Buch von Benjamin W. Fortson IV, 2004/2008: "Indo-European Language and Culture. An Introduction".
Lektüre-Notizen:
- Vorwörter:
- Es ist ein "textbook", also ein LehrBuch für den angehenden Studenten des Themas (kann auch AutoDiktakt sein). Insofern Meidung kontroverser Positionen.
- "Introduction: The Comparative Method and the Indo-European Family":
- "The Study of Language Relationships and the Comparative Method":
- Ähnlichkeiten zwischen Wörtern über Sprachen hinweg entstammen:
- Zufall. Wo es nur endliche LautMengen und KombinationsMöglichkeiten derselben gibt, kommt es zwangsläufig zu Wiederholungen.
- "Borrowings"/Lehnwörter. Eine Sprache kommt in Kontakt mit einer anderen und übernimmt Wörter aus dieser.
- Sprach-Universalien. Lautmalerei kann zum Beispiel unabhängig in verschiedensten Sprachen zu einem ähnlichen Ergebnis führen.
- Die Sprachen sind genetisch verwandt, d.h. haben gemeinsame Vorfahren / sind TochterSprachen derselben "Proto-Sprache". Die herauszufinden ist Ziel der "komparativen Methode" der Vergleichenden SprachWissenschaft.
- SprachVerwandtschaftsForscher sammeln unter zu vergleichenden Sprachen in Form und Bedeutung ähnliche Wörter, die ihnen als "Kognate", Wörter gemeinsamen Ursprungs erscheinen; fassen sie in "Korrespondenz-Sets" zusammen und versuchen, darin Ähnlichkeits-Muster gegen Aspekte, die in den verglichenen Sprachen unterschiedlich sind, zu isolieren – um gemeinsame UrWörter zu rekonstruieren.
- Indizien genetischer Wörter-Verwandtschaft? Ausschließbarkeit von Lehnwörterei (unwahrscheinlich bei ursprünglichen Begriffen (z.B. für Zahlen, Körperteile), die keine Imports brauchen), Zufall (viele Ähnlichkeiten über große Korrespondenz-Sets hinweg) und Universalien (Prinzip der "Beliebigkeit linguistischer Zeichen": die Form des Worts sei ohne Bezug zu dem, was es bezeichne).
- Weitere wichtige Indizien sind die Regelmäßigkeit der Unterschiede zwischen den Sprachen in den Korrespondenz-Sets, z.B. wenn ein "d" in den Wörtern von Sprache A stets anstelle eines "t" der korrespondierenden Wörter in Sprache B steht. Oder dass BeugungsFormen hier wie da ähnliche Unregelmäßigkeiten aufweisen.
- Rekonstruierte (statt überlieferte) Wörter werden zur Kennzeichnung ihrer spekulativen Natur mit einem vorangestellten Sternchen (*) geschrieben.
- Sprachen unterliegen ständigem Wandel. Differenziert sich ihr Wandel entlang verschiedener SprecherGruppen aus, entstehen in den einzelnen SprecherGruppen dann separate Dialekte, und in späterer Konsequenz separate Sprachen. Arten des SprachWandels:
- KlangWandel. Ein bestimmter Laut bzw. eine bestimmte LautKombination verändert sich in allen Wörtern (z.B. wird aus jedem "e" ein "i", oder aus jedem "e" zwischen zwei Konsonanten, usw.). (Hypothese der JungGrammatiker.)
- Morphologischer Wandel. Morpheme sind die kleinsten Bedeutungs-tragenden Klang-Einheiten und bilden einzelne Wörter oder bestandteile von Wörtern. Die Morphologie beschreibt die Regeln, nach denen Morpheme zu Wörtern kombiniert werden (z.B. durchs Anhängen eines Morphems einer Sorte an eins einer anderen, vorne oder hinten). Morphologischer Wandel ist Wandel dieser Regeln.
- Lexikalischer Wandel. Das Lexikon einer Sprache ist das Verzeichnis ihrer Morpheme und Wörter im Einzelnen. Wandel, der einzelne Morpheme oder Wörter betrifft, ist lexikalischer Wandel. UnterForm: Semantischer Wandel. Semantik von Wörtern bezeichnet ihre Bedeutung. Ein Wort könnte in seiner äußeren Form gleich bleiben, aber trotzdem semantischem Wandel unterliegen.
- Wandel der Syntax. Die bezeichnet die Regeln, nach denen Wörter zu Sätzen angeordnet werden. "Syntax" nicht verwechseln mit "Grammatik": Die bezeichnet viel allgemeiner einfach die Gesamtheit der Regeln / Prinzipien, nach denen eine Sprache funktioniert.
- Aussprache toter Sprachen wird rekonstruiert entlang überlieferter sprachanalytischer Beschreibungen, der Darstellung von Lehnwörtern aus ihnen in anderen Sprachen mit bekannter Aussprache bzw. umgekehrt, häufiger Schreibfehlern, der Sortierung ihrer Wörter in überlieferter Lyrik entlang bekannter Metrik – und schließlich über ihre TochterSprachen und des Wissens um deren LautWandel.
- Morphologie und syntaktische Regeln toter Sprachen werden vor allem entlang überlieferter Texte mit Hilfe der genauen Analyse dieser Texte und ihrer Bedeutungen und des Vergleichs verschiedener ihrer Varianten gelöst, also mit Hilfe der Philologie.
- "Indo-European Historical Linguistics":
- Schon die Römer hielten Latein für einen Nachfahren des Griechischen, und schon in der frühen Neuzeit spekulierte man über offensichtliche Verwandtschaften diverser europäischer Sprachen. 1786 kriegt Sir William Jones aber beim Blick auf Sanskrit einen GeistesBlitz und postuliert eine Proto-Sprache für alles von Sanskrit über Latein und Griechisch bis zu Persisch und Germanisch.
- Im 19. Jahrhundert entwickelt sich dann die Komparative Linguistik, der Begriff Indo-European bzw. Indo-Germanisch, und Anfang des 20. Jahrhunderts ist die IndoGermanische UrSprache mitsamt ihren noch sehr reichhaltigen SprachFamilien im Wesentlichen durchskizziert. Ein paar neue alte Sprachen werden noch entdeckt und schieben Teile des StammBaums hin und her.
