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RedeFreiheit

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Ein paar diskutierbare Thesen:

1: Wir haben kein absolut gesichertes Wissen über die Wahrheit des einen oder die Unwahrheit des anderen. Jede These sollte jederzeit von Neuem erwogen, diskutiert werden können, und zwar von jedem: Multiplikation der Perspektiven erhöht die Angriffsrichtungen der Erkenntnis.

2: Einschränkung der Redefreiheit verringert die Zahl der im Diskussionsraum frei flottierenden Thesen/Texte/Ideen, die gegeneinander geworfen, kombiniert, miteinander verglichen, zur gegenseitigen Analyse benutzt werden können. Mit der Verringerung von Redefreiheit in einem Raum verringert sich auch die Vielfalt der in ihm möglichen Erkenntnisse.

3: Nachträgliche Zensur zerstört Text-Zusammenhänge, Konversationen. Zieht ein Text Reaktionen nach sich, verlieren diese ohne ihn an Sinn. Wer Seiten (Blog-Einträge, Tweets) vom Netz nimmt, macht Links auf diese kaputt. Anti-aufklärerische Folgen nachträglicher Zensur: Widersprüche verlieren ihre Legitimation, Argumente und Beweisführungen verlieren ihr Material und ihre Überprüfbarkeit.

4. Meinungen, Thesen, Abbildungs-Gegenstände, die zensiert werden / deren Äußerung bestraft wird, gehen nicht weg, sie werden nur unsichtbarer. Ein unsichtbarer Gegner aber lässt sich schwerer bemerken, treffen, bekämpfen als ein sichtbarer. Es ist in meinem Interesse, dass gerade auch die Thesen und Hetzreden meiner Gegner sichtbar bleiben.

5. Ein Wort ist nicht in dem Sinne, oder nur in einem sehr viel geringeren, Gewalt, wie es ein Faustschlag, ein Hungerzwang (etwa durch Enteignung/Geldstrafe) oder eine Inhaftierung sind: Im Gegensatz zu diesen kostet es einen Empfänger sehr viel weniger Aufwand, ein bloßes Wort zu ignorieren.

6. Was aus Angst vor Strafe nicht gesagt wird, wird aus den falschen Gründen nicht gesagt. Das Unterdrücken von Äußerungen durch körperliche, staatliche oder quasi-staatliche Gewalt (siehe Punkt 5) ist als Bullying abzulehnen: als Politik des Starken gegen das Schwache, der geballten Faust gegen die lockere Zunge, des Rechts des Stärkeren.

Kommentare

#0

Relatiert: http://www.paulgraham.com/say.html

#1

Falls du es noch nicht kennen solltest:

Donna Haraway über den göttlichen Trick und den Luxus einer partiellen Perspektive auf Wissen
https://faculty.washington.edu/pembina/all_articles/Haraway1998.pdf

#2

@scallo: "Not Found / The requested resource does not exist on this server."

#3

WERR IS DE HERRAWOI I KENNOT FINT IT
:------DDDDDD
SPÖRÖLÖÖ

#4

https://faculty.washington.edu/pembina/all_articles/Haraway1988.pdf

google ist dein freund

#5

Solange etwas nur gesagt sein soll, damit es gesagt ist, soll meinetwegen alles gesagt werden dürfen. Finde ich auch wunderbar, nichts zu unterdrücken. Aber in der Redepraxis ist ja "Philosophie" (sagen, was man denkt und nur weil man es gerade denkt und dazu noch "in einem Raum") ein eher seltenes Vorkommnis. Es gibt ja in den meisten Fällen ein Handlungsbezug, dass heißt es wird Handeln vorbereitet: "Mein Kampf". "Kommt Jungs, lass uns alle Jonny fertig machen" ist nicht nur ein "Gedanke", sondern ist mit Handeln verknüpft. An dem Punkt beginnt die Freedom of Speech zu knirschen und kann sich dann exakt pervertieren, nämlich in dem Sinn, dass vor der Redefreiheit nur scheinbar alle gleich sind, einige aber die Redefreiheit mit Macht und Gewalt verknüpfen können: Ist FoxNews ein Beitrag zur Debatte oder ein Beitrag zur Machtausübung? Ein Handlungsbeitrag? Ich denke, es handelt sich gar nicht um "freies Denken", sondern um denkbefreites Handeln im Modus des Redens.

