
- Humanismus und Protestantismus tragen eine Bildungsreform mit sich: Die Klosterschulen werden geschlossen (raus, ihr Katholen!), dafür macht der Staat überall Schulen auf, z.B. Schottland.
- William Shakespeare war ein nationalistischer Autor mit großer Freude am englischen und Insel-imperialistischen Geschichtsrevisionismus der Tudors, folgte gefällig der Ideologie, die Vor-Tudor-Zeit als grauenvoll mit dem Goldenen Zeitalter der Gegenwart zu kontrastieren.