- Seitdem gab es noch Versuche, das IndoGermanische mit anderen SprachFamilien auf gemeinsame UrFamilien zurückzuführen. Am Meisten ZugKraft hat die Nostratische Hypothese, die eine GroßFamilie u.a. mit Arabisch, Finnisch und Tamil aufmacht. Die Methoden sind aber sehr wackelig, die Ergebnisse vage, Daten über diese UrZeit spärlich; insofern ist die Gemeinde sehr skeptisch.
- Wir kennen Hunderte weiterer SprachFamilien, und als vor sechs- bis achttausend Jahren die IndoGermanische UrSprache eine Einheit bildete, gab es sicher Hunderte anderer Sprachen um sie rum auf dem Globus.
- Gegenüber der UrSprache gibt es in vielen ihrer TochterSprachen bzw. TochterSprachFamilien Innovationen, die sich teils am Besten erklären lassen durch Verschmelzung mit bei der Diffusion in verschiedene Teile Eurasiens vorgefundenen anderen Sprachen. Diese Sprachen, die sich in speziellem Vokabular und vielleicht auch grammatischen Besonderheiten niederschlagen, heißen "Substrat-Sprachen".
- "Conclusion":
- Zwei Schwierigkeiten in der Rekonstruktion toter Sprachen: Erstens sind meist nur schriftliche Texte ganz bestimmter, offiziöser, religiöser, hochsprachlicher Natur überliefert; spärliche Daten über die Sprache der Straße. Zweitens sind die SchreibSysteme unterscheidlich hilfreich; oft lassen sich ganze LautKlassen (z.B. Vokale) aus ihnen gar nicht herauslesen.
- Es liegt in der Natur der Sache, dass es weiterhin und wohl auch dauerhaft viele Lücken in den Modellierungen der toten Sprachen bis zurück zur IndoGermanischen UrSprache gibt. Es gibt aber auch immer wieder neue ergiebige Ansätze. Beispielhaft wird die "Generative Linguistik" Noam Chomskys ab den 1950ern/60ern genannt, die auch in der IndoGermanistik manches revolutioniert habe.
- "Proto-Indo-European Culture and Anthropology":
- "Introduction":
- Historische Linguistik als Verfahren, kulturelle Entwicklungen und ihre VerbreitungsWege über die Sprache hinaus zu erforschen. Dass Kulturen gemeinsame Proto-Sprachen haben, legt auch nahe, dass andere zwischen ihnen ähnliche kulturelle Praktiken gemeinsame Vorfahren haben. Noch stärkeres Indiz ist, wenn solche Praktiken hier wie da mit Wörtern desselben Vorgängers bezeichnet werden.
- "Society":
- Rekonstruieren lässt sich eine ur-indogermanische GesellschaftsHierarchisierung zwischen Freien und UnFreien (Sklaven qua Schuld oder niedergeworfene feindliche Krieger), mit weiterer UnterGliederung der Freien in eine OberSchicht aus Königen, Kriegern und Priestern (und vielleicht Dichtern) und einer UnterSchicht des gemeinen Volks. Außerdem: Männer standen über den Frauen.
- George Dumezil vermutet ein ur-indogermanisches System der Gliederung der Menschen entlang dreier Funktionen: eine königlich-priesterliche Kaste, eine Krieger-Kaste, und eine Kaste der Handwerker und Hirten; gespiegelt vor allem im indischen KastenSystem (mit einer vierten Kaste unterworfener Völker) und "ideologisch" in indogermanischen Sagen, religiösen Praktiken usw.
- Verwandtschaft war über männliche BlutsLinien bestimmt (reiches Vokabular a la "Neffe zweiten Grades des Vaters", nichts davon für weibliche Linien), Frauen heirateten in (bzw. zogen bei) Familie des Mannes ein statt umgekehrt; Bräutigams-Familie zahlte der Braut-Familie BrautGeld. PflegeElternschaft war verbreitet; PflegeEltern kamen vom mütterlichen Zweig (Bruder der Mutter: PflegeOnkel).
- Neben ihrer Klasse/Kaste wurde gruppiert nach Familien/Klans, und im weiteren Sinn gab es wohl mindestens auch ein darüber hinausgehendes Konzept von Stamm oder Volk. Drei Hierarchie-Stufen für FührerBezeichnungen bis zum König wurden identifiziert. Junge Männer / männliche Jugendliche waren möglicherweise in kriegerischen Banden oder "Männerbünden" organisiert.
- Große Rolle von Reziprozitäten wie z.B. Tausch: X beansprucht Y, geht damit später gleich-wertig zu begleichende Schuld ein. Wörter für "Vertrauen" haben starke Verwandtschaften. Wörter für "geben" und "nehmen" pflanzen sich austauschbar fort, bezeichneten also eher selbe statt getrennte Handlungen. Streng geachtete Regeln für GastFreundschaft (deren Bruch beliebtes Motiv bei Homer).
- Eigentum wurde ausdifferenziert in unbeweglich und beweglich (= belebt?), letzteres in vierbeinig und zweibeinig (menschlich). Von den Römern bis zum indo-iranischen Raum wurde Eigentum klassifiziert nach Groß- und Kleinvieh, Menschen und Land, mit Land am oberen Ende und KleinVieh am unteren einer Wertigkeits-Skala.
- RechtsVokabular sollte recht stabil sein, denn hier ist WortTreue besonders wichtig. IndoGermanistische Ausbeute derartigen Vokabulars ist aber eher dünn. Eine UrInstitution war wohl die Haftung des Patriarchen für Schäden, die seine Söhne oder Sklaven verursachen. Eine andere die der Zeugenschaft. Öffentliche RechtsDurchsetzung gab es kaum; vielleicht konnte man vorm König klagen.
- "Religion, Ritual, and Myth":
- Aus indogermanischen Gemeinsamkeiten schließbar: Ur-Polytheismus. Bezeichnungen für den niederen Menschen betonen seine Eigenschaften als "dem Boden, der Erde zugehörig" und "sterblich", also galten die Götter als Himmels-nah und unsterblich. Allgemeines Gottwort ableitbar vom Wort für "strahlen" ("shine"): vedisch "devas", lateinisch "deus" (griechisch "theos" hat andere Herleitung).
- An der Spitze des Pantheons steht "Vater Himmel" (vedisch "dyaus pitar", griechisch "Zeu pater", lateinisch "Iu-piter") (das "Vater" im Sinne von "HaushaltsKopf" wie in "pater familias", nicht unbedingt fortpflanzungstechnisch gemeint). Davon abgeleitet der germanische Kriegsgott "Tyr", dessen Name sich noch heute im englischen "Tues-day" niederschlägt.