Fritz /
#6

Kommt Jungs, lasst uns alle Fritz fertig machen.

#7

@scallo, @AlMagnifico: Hmm, bin über die erste Seite des Harroway-Textes nicht hinausgekommen. Postmodernismus-Generator? Einfache Zusammenfassung des Bezugs zu den obigen Thesen?

@Fritz:

Natürlich gibt es Zusammenhänge, wo ein Wort unmittelbar an Gewalt gekoppelt ist – zum Beispiel ein Gerichts-Urteil, dessen Wortlaut direkt über Gefängnisstrafe oder Freiheit entscheidet. In dem Fall geht es nicht nur um das Wort an sich, sondern um den Gewaltzusammenhang, in dem es steht – als unerlässliches Rädchen eines juristisch-staatlichen Apparats. Ein solcher Gewaltzusammenhang muss aber meines Erachtens deutlich belegt sein, ehe man ihn in einer Gewalten-Bilanz zum Zwecke der Freiheits-Einschränkung aufrechnet – ebenso wie eine Inhaftierung, ein Faustschlag oder eine Enteignung in ihrer Gewaltwirkung deutlich belegbar sind.

Die kausale Verbindungslinie eines als "Volksverhetzung" defnierten Satzes in einem rechtsradikalen Journal beispielsweise hin zum Anzünden eines Asylbewerberheims scheint mir sehr viel weniger deutlich als die eines Gerichtsurteils hin zu einer staatlichen Inhaftierung. Hitlers "Mein Kampf" als kaum gelesene Buchpublikation dürfte kein wesentlicher Faktor für die Verbrechen des Dritten Reichs gewesen sein. Und ins politischen Handeln derer, die viel FOX News schauen, fließen viele andere Einflussfaktoren sicher kausal deutlicher ein als das bullshittige Farbenspektakel von Roger Ailes.

So lange kein deutlicher kausaler Gewaltzusammenhang aufgezeigt werden kann zwischen einem Wort und einer Untat, halte ich hier Einschränkung der Redefreiheit für vergleichbar dem Flächenbombardement einer Millionen-Stadt mit dem Ziel, möglicherweise irgendwo drei oder vier versteckte Terroristen auszuschalten.

#8

s/Harroway/Haraway/ – das passiert mir seltsamerweise immer wieder.

#9

"How to do things with words" um mal einen klassiker einzuwerfen. http://www.dwrl.utexas.edu/~davis/crs/rhe321/Austin-How-To-Do-Things.pdf

mspro /
#10

Was "Mein Kampf" angeht, würde ich vorschlagen, nochmal kurz nachzugucken: http://de.wikipedia.org/wiki/Mein_Kampf . Schon bevor die Deutschen damit zwangsweise beglückt wurden, war es ein "vieldiskutierter Bestseller". "Mein Kampf" ist hier aber nur Metapher, weil solche Machtkämpfe dauernd überall ausgetragen werden (auch bei dir fällt in These 4 das Wort "bekämpfen"). Kommunikation IST Handlung, in den allermeisten, nicht in den wenigsten Fällen. Dazu braucht es weder Kausalität noch wist ein Wort weniger Tat, weil es wirkkungslos verpufft. Allerdings rechtfertigt der Handlungscharkteres des Redens und Meines logischerweise auch kein Flächenbombardement der Äußerungsfreiheit, denn wer die Redefreiheit einschränkt, schränkt auch die Handlungsfreiheit ein (was auch der wichtigere Punkt ist, warum Redefreiheit gewährleistet sein muss). Mir geht es nur darum, dass die Problematik nicht falsch gezeichnet wird á la "Worte sind doch harmlos und tun nicht wirklich weh". Abgesehen davon, dass sie enorm weh tun können (bspw. tun Kindern das tägliche Demütigngsbombradement durch Eltern oft mehr als Schläge), sind sie tief verbunden mit Machtpraxis. Für die Redefreiheit, die ja etwas anderes ist als die Meinungsfreiheit, müsstest du daher dir schon die Arbeit machen, die gut begründeten Einschränkungen im Detail als überflüssig darzustellen.

