Buch von Oliver Schott: "Lob der offenen Beziehung. Über Liebe, Sex, Vernunft und Glück".
Lektüre-Notizen:
- "Vorwort":
- Problem: Monogamie wird als Default/"Naturzustand" akzeptiert. Oftmals entscheidet man sich nicht bewusst für Monogamie, denn Alternativen stehen gar nicht zur Diskussion.
- Problem: Als Default beansprucht Monogamie Deutungshoheit über andere Beziehungsformen. Offene Beziehungen nur denkbar als reduzierte Form geschlossener. Votum, Offenheit/Exklusivität einer Beziehung unabhängig etwa von ihrer Verbindlichkeit zu denken.
- Schott möchte alternative Perspektive auf offene Beziehungen entwickeln, die nicht -- ob nun als Bestätigung oder Dagegensein -- allein in Positionsbestimmung zur monogamen Beziehung aufgeht.
- Schott verspricht weniger praktische Beziehungstipps, mehr Denk-Arbeit über Beziehungen. Denken und Fühlen sind kein Gegensatzpaar, sie bedingen einander.
- "Nie dagewesene Freiheiten":
- "Zweierlei Maß: Monogamie als Norm":
- Monogamie als Default beansprucht Naturzustand und das intuitiv Richtige; daher muss sie sich auch nicht rechtfertigen; jedes Scheitern einer monogamen Beziehung liegt nicht am Ansatz der Monogamie, sondern daran, dass ihre Ausüber das Natürliche falsch ausgeübt / nicht füreinander geschaffen waren.
- Demgegenüber kann die Nicht-Monogamie nur noch als das Unnatürliche, das Experiment, das nur aus intellektuellem Über-die-Stränge-Schlagen Sinnige erscheinen. Wo eine nicht-monogame Beziehung scheitert, liegt das dann offenkundig am Konzept der Nicht-Monogamie selbst.
- Dieser Default der Monogamie ist aber natürlich nicht natürlich, sondern vermittelt durch Erziehung, Kulturindustrie & Co.
- Schott votiert für ein bewussteres Nachdenken und Entscheiden der eigenen Beziehungsform. Er spricht der Monogamie das Recht auf ihre Natürlichkeit ab: Mache dir bewusst, dass deine Monogamie eine Entscheidung ist, die nicht weniger Rechtfertigungsbedarf hat als ein nicht-monogames "Experiment".
- Interessante Privatheits-Logik: Was der Norm entspricht und scheitert, ist ein privates Problem, das die Norm nicht in Frage gestellt. Was der Norm widerspricht und scheitert, ist kein bloßes privates Problem, sondern stellt die Abweichung von der Norm in Frage.
- "Vernunft und Gefühl":
- Motivationstheorie: Der behauptete Gegensatz zwischen Gefühls- und Vernunftsmensch ist konstruiert aus einem zu engen Verständnis von Vernunfts- und einem zu naiven von Gefühls-Geleitetheit. In Wirklichkeit sind die beiden motivationstechnisch stets miteinander eng verwoben. Gefühle sind als Motivation selten blind, sondern oft gedanklich untereinander hierarchisiert und gewertet: Wir behandeln sie rational. Vernunft zugleich ist eben nicht nur ökonomisches Kalkül, sondern auch das, was uns die Frage stellen lässt, ob uns etwas glücklich macht oder nicht; die Suche nach Gründen, Störfaktoren, Verwirklichbarkeiten unserer Sehnsüchte.
- Welchen Gefühlen wir welche Macht zuerkennen, hat nichts mit irgendeiner in diesen enthaltenen "Authentizität" oder "Wahrheit" zu tun, sondern damit, inwieweit sie mit unseren individuellen und gesellschaftlichen Normen vereinbar sind. Wir lernen Verachtung bestimmter Gefühle (rassistisch-sexistischer Ekel zum Beispiel) und Lobpreisung anderer (Liebe). Eine solche Norm ist auch die Monogamie und die Romantisierung der Eifersucht.
- Selbstdisziplin ist nicht die Ausschaltung der eigenen Wünsche, sondern deren Bewusstwerdung / Emanzipation gegenüber von Außen (Gesellschaft und blinder Trieb) herangetragenen Drücken. (Tendenz Stoizismus!)
- "Einige Bemerkungen zum Problem der Eifersucht":
- In einer offenen Beziehung gibt es höchstens berechtigte Verlustangst, aber keine berechtigte Eifersucht. Die erzieht man sich durch die Erfahrung ab, dass der Verkehr mit Dritten keine Bedrohung der eigenen Beziehung bedeutet. (Das erscheint mir eine etwas sehr einfache Logik, setzt eine gewisse Perfektion in der ethischen Erziehung zur offenen Beziehung voraus und übersieht, dass die Begrenzung bestimmter Ressourcen ja durchaus Verlustangst bei Willen zu deren breiterer Verteilung begründet.)
- Monogamie ist ein Coping-Mechanismus für Eifersucht: ihr nachgeben. Das wäre aber nur dann eine Rechtfertigung der Monogamie-Autorität, wenn es keine Alternativen gäbe (und die gebe es) und alle Menschen eifersüchtig wären (es gebe durchaus auch eifersuchtslose).
- "Wie man Regeln als Tatsachen tarnt":
- Das zirkuläre Argument der Monogamie: Wahre Liebe ist monogam, denn wahre Liebe ist eifersüchtig und ausschließlich. Warum ist sie das? Weil das die Regeln der Monogamie vorschreiben.
- Was wir heute in vergangenen Normen an Absurditäten finden, wie etwa eine breit akzeptierte Unnatürlichkeit der Homosexualität, das würden wir nach Reflektion auch in heutigen Normen wie etwa der Monogamie finden.
- "Historische Zwischenstation Monogamie":
- "Rätselhafte Verbote I: Sex, Sex, Sex":
- "Halbierte Monogamie: sexuell offene Beziehungen":
- Sympathie und Verständnis für Lösungen eingeschränkten Sex-Fremdgehens (Swinging, "Don't ask, don't tell"), aber vor allem in ihrer Rolle als Zwischen-Stationen auf der Strecke zur wahren Lösung reiner Lehre: der offenen Beziehung.
- "Rätselhafte Verbote II: das Liebesmonopol":
- Für Schott ist Liebe etwas, das mit die Selbsterfüllung des Anderen beschneidenden Exklusivitätsverträgen genauso inkompatibel ist wie mit Konkurrenz und Status-Veranschlagungen. (Schulterzucken: Definiere sich das halt jeder so, wie er es schön findet! Mal schauen, ob noch eine Fundamentierung dieses Liebesbegriffs kommt.)
- Konsequent lehnt er nicht nur die Ansprüche radikaler oder serieller Monogamie ab, sondern auch Beziehungshierarchisierungen zwischen Haupt- und Neben-Beziehungen, wie sie in der Polyamorie-Welt gern gepflegt werden. Natürlich gelte es gelegentlich aufgrund knapper Raum-Zeit-Ressourcen diskriminierende Entscheidungen zu treffen (mit wem wohne ich? bei wem verbringe ich Wochenende x?); aber deshalb braucht man doch nicht gleich eine Beziehungsvielfalt auf eine begriffliche Hierarchisierung "A ist mir wichtiger als B" runterzuabstrahieren, das bringt doch wieder all den problematischen Ballast mit sich.
- "Einige Bemerkungen zu Polyamorie":
- "Alle reden von Liebe":