- Dann der SonnenGott. Durchquert Himmel mit einem Streitwagen; gezogen von Pferden, die oft assoziiert oder gleichgesetzt sind einem Paar jugendlicher göttlicher Zwillinge, die direkt vom Vater Himmel abstammen. In west-indogermanischen Erzählungen lassen sich SonnenGott und Kollegen am TagesEnde auf einer Insel im WestMeer nieder. Sie hat einen ApfelGarten und gilt manchmal als TodesReich.
- Dann der Gott von Donner und Blitz (bekannteste Inkarnation: "Thor"). Er trägt einen Hammer oder ähnliches Gerät, dessen Name mit dem Wort für "Blitz" zusammenhängt. Sein Schlag ist zerstörerisch wie fruchtbar, denn er zieht den belebenden Regen nach sich. Viele Erzählungen handeln von Blitzen, die Natur, vor allem die Eiche, schwängern.
- Dann die weibliche Göttin Dämmerung: vedisch "Usas", griechisch "Eos", lateinisch "Aurora"; auch: "Tochter des Himmels".
- Dann ein Gott von Feuer und Wasser. Im Indo-Iranischen: "Sohn …" oder "Neffe der Wasser", der paradox als Feuer-Wesen im Wasser lebt. Vedisch "Apam Napat", lateinisch "Neptun" (befreit von der Feuer-Assoziation), beides abgeleitet vom ur-indogermanischen Begriff für "Sohn" oder "Neffe".
- Rekonstruierbar ist eine HimmelsRichtungenLehre, die sich aufgeladen mit Tages-Ablaufs-Assoziationen am Osten ausrichtete wie wir heute am Norden (das Wort "Dämmerung" war gleich dem für "Osten", das Wort für Süden war gleich dem für "rechts", das Wort für "Westen" gleich dem für "Abend").
- Ur-IndoGermanisch konnte Feuer wie Wasser je sowohl als belebt wie als unbelebt gendern. Dazu passend verbreitete Feuer-Verehrung. Bekannt vor allem von den Zoroastrern, deutlich aber auch im vedischen Raum, und Ähnlichkeiten in kultischen Details auch bei den Römern.
- Verbreitet ein Ritual zur König(innen)weihung, das Opferung eines Pferdes, rituelle Kopulation mit diesem und Verteilung seiner KörperReste umfasst. Findet sich in der einen oder anderen Form bei den Römern, den alten Iren und Indern. Bei Römern wie Indern: Es muss das rechte Pferd unter einem Joch sein. Problem hier wie beim SonnenGott-StreitWagen: Technologie zu spät für gemeinsame UrWurzel.
- Ähnliche Übergang-ins-Jenseits-Erzählungen: Wanderung des Verstorbenen führt ihn an ein Wasser, zu überqueren mit Hilfe eines FährManns. Hinterbliebene müssen des Verstorbenen Pfad unterstützen mit Grab-Beigaben, Opfern und Gebeten. Hunde am Eingang des TotenReichs selektieren jene, die um Einlass bitten. TotenReich evtl. eine Wiese; seine Gewässer spenden Vergessen oder Weisheit.
- Zauberei mit Hilfe von Sprüchen, Flüchen und (wahrscheinlich aus dem Nahen Osten importieren) Tafeln zu deren Niederschrift. Anrufungen und Zaubersprüche galten neben Chirurgie und Einsatz von Kräutern/Drogen als eine der drei Methoden der Medizin.
- Mythen gemeinsamen Ursprungs lassen sich neben inhaltlichen Ähnlichkeiten durch Beibehaltung bestimmter Phrasen identifizieren. So gibt es einen vedischen FeuerDiebstahls-Mythos, der den FeuerDiebstahl mit dem Verb "pra math" beschreibt, in der selben Etymologie wie der griechische Prometheus.
- Ähnlich die Vokabel, die in Mythen zur Tötung eines Drachens oder einer Schlange kreisen: ein erhabeneres als gewöhnliches "Töten", das ein Monstrum betrifft und die Welt-Ordnung erschüttert. (Meistens zur Freisetzung einer vom Monstrum gehüteten wertvollen Ressource. Vergleiche Tolkien. Oft muss der DrachenTöter nach erstem Fehl-Anlauf eine Droge nehmen für Erfolg beim zweiten Mal.)
- Ähnlich "Zwiling" als Bezeichnung des UrWesens, das getötet und in Bestandteile der ihm nachfolgenden Welt/SozialOrdnung/Stadt zerstückelt wird. (Der zur Schöpfungs-Materie zerlegte UrRiese ist Universalie wie die ebenso hier und da bei IndoGermanen auffindbare Erd-Göttin; Spezifika sind es nicht.) Oft erschlagen vom Bruder. Findet sich im nordischen Ymir wie in der Sage von Romulus und Remus.
- Mythische Tiere: Ziegen ziehen die StreitWagen mancher Götter. Ein Kranich verschlingt ein feindliches Volk. Krähen und Raben haben seherische Fähigkeiten und beraten die Götter. Der Wolf war Symbol von Tod und Gesetzlosen; "einen Wolf sehen" bezeichnete verschiedene Arten der AußerGefechtSetzung. Nennungen von Wolf wie Bär waren tabuisiert, führten zu Wort-Deformationen oder Synonymen.
- Dumezils "Trifunktionalismus" wird gern auf indogermanische Mythen und Pantheons angewandt: FruchtbarkeitsGott-KriegsGott-OberGott usw. Tatsächlich sind die Interpretierten aber oft funktional komplex und freizügig interpretierbar/sortierbar. Ebenso wird das trifunktionale Raster gern beliebig gedehnt. Evtl. ist die Dreiteilung gar nicht spezifisch indogermanisch, sondern Universalie.
- "Poetics":
- Wichtiges indogermanisches Konzept: Unsterblichkeit durch Ruhm. Phrase "Unsterblicher Ruhm" kehrt oft in vielen Zweigen wieder. Wichtig v.a. für KriegerKlasse, die Ruhm und damit Unsterblichkeit auf dem SchlachtFeld fand, unter Einsatz ihres Lebens. Umgesetzt wurde der Ruhm durch die Poeten. Deren gesellschaftliche Rolle war wichtig, ihre Bezahlung durch Gönner hoch, ihr Satire gefürchtet.