Fritz /
#11

Vorwurf, du seist ein Antisemit in 3, 2, 1...

(Im Übrigen denke ich, dass ich deinen Thesen vollumfänglich zustimmen kann. Ich traue mich nur nicht - im Gegensatz zu dir - sie mit meiner bürgerlichen Identität verknüpft zu äußern.)

August H. /
#12

"Einschränkung der Redefreiheit verringert die Zahl der im Diskussionsraum frei flottierenden Thesen/Texte/Ideen"

Auch wenn ich diese Aussage als tendentiell in Richtung "richtig" sehen würde, ist sie meiner Meinung nach nicht unter allen Umständen wahr.
Die Verfechter einer Redner-Frauenquote sind vermutlich der Meinung, dass dadurch neue Ideen und Sichtweisen ins Spiel kommen. Das hieße: Einschränkung der Redefreiheit führt zu mehr Ideen. Es gibt eine Studie, die aussagt, dass Fox-Zuschauer dümmer sind als Leute, die keine Nachrichten konsumieren. Hier gibt es sicherlich mehrere mögliche Erklärungsansätze, aber eine wäre: mehr Redefreiheit führt zu weniger Ideen. Oder nehmen wir diese Studie über Beeinflussbarkeit: http://www.mpg.de/4611532/gruppenzwang_vorschulalter Hier ist es ganz offensichtlich so, dass die Redefreiheit die Zahl der Ideen eingeschränkt hat.

xbg /
#13

@mspro: Thx, aber tl;dr.

@Fritz:

Alles in der Kultur ist Teil von Macht-Konstellationen, auch Sprache, keine Widerrede. Aber es ist eben auch eine banale Feststellung, wenn es darum geht, Macht-Verhältnisse untereinander abzuwägen. Um Verbote zu legitimieren, braucht es IMHO schon präzisere Argumente als "auch das hat etwas mit Macht zu tun", sondern beispielsweise konkretes Aufzeigen von schädigenden Wirkungsstärken – das fällt bei Gewaltformen wie FaustSchlägen, Enteignungen und Inhaftierungen leicht und lässt sich da auch leicht legitimieren. Wenn bei beschuldigten Sprach-Formen eine vergleichbar deutliche Überführung nicht gelingt, votiere ich im Zweifel für den Angeklagten.

Was meinst du mit den "guten Begründungen" von Einschränkungen? Beispiel?

Dass "Mein Kampf" kaum gelesen wurde, muss ich nach Lektüre des Wikipedia-Artikels revidieren; der Wirkzusammenhang einer breiten Lektüre zu den Untaten des Dritten Reichs wird dort aber trotzdem nicht näher beleuchtet. "Propaganda made me do it" ist eine nicht sehr teure Ausrede.

@xbg:

Ich halte es für plausibel, dass es toxische Redeweisen gibt, die für sich RaumDominanz in einer Weise einfordern, dass andere Stimmen rausgemobbt werden. Insofern, ja, kann es wohl zu einer Reduzierung der Ideen-Vielfalt in einem Raum kommen, wenn bestimmten Ideen darin größte Entfaltung gewährt wird. Man stelle sich etwa eine Ideologie vor, die das Äußern von Zweifeln oder Alternativ-Denkweisen als verbrecherisch einsortiert und infolge ihre Auslöschung fordert.

Wie solche anti-toleranten Meme also eindämmen? Mit Zensur? Scheint naheliegender Lösungs-Ansatz. Ich halte aber Ermächtigung von Zensur für ebenso toxisch. Intoleranz mit Intoleranz bekämpfen ist Feuer gegen Feuer; zuweilen und unter strenger Kontrolle vielleicht notwendig/ergiebig, sollte aber nur mit äußerster Selbstdisziplin des Zensors und Bewusstsein um die Gefährlichkeit des Mittels ausgeführt werden – in dem Fall der Gefahr, das Prinzip "Intoleranz" an sich zu legitimieren, gegen das man eigentlich vorgehen will; oder das Prinzip der Einengung dessen, was gesagt werden kann, obwohl man doch gerade dafür kämpft, das möglichst viel gesagt werden kann.

