Buch: Alan Dundes, Carl R. Pagter: "When you're up to your ass in alligators … More urban folklore from the paperwork empire" / 1987.
Lektüre-Notizen (ich notiere mir nur post-WorkHardAndYouShallBeRewarded-Lektüre-Ergänzenswertes):
- Vorwort:
- Dank an die vielen Leute, die im NachHall zum ersten Buch weiteres Material beisteuerten. Vor allem aber auch ans ISR / Institute for Sex Research aka Kinsey Institute, das neben seinem Archiv auch die eigene Infrastruktur öffnete / mithalf.
- Einführung:
- Obszönes und rassistisches Material wurde schon im letzten Buch wirklich nur in sehr vorsichtiger SpitzeDesEisbergs-Auswahl präsentiert, hier ebenso; trotzdem reichte das für einige Aufreger und verlangt einen sehr apologetischen Tonfall. Solches Material scheint tatsächlich einen großen Anteil des Zirkulierenden auszumachen.
- Im Gegensatz zum letzten Buch klare Ansage: Alles hier drin ist FotoKopierer-Ware, also zirkulierte mindestens in gegenüber anderen Verbreitungsformen nennenswertem Maße als diese. Texte, die auch oral verbreitet worden sein dürften, sind enthalten, so lange ihre FotoKopierer-Verbreitung bedeutenden StellenWert einnimmt.
- Inzwischen haben sich auch einige andere Sammlungen "urbaner Folklore" eingefunden, oft mit regionalem Bezug (UK, Colorado, Deutschland).
- Apologie zu den Analyse-Texten bei den präsentierten Materialien – für andere AusdrucksFormen wird es akzeptiert, wenn man sie unkommentiert rausbringt, bei diesem neuen und noch nicht respektierten GegenStand dagegen scheint es analytischer Kommentare als Rechtfertigung zu bedürfen. Autoren sehen sich aber selbst nicht als analytische Experten.
- "Coming to Terms":
- Bei einem Beispiel wird angemerkt, dass es auch schon in früheren JahrZehnten unter SchulJungen zirkulierte, auf Zettelchen, um es davon abzulesen / vorzutragen.
- Wort-Definitions-Listen; Was-Leute-sagen-und-was-sie-meinen; obszöne Wörter als Gegenstand von Gedichten und Pointen; fehlerhaftes Verstehen/Wiederholen von Phrasen als Pointe; neuerlich sinnvolle FalschZuschreibungen von Zitaten.
- "Wild Cards":
- "Wallet cards", kleine Kärtchen, die Leute in ihrer BriefTasche bei sich tragen, um sie humoristischen Anlasses herauszugeben / vorzuzeigen: VisitenKarten-Parodien, Konversations-Kärtchen ("I am somewhat of a bullshitter myself, but ocassionally I like to listen to a professional. Please carry on"), kleinformatige Cartoons.
- Verbreitung teils bereits in den 1930er/40er Jahren nachweisbar, dann aber eher direkt vom DruckerMeister; später im PapierFormat als Ergebnis der BüroKopierer-Manie.
- "Those Cards and Letters":
- Telegramm- und Brief-Parodien, aber auch einfach lange Scherz-Texte. Ein Proto-Nigeria-Scam-Brief mit GeldSende-Aufforderung (hinreichend lächerlich um nicht ernstgenommen zu werden). Ein echter obszöner Brief von Benjamin Franklin, der schon im 19. Jahrhundert unter der Hand kursierte, mit Kopierern und Fall von Zensur aber allgemein bekannt wurde.
- "The Writing on the Walls: Notices, Mottoes, and Awards":
- Wurden bisher eher Dokumente betrachtet, die von EinzelPerson zu EinzelPerson weitergereicht werden, geht es nun um AnschlagZettel für PinnWände (häufig: Pseudo- oder DeMotivationals, Memo- und Zertifikat-Parodien), aber auch z.B. für SchlechtParker-AutoFrontScheiben (Beschwerde-, Beschimpfungs-Formulare).
- "Here's How: Instructions and Tests":
- Neben vielen scherzhaften FachGebiets-spezifischen Pseudo-VerhaltensAnweisungen und -Tests auch mehr oder weniger komplizierte WortTrickserei-Rätsel, Bilder-Rätsel.
- "Top Drawer Lore: Cartoons":
- Die schon aus dem vorherigen Buch bekannten WitzBilder-Serien. Interessanter als das Enthaltene ist das Nicht-Enthaltene: an aus Rücksichtnahme auf die Leser unterschlagenen Obszönitäten werden Häufen von Fellatio, Cunnilingus und Zoophilie aufgelistet.
- "Twice Over Lightly: The Double Entendre":
- DoppelDeutigkeitenHumor-Texte. Interessant die Listen langer Einzeiler / KurzWitze, die zuvor sicherlich isoliert zirkulierten, aber erst im BüroKopiererZeitalter breite Zirkulation als GesamtKorpus finden.
- "Parity for Parody":
- Parodien gängiger Formate (TodesAnzeigen, WeihnachtsLieder, akademische Publikationen).
- Bemerkenswert: S. 267 eine Referenz auf einen FortBildungsKurs "Bonsai Your Pet" (vgl. Internet-Mem "Bonsai Kittens").
- "Conclusion":
- Wiederholung der üblichen Apologie, warum es sich auch bei den Materialien im Buch um Forschungs-würdige Folklore handele.
- Alte Fokloristen-Weisheit sei es, dass Technologie Folklore töte – die Menschen sich mit Ankunft von Radio und Fernsehen nichts mehr erzählen, sondern einfach die MassenStreu aufsaugen usw. Aber diese Studie belege Anderes: Neue Technologie schafft neue Arten (und Inhalte) von Folklore.
- Kleine Folkloristen-Sorge: Tötet die Kodifizierung der präsentierten Meme nicht ihren natürlichen Fluss ab? Aber nein: Auch Witz-Bücher usw. haben nicht das WeiterErzählen von Witzen abgetötet. Wobei: Ein Buch wie dieses kann natürlich die Verbreitung bestimmter TextVarianten positiv beeinflussen.