- Die Poesie war "oral-formulaisch": mündlich rezitiert und variiert unter Erinnerbarkeits-Zuhilfnahme und Variation eines stabilen Repertoires bekannter Phrasen. So wurde die Ilias nie identisch vorgetragen. Diese Phrasen wurden spielerisch verwandelt, erkennbar nachgeahmt, kunstvoll verkompliziert, zur Anrufung von Assoziationen ihres üblichen VerwendungsKontextes referenziert usw.
- Eine bedeutende Art der Metrik, die quantitativ-rhythmische:
- Gedichte gruppiert in Strophen/"stanzas" von je drei oder vier längeren oder kürzeren Zeilen.
- Die kürzeren Zeilen sieben bis acht Silben, die längeren zehn bis zwölf, mit einem inneren Bruch/"Zäsur" um Silbe fünf rum.
- Es gibt leichte (enden auf kurzen Vokal) und schwere (alle anderen) Silben. Deren Verteilung wird zum Ende der Zeile immer weniger beliebig, sondern mündet in einer "Kadenz", der Gleich-Verteilung leichter und schwerer Silben an jedem Zeilen-Ende. Nur die Schwere der letzten Silbe ist dann wieder egal.
- Eine andere bedeutende Art der Metrik, die "strophische":
- Eher kurze Zeilen, ohne fixe Silben-Mengen oder Schweren-Muster. Stattdessen: Wiederholung phonetischer und grammatischer Formen.
- Benachbarte Silben enthalten gleiche Klänge (siehe Alliterationen, Reime).
- Die selbe Formulierung wird wiederholt, wortwörtlich oder in Syntax/Satzbau.
- Einsatz von "Merismen": Eine Sache wird bezeichnet durch Nennung mehrerer ihrer Bestandteile, oder durch mehrere synonyme Bezeichnungen.
- Natürlich treten beide Metriken auch vermischt miteinander auf.
- Indo-germanische Poesie folgt sehr oft dem "Behaghelschen Gesetz der wachsenden Glieder": In einer Reihe mehrerer gleichwertiger Satzglieder steht am Ende ein längstes und ausgeschmücktestes, z.B. in einer Liste mehrerer Dinge am Ende eines, das im Gegensatz zu den anderen noch in Zusatz-Wörtern Attribute zugeordnet bekommt.
- "Personal Names":
- NamensGebung war bedeutender Akt; selbe Phrase für den Vorgang durchzieht indische bis römische, griechische bis germanische Kulturen und ist dort stets umgarnt von Ritualen, die sich darin ähneln, dass das Kind am achten bis zehnten Tag nach Geburt und nach Badung der Mutter benannt werden müsse. Name und Ruhm waren verbunden; überall finden sich feste Kombinationen der Wörter für beides.
- Namen oft kombiniert aus zwei Begriffen, aus Repertoire der indogermanischen Kultur wichtiger Konzepte: Themisto-kles (Gesetz, Ruhm), Gott-fried (Gott, Frieden), Catu-rix (Schlacht, König), Fer-gus (Held, Stärke), Rji-sva (flink, Hund). Vater-Sohn-Beziehung ausdrückbar durch Beibehaltung eines Bestandteils (Dino-krates, Dino-kles). Abkürzbarkeit zu Spitznamen (Kuntibhojas zu Kuntis).
- "Archaeology and the PIE Homeland Question":
- IndoGermanisten bewegt die Frage, welchen archäologisch belegten UrKulturen wohl proto-indogermanische seien. Problem: Verbreitung von Sprache mit Verbreitung von kulturellen Artefakten, handwerklichen Verfahren usw. nicht unbedingt deckungsgleich. Aus rekonstruierten PIE-Vokabular lassen sich nur sehr vage Schlüsse über archäologisch aufspürbare technische/künstlerische Formen ziehen.
- Vokabeln für Rad, Nabe, Achse, Joch, Wagen usw. nachvollziehbar, in sich wohl frisch abgeleitet von Wörtern wie "drehen", "Nabel", "SchulterGelenk". Nur im anatolischen Zweig, der als frühest fort-differenzierter TochterZweig gilt, fehlt Einiges davon. Daraus die Annahme, dass der anatolische Zweig vor, das restliche AstWerk nach Erfindung/Adaption dieser Technologien sich loslöste.
- Vokabular für AckerBau, ViehZucht, Textilerei; Nähen, Spinnen, Weben, Gürtel und Kamm; GetreideSorten, Pflug, Dreschen/Mahlen, HandMühlen; ViehTreiberei, RinderArten, Schaf(-sWolle), Ziege, Hund, SchweineSorten; besonders wichtig: Pferde; MilchProdukte, Butter, Käse, Quark; Met, Gärung. "Brache" im Keltisch-Slawisch-Germanischen überliefert, deutet auf dortige Einführung der BrachenWirtschaft.
- Vokabel für HäuserBau; "Tür" oft im Dual, was auf Doppel-Tür-Häuser deutet; StrohDächer üblich (Wörter hierfür und "Dach" und "bedecken" eng verwandt); große Bedeutung des "Herds".
- Es gibt gemeinsame Vokabeln für "Wein", aber die scheinen auch mit anderen z.B. semitischen SprachFamilien zu kognieren. Die Wein-Technologie ist uralt (bis zurück ins 6. Jahrtausend BC), zur zeitlichen Verortung der PIE-Kulturen lässt sich damit also gar nichts sagen.
- Das technische Vokabular deutet auf eine Kultur frühestens des mittleren 4. Jahrtausends BC hin. Wesentlich später passt auch nicht, sonst hätten (nach gegenwärtigen Theorien zur Geschwindigkeit von Sprach-Entwicklungen/-Differenzierungen) sich die Zweige nicht bis zu den ersten schriftlichen Zeugnissen im 2. Jahrtausend BC so weit voneinander fort entwickeln können.
- Das überlieferte Vokabular für Flora, Fauna und Gelände-Arten ist reichhaltig, hilft aber nicht groß; das Meiste trifft auf nahezu ganz Eurasien zu. Immerhin Tendenzen gegen tropische / allzu südliche Gefilde.
- Die stärksten archäologischen Thesen fokussieren bestimmte GrabFormen: spezifische GrabHügel/Tumuli mit reichen GrabBeigaben, die sowohl zu indogermanischen Mythen passen als auch sich bis zu besser überlieferten indo-iranischen Kulturen weiterverfolgen lassen. Diese "Kurgans" (russisches "Grabhügel") finden sich v.a. in der Steppe über Schwarzem und Kaspischem Meer.