Es gibt auch andere Mittel der Bekämpfung toxischer Gedanken, die der RedeFreiheit sehr viel weniger gefährlich werden – die GegenRede, die argumentative Dekonstruktion, das Lächerlich-Machen, das Schrauben an den Umständen.
Zensur sollte, wenn überhaupt, strengstens kontrollierte allerletztes Mittel nach Ausschöpfung der übrigen bleiben.

#14

Es ist aus "guten Gründen" verboten, z.B. aufzufordern, irgendwen zu ermorden. Generell können also die allgemeinen Strafgesetze die Meinungsfreiheit einschränken. Es gibt andere Fälle von Einschränkungen, die sinnvoll erscheinen, zum Beispiel ist es nicht erlaubt, auf irgendeine Cola mit Vitamin C draufzuschreiben, dies sei ein Mittel zur Vorbeugung gegen Krebs. Neben vielen werblchen Aussagen betreffen solche Fälle "Tatsachenbehauptungen" (etwas wird als Tatsache hingestellt), die eben nur verbreitet werden dürfen, sofern sie nachprüfbar richtig sind. Letztlich gehen die Schranken immer von einem Schaden aus, der durch eine Äußerung mit hoher Wahrscheinlchkeit eintreten kann. Ein typischer Fall, wo "Meinungsäußerung" wegen des möglichen Schadens begrenzt ist, ist auch das "Mobbing". Hinzukommt das weite Feld der Diskriminierungen, die ja nicht immer in der leicht durchschaubaren Form der "Volksverhetzung" daherkommen. Verfassungsrechtler haben dazu - wie ich finde - ganz richtig gesagt, dass solche Einschränkungen niemals dazu führen dürfen, das Grundrecht als solches einzukassieren. Es geht also nur um Facetten, um Grenzfälle. Dabei ist in meinen Augen durchaus denkbar, dass sich die Gesellschaft weiterentwickelt und nicht mehr alles so schwer nimmt wie früher. Die "Beamtenbeleidigung" ist als Sonderrecht schon fast ganz abgeschafft. Wikipedia nennt noch als Ausnahmeschranke der Meinungsfreiheit "die übermäßige Kritik an eigenen oder ausländischen höchsten Staatsvertretern wie Staatsoberhaupt, Gerichten oder manchmal selbst einfachen Beamten" - das ist der Geist der 50er Jahre. Auch die Ausnahme der "Beleidigungen" könnte neu interpretiert werden, z.B. könnte man Beleidigungen von Oben nach Unten (Chef gegen Mitarbeiter) verbieten umgekehrt aber erlauben. In der Praxis ist es heute eher so, dass der Chef real beinahe ein Beleidigungsprivileg genießt, während Mitarbeiter sich tunlichst aller aggressiven Äußerungen enthalten müssen, weil der Chef selbst Beleidigungen gegen sich mit Abmahnung oder Kündigungen sanktionieren kann, ganz ohne Verfahren. Generell sollte also längst nicht mehr jede öffentliche Beledigung strafbar sein, sondern wiederum höchstens die folgenreiche Beleidgung, z.B. wenn ein gewisser Reputationssschaden entstanden ist. (Übrigens soll ausgerechnet Adolf mal geäußert haben, Beleidigungen sollten frühestens 2 Tage nach dem Vorfall zur Anzeige gebracht werden dürfen, denn in den meisten Fällen hätte sich dann der Rauch schon wieder gelegt. Findet sich irgendwo in Göbbels Tagebüchern, glaube ich.)
Der Wirkungszusammenhang zwischen Worten und Taten ist immer lose. Einen "sicheren Beweis" zu verlangen ist ja immer ein beliebter rhetorischer Trick. "Keinen Beweis" zu haben beweist aber umgekehrt auch nichts. Wenn z.B. eine Todesstrafen-Fatwa ausgesprochen wird, kann ja sein, das der Betroffene sich verbergen kann, trotzdem wird er fortwährend Angst haben. Da muss er auch nicht mehr "beweisen", dass die Angst zurecht besteht und nur auf die Fatwa zurückgeht. Wird dir nicht passen, aber man hat hier eben auch mit Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten zu tun. Je gravierender die Möglichkeit eines Schadens ist, desto eher kann eine Schranke in Betracht gezogen werden.

Fritz /

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