- Marija Gimbutas theoretisierte eine kriegerisch-patriarchale proto-indogermanische Kurgan-Kultur, die einen SonnenGott verehrte und Tiere opferte und mit Pferd und Wagen in Europa einfiel, um eine dortige matrifokal-pazifistische Kultur von Göttinnen-Verehrern zu unterjochen. Die moderne Forschung sieht das alles etwas differenzierter.
- Als wahrscheinliche Kandidaten für PIE-Kulturen gelten heute die damals im Kurgan-Bereich ansässige Jamnaja-Kultur, die Sredny-Stog-Kultur als ihr Vorfahr und spezifisch für den indo-iranischen Zweig die wohl um den Aral-See aus der Jamnaja-Kultur hervorgangene Andronovo-Kultur. Die stärkste, aber trotzdem weithin abgelehnte Alternative-These zur indogermanischen Ur-Heimat: Anatolien.
- Art der Diffusion der Kurgan-Kulturen nach Europa unklar, wohl um 3000 BC rum. Mit Beginn des Christentums Europa fast ganz indogermanisiert. An prä-indogermanischen Sprachen gibt's hier heute nur noch Baskisch. Etruskisch stärkst-überlieferter antiker Fall.Das prä-baskische Aquitanisch ist nur in Namen überliefert, Minoisch nur im unentzifferten Linear A, weitere noch spärlicher.
- "Proto-Indo-European Phonology":
- "Introduction":
- Verwendete Notation ist IPA-ähnlich, aber nicht -identisch.
- "Consonants":
- Laute werden kategorisiert nach Ort ihrer Erzeugung, nach Art ihrer Erzeugung und ob die Stimmbänder dabei vibrieren (Stimmhaftigkeit).
- Laut-Rekonstruktion: Korrespondenz-Sets ist entnehmbar, dass in Sprachen A, B, C immer ein "k" steht, wo in Sprache E und F ein "g" und in Sprache H ein "h" steht. Dem Ursprung am Nächsten gilt der Laut, der am Häufigsten vorkommt und am sprachtransformatorisch Plausibelsten den anderen Fällen voran geht, statt aus diesen zu folgen (d.h. Laut A wird zwar leicht zu Laut B, aber nicht umgekehrt).
- Rekonstruierbare Stopp- oder Verschluss-Laute oder Plosive (entstehen durch Abfolge von Blockade und Durchlass des Mund-Luftdurchzugs) (ich ignoriere die inzwischen größtenteils abgelehnte "GlottalTheorie", die anstelle von "*b", "*d" und "*g" die Ejektive "*p'", "*t'" und "*k'" annahm):
- "*p", "*t", "*k", "*b", "*d", "*g": stimmlose und stimmhafte Labiale ("p"/"b"), Dentale ("t"/"d"), Velare ("k"/"g"); Aussprache wie im Englischen.
- "*bh", "*dh", "*gh": Aussprache aspiriert, d.h. die konventionellen "b"/"d"/"g" plus ein bisschen Luft-Ausstoß / Hauch. Nicht anzutreffen sind stimmlose aspirierte Stopps, also "ph", "th", "kh".
- "*k̂", "*ĝ": Palatal-Velare: Aussprache im Gegensatz zu normalen Velaren weiter hinten im Rachen, wie im Englischen "Tokyo" und "argue".
- "*kʷ", "*gʷ": Labio-Velare: Aussprache wie "k" und "g", aber mit gerundetem Mund. Im Gegensatz zu "kw" und "gw" Einzel-Laute, keine Laut-Abfolgen.
- "*ĝh", "*gʷh": Kombinationen der obigen Faktoren.
- Stimmlose Stopps ("*p", "*t", "*k", "*k̂", "*kʷ") blieben üblicherweise in den TochterSprachen erhalten; im Armenischen und Germanischen wurden sie Frikative ("f", "s", "h", das "ch" wie im deutschen "Bach") oder aspiriert ("th", "kh"); Schwund des "*p" im Keltischen und Armenischen.
- Erhalt auch der unaspirierten stimmhaften Stopps ("*b", "*d", "*g", "*ĝ", "*gʷ"), außer im Armenischen, Germanischen und Tocharischen, wo sie stimmlos wurden ("p", "t", "k", "kw").
- Aspiration stimmhafter Stopps ("*bh", "*dh", "*gh", "*ĝh", "*gʷh") schwand überall außer in indischen Sprachen.
- In centum-Sprachen fallen normale und palatale Velar-Stopps ("*k", "*k̂") zu "k" zusammen (wie "c" im lateinischen "centum", "100"). In satem-Sprachen fallen normale und labiale Velar-Stopps ("*k" und "*kʷ") zu "k" zusammen; verbliebene "*k̂"-Palatal-Stopps werden Affrikate ("ch", "ts") und ZischLaute ("s", "sch"), wie "s" in "satem" ("100") aus dem (altiranischen) Avestischen.
- An Frikativen (ReibeLauten) gab es nur den ZischLaut "*s", der vor stimmhaften Stopps zu "*z" wurde (d.h. "*-sd-" wurde zu "*-zd-"). In TochterSprachen fiel "*z" manchmal weg, allerdings unter Dehnung der vorangegangenen Silbe ("*nizdo-" wurde im Lateinischen "nīdus"). Das normale "*s" wurde in manchen Sprachen, z.B. in Griechisch und Armenisch, zu einem "h".
- An Resonanten (Konsonanten aus ununterbrochenem und reibungsfreiem Luftstrom) gab es die Liquida "*l" und "*r", die Nasale/NasenLaute "*m" und "*n" und die GleitLaute/HalbVokale "*i̯" und "*u̯". "*i̯" schwächte in TochterSprachen manchmal ab; außer im West-Germanischen wurde "*u̯" üblicherweise "f" oder "v"/"w"; im Indo-Iranischen wurde "*l" meist "r"; Rest hielt sich wacker.
- Zwischen Konsonanten, die je für sich keine Silbe bilden, oder am WortEnde nach eben solchen unsilbenhaften Konsonanten, wurden Resonante vokalhaft und bildeten so selber Silben. Schreibweise versilbter Liquida und Nasale: "*m̥", "*n̥", "*r̥", "*l̥". "*u̯" und "*i̯" wurden einfach "u" und "i".
- In den TochterSprachen wurden "*m̥", "*n̥", "*r̥", "*l̥" oft zu den Ursprungs-Resonanten plus Vokal davor oder danach ("*n̥" wurde "en" und dann "in" im Lateinischen, "*r̥" wurde "or"). Versilbte Liquida "*m̥" und "*n̥" wurden manchmal auch ganz zum Vokal, im Griechischen und Indo-Iranischen etwa zu "a".
- Das Proto-Indo-Germanische (PIE) besaß Laryngale, Laute, zu deren Aussprache es nur vage Vermutungen gibt (verbreitet: sie könnten velare Frikative gewesen sein, "h"-verwandt), deren Existenz und Auswirkungen auf NachbarLaute aber rekonstruierbar sind. Allgemein akzeptiert ist die Existenz dreier, "*h₁", "*h₂", "*h₃". Ein Laryngal ohne genaue Differenzierung wird "*H" geschrieben.
- Laryngale zwischen zwei unversilbten Konsonanten versilbten und verwandeln sich in TochterSprachen in Vokale: meist "a", "i" in Sanskrit, im Griechischen abhängig vom spezifischen Laryngal ("*h₁" wurde "e", "*h₂" "a", "*h₃" "o"). Die Regel gilt im Griechischen, Phrygischen, Armenischen auch für Laryngale am WortAnfang vor nicht-versilbten Konsonanten; andere Sprachen verloren sie dort einfach.
- Schon früh in PIE färbte "*h₂" ein benachbartes "*e" zu "a" und "*h₃" ein benachbartes "*e" zu einem "o".
- Konsonantische/unversilbte Laryngale schwanden in TochterSprachen (nur im Anatolischen ein vermuteter Nachfolge-Laut). Folgten sie ursprünglich Vokalen nach, dehnten sie diese dabei. Standen sie zwischen zwei Vokalen, resultierten Vokal-Folgen, die später zu Lang-Vokalen oder Diphthongen zusammenfielen, die dennoch metrisch als mehr gezählt wurden als gewöhnliche Lang-Vokale / Diphthonge.
- Konsonanten-Cluster traten v.a. an WortAnfängen auf, durch aufprallende Suffixe manchmal auch an WortEnden. Klanglosere Konsonanten (Plosive, Frikative) tendierten zum Anfang, klangvollere (Resonanten) zum Ende. Maximum drei Konsonanten. Meist stand ein Resonant an zweiter Stelle. Auch häufig: "*s" plus Plosiv. Keine Cluster mit "*i̯", "*n" oder Liquida ("*l", "*r") am Anfang.
- Thorn-Cluster: Korrespondenz Sanskrit "kṣ", Tocharisch "tk", Griechisch "kt", Hittitisch "tag" u.v.m. Annehmbar eine PIE-Kombination Velar + Dental, post-anatolisch-tocharisch vertauscht. Dental "verdornte" dann zum Laut (IPA [θ]/[ð]), der in Sprachen wie Isländisch und Englisch mit dem "Thorn" þ geschrieben wurde. Andre These: Schon der PIE-Dental wurde hier "ts"/"dz" gesprochen.
- "Vowels":
- PIE besaß fünf kurze Vokale "*i", "*e", "*a", "*o" und "*u". Vor allem zu "*e", "*a" und "*o" (seltener "*i" und "*u") lassen sich auch gedehnte Formen annehmen, wobei umstritten ist, ob die als eigene Vokale "*ē", "*ā", "*ō" (und "*ī", "*ū") starteten oder als Kurz-Vokale kombiniert mit Laryngealen. Manche Lang-Vokale ergaben sich wohl auch aus Zusammenziehung zweier Kurz-Vokale.
- Dipththonge ergaben sich aus der Kombination tiefer Vokale ("*e", "*a", "*o") mit anschließenden kurzen hohen ("*i", "*u"). Nur selten waren die Initial-Vokale lang, meist als Ergebnis morphologischer Vokal-Dehnungs-Regeln ("Ablaut-Dehnstufe") oder weil irgendwo ein Laryngeal mit hinein spielte.
- In Konsonanten-Clustern aus Stop + Stop + Resonant entwickelte sich zwischen den initialen Stops ein vokalischer-Einschub, genannt schwa secundum, üblicherweise dargestellt mit einem "e"-Subskript ("ₑ") oder einem Subskript des "schwa" "ə" ("ₔ"). Beispiel: "*kʷtu̯or-" wurde "*kʷₔtu̯or-" ("4"), und daraus dann u.a. das lateinische "quattuor".
- Betonung/Akzentuierung von Silben geschah über die Stimm-Höhe, nicht über die Stimm-Lautstärke. Eigenständig stehende Wörter besaßen meist einen Akzent, nicht jedoch bestimmte Konjunktionen, Pronomen und Partikel. Auf welcher Silbe ein Wort akzentuiert wurde, unterschied sich von Wort zu Wort. So war die Differenzierung von Wörtern nur anhand ihres Akzents möglich.
- Die Verwandlungen der PIE-Vokale in Vokale der Tochtersprachen verlaufen idiosynkratisch. Lange Initial-Vokale in Diphthongs wurden meist zu kurzen. Das schwa secundum konnte zu einem regulären Vokal werden. Vom Akzent-System blieb in den meisten Sprachen wenig bis nichts übrig.
- "Phonological Rules":
- Phonologische Regeln bestimmen, wie sich die Aussprache von Lauten verändert, wenn sie durch Wortbildungs-Regeln in Kontakt mit anderen Lauten gelangen.
- Stimmhaftigkeits-Assimilation: Trafen in PIE zwei Konsonanten unterschiedlicher Stimmhaftigkeit aufeinander, passen sie sich beide auf stimmhaft oder stimmlos an; meist, aber nicht immer, ist hier der zweite Konsonant derjenige, der den Ton angibt. Beispiele: "*gt" wird "kt" ausgesprochen, "*sd" "zd", seltener: "*pd" wird zu "bd".
- Zwischen zwei Dentale wurde ein ZischLaut ausgesprochen, stimmhaft ("z") oder stimmlos ("s") orientiert an der Stimmhaftigkeit der beiden Dentale (diese gleichgeschaltet durch die oben genannte Stimmhaftigkeits-Assimilation). Ergebnis "*tst" in TochterSprachen oft vereinfacht zu "tt" (Indisch), "st" (Iranisch, Griechisch, Balto-Slawisch) oder "ss" (Keltisch, Germanisch, Italisch).
- "*ss" wurde vereinfacht als "s" ausgesprochen.
- Stang'sches Gesetz, ggü. Buch präzisiert bei Wikipedia: Vokal plus [HalbSilbe oder Laryngal] plus Nasal wurde zu langem Vokal plus Nasal. Beispiel: "*di̯eu̯m" wurde zu "*di̯ēm", "*gʷou̯m" zu "*gʷōm".
- Szemerényi'sches Gesetz, ggü Buch präzisiert bei Wikipedia: Vokal plus Resonant plus ["*s" oder "*h₂"] wurde zu langem Vokal plus Resonant. Beispiele: "*ph₂ters" wurde "*ph₂tēr", "*k̂u̯ons" "*k̂u̯ōn".
- "boukólos"-Regel: Traf ein Labio-Velar auf ein "*u", wurde er zum bloßen Velar. Beispiel : "*gʷoukʷolos" wurde wegen "*u" + "kʷ" zu "*gʷoukolos" (und daraus wurde im Griechischen dann "boukólos" und wäre ohne diese Regel "boupólos" geworden).
- An Wort-Enden erfolgte keine Differenzierung in der Aussprache für sich stimmhafter und stimmloser Konsonanten. Endete das Wort in "*n", fiel dieses nach "*ō" weg. Verschiedene Schreib-Konventionen schreiben das "*-n" trotzdem mit ("*k̂u̯ōn"), setzen es in Klammern ("*k̂u̯ō(n)") oder lassen es weg ("*k̂u̯ō").
- Osthoffsches Gesetz: Häufiges Muster in indogermanischen Sprachen, aber keine allgemeingültige Regel: Sonst lange Vokale werden kurz, wenn ihnen ein Resonant plus ein weiterer Konsonant nachfolgen. So wird aus "*u̯ēnto-" im Lateinischen "uentus" und im Gothischen "winds".
- "Syllabification":
- Welche Laute in einem Wort gehören zur welcher Silbe?
- Eine Silbe setzte sich üblicherweise zusammen aus einem einzelnen Vokal oder Diphthong und benachbarten Konsonanten. Zur selben Silbe gerechnet wurde der dem Vokal unmittelbar vorangegangene Vokal. Lagen mehrere Konsonanten zwischen zwei Vokalen und damit zwei Silben-Ansätzen, wurde der letzte der zweiten, der Rest der ersten Silbe zugerechnet. D.h.: VKKKV wurde VKK-KV.
- Noch ungeklärte Schwierigkeiten macht die Versilbung von Resonanten, die vokalische Funktion ausfüllen können, und Wörter, die in "*iH" enden, weil hier in den TochterSprachen das Laryngeal manchmal unter Dehnung des "*i" zu "ī" gerät, manchmal aber auch das Laryngeal zu einem Vokal wird und das "*i" zu einem "i̯"-bzw.-"j"-Halbvokal.
- Siever'sches Gesetz/Lindemann'sches Gesetz: Konsonant + Halbvokal + Vokal wurd e(evtl. nur in WortEndSilben) zu Konsonant + Vokalisierung des Halbvokals + Halbvokal + Vokal, wenn der StartKonsonant eine schwere Silbe beendete, also eine um einen Lang-Vokal oder Diphthong oder die auf mehr als einen Konsonanten endete. So wurde Proto-Germanisch "*herdjas" zu "*herdijas".
- War die so veränderbare / verdoppelbare Silbe am Anfang eines Worts, variierte sie so auch in Abhängigkeit zum Gewicht der Silbe des Vorgänger-Wortes. So konnten zwei Varianten des selben Wortes sich als separate Wörter in TochterSprachen durchsetzen, z.B. im Vedischen "dyáus" und "diyáus" aus der selben Quelle, aus der das Griechische nur das eine Wort "Zeús" zog.
- "Proto-Indo-European Morphology: Introduction":
- "The Root and Indo-European Morphophonemics":
- Allomorphe sind Morpheme, die je nach phonetischer und morphologischer Umgebung ihre Form ändern. Ihr Studium ist die Morphophonemik.
- Wurzeln sind Morpheme, die in vielen verschiedenen Wörtern als semantischer Kern wiederkehren, erweitert um Affixe: Anhängsel-Morpheme wie Präfixe (vorangestellt), Suffixe (hinten angehagen) oder Infixe (mitten in die Wurzel gespritzt). Im Indogermanistik-Kontext ist eine Schreibweise mit Ergänzungsstrich häufig: "*sed-".
- Klänge sind regelmäßigem Wandel unterworfen, der Wandel von Morphemen ist dagegen chaotisch bzw. hat pro Morphem je seine eigene Geschichte auf Grundlage veränderter Bedeutungen, Volks-Etymologien usw.
- Historische Morphologie rekonstruiert Ur-Morpheme anhand von Formen in der TochterSprache, die gegenüber den Regeln der TochterSprache auffällig unregelmäßig wirken. Wäre das Morphem neu, wäre es aus den Regeln der TochterSprache entstanden; weicht es von diesen ab, kann das nur an einer Beharrlichkeit aus den Zeiten vor diesen Regeln liegen.
- "The Root":
- Die Phonotaktik einer Sprache ist das Regelwerk, nach der in ihr Laute zu größeren Laut-Einheiten (und so schließlich Morphemen) kombiniert werden können.
- PIE-Wurzeln bestanden meist aus einem "e" (selten: "a") als Grund-Vokal, dem Konsonanten ("C") vor-/nach-gestellt waren, oft zum "e" noch mit Resonanten ("R") gepuffert, also "CeC", "CReC", "CeRC" und "CReRC". Manche Wurzeln begannen auch mit "s" plus Stopp-Konsonant (wobei das "s" in manchen Ableitungen / TochterSprachen wegfällt) oder, selten, zwei Stopp-Konsonanten (siehe Thorn-Cluster).
- Auch Laryngale zählen als "C", mit Folgen in den TochterSprachen: Laryngale als Start-Konsonant vor Resonanten fielen weg oder wurden zum Vokal. Am Wurzel-Ende nach dem Grund-Vokal verwandelten sie sich zu dessen Dehnung. Außerdem färbten sie als dessen Nachbarn den Grund-Vokal – so entstanden viele "o" und (aber nicht alle) "a" in TochterSprachen-Wurzeln.
- Am Wurzel-Ende stand ein Laryngal manchmal auch als vorletzter Konsonant (wie ein Resonant) vor dem Schluss-Konsonanten.
- Wurzeln mit einem Laryngal als End-Konsonant heißen seṭ-Wurzeln, und jene ohne aniṭ-Wurzeln. Diese Konvention folgt Sanskrit-Grammatik, wo "seṭ" (laut Wikipedia von "sa-iṭ", "mit i") Wurzeln bezeichnete, die auf einem "i" endeten (das diesem End-Laryngal entstammte), und "aniṭ" ("an-iṭ", "ohne i") deren Gegenteil.
- Auffällig selten und damit phonotaktisch wohl kaum erlaubt waren Wurzeln, die zwei unaspirierte stimmhafte Stopps ("b", "d", "g") enthielten, oder je einen stimmlosen Stopp und einen aspirierten stimmhaften. Zu letzterem Fall gibt es eine Ausnahme: Relativ häufig sind Wurzeln mit aspiriertem stimmhaften Konsonant, die am Anfang einen stimmlosen Stopp haben, dem ein "s" vorgefügt ist.
- Manchmal finden sich Wurzeln um zusätzliche Laute "erweitert" oder "vergrößert", deren Ursache oder Funktion bisher unklar ist.
- Manches PIE-Vokabular, das markant von diesen Regeln abweicht, könnte noch zu PIE-Zeiten aus anderen Sprachen importiert worden sein.
- "Ablaut":
- "e" (und etwas umstrittener "a") als Wurzel-GrundVokal ist eigtl. nur ein Fall von mehreren, änderte sich mit des Wortes grammatischem Kontext, nahm einen mehrerer Stufen an: voll ("e"), lang ("ē"), o-Stufe ("o"), lange o-Stufe ("ō") oder Null-Stufe (Wegfall). Sich so ändernde Vokale heißen Ablaute, das System heißt Apophonie oder Vokal-Gradierung.
- Verschiedene Wurzel-Ablaute reagieren unterschiedlich auf grammatische Veränderungen, jede Wurzel trifft ihre eigene Auswahl, zwischen welchen Stufen sie hin und her springt, manche kennen auch nur eine Stufe. So keine feste semantische oder grammatische Funktion einzelner Ablaut-Stufe über die ganze Breite des Vokabulars festlegbar.
- Ablaute finden sich nicht nur in Wurzeln, sondern auch in vielen Suffix-Typen.
- Ablaute in der Null-Stufe sind einer der wesentlichen Gründe für die Versilbung / Vokalisierung ihnen benachbarter Resonanten und Laryngale, die durch Nullung des Ablauts nun zu den vokalhaftesten Teilen ihrer jeweiligen Silbe werden.
- "Morphological Categories of PIE":
- Die meisten PIE-Wörter sind Flexionen (grammatische Fälle/Beugungen, gesetzt durch Wort-abschließende Suffixe) von Derivaten (Ableitungen) von PIE-Wurzeln. Derivation differenziert Wurzel-Bedeutungen in bestimmte grammatisch-semantische Grundklassen (Nomen, Verben, Verneinung, usw.) hinein.
- PIE-Derivation geschah vor allem durch Suffixe (vergleichbar deutschen wie "-heit", "-en", "-ung"). Es gab auch Null-Suffixe: Hier konnte die Wurzel direkt als Wort genutzt werden. Neben diversen Suffixen ist für PIE auch ein Derivations-Infix bekannt.
- (Was der Autor unterschlägt, auch wenn er den Begriff später im Buch verwendet, als sei er erklärt worden: Der durch Derivation entstandene Wortteil aus Wurzel plus Derivations-Suffix/Infix heißt Stamm. Der Stamm ist es, an den dann die Flexions-Endungen rangepappt werden.)
- Neue Wörter entstanden aus vorhandenen auch durch Wurzel-interne Derivation (Unterscheidung in Ablaut-Stufe, Betonung), Kombination mehrerer Wurzeln, und über (nur wenige bekannte) Präfixe. Manchmal gab es Reduplikation: Der Wurzel Start-Konsonanten-Cluster wurde ihr, erweitert um einen abschließenden Füll-Vokal, verdoppelt voran gestellt.
- Flexions-Endungen unterschieden sich nicht nur entlang der grammatischen Fälle, die sie markierten. Es gab andere Sets an Flexions-Endungen nach vokalisch endenden thematischen Stämmen, als hinter konsonantisch endenden athematischen. In Tochtersprachen wichen athematische Stämme langsam den thematischen, vielleicht weil einfacher.
- "The Verb":
- "The Structure of the PIE Verb":
- PIE-Verben werden über ihre Stamm-Formen und Flexions-Endungen differenziert nach:
- Person: erste/"ich", zweite/"du", dritte/"er".
- Numerus: Singular/EinZahl, Dual/ZweiZahl, Plural/MehrZahl.
- Diathese/HandlungsRichtung/"voice": aktiv (ein Vorgang ist vom Subjekt initiiert) und mittel oder medio-passiv (das Subjekt ist Gegenstand des Vorgangs).
- Modus/AussageWeise: WahrheitsGrad des Vorgangs – Indikativ (Vorgang ist Fakt), Imperativ (Vorgang wird befohlen), Subjunktiv (unklar, wahrscheinlich irgendeine Form der Verortung von Vorgängen in der Zukunft), Optativ (Wunsch nach dem Vorgang und andere Nicht-Fakten).
- Aspekt: Grob die Zeit-Struktur des Vorgangs; etwas unklar. Perfektive Verben bezeichneten wohl genau datierbare, abgeschlossene Einzel-Vorgänge, imperfektive dagegen über den bezeichneten Moment anhaltende, nicht genau datierbare oder wiederholte Vorgänge, stative schließlich eher Zustände statt Abläufe ("das Haus steht").
- Tempus/ZeitForm: Im engeren Sinn nur die zeitliche Position eines Vorgangs (Vergangenheit, Gegenwärtigkeit, Zukünftigkeit), im weiteren Sinn eine Kombination derselben mit einem bestimmten Aspekt zu:
- Präsens: imperfektive Gegenwart: "Ich esse gerade."
- Imperfekt: imperfektive Vergangenheit: "In dem Jahr ging ich noch zur Schule."
- Aorist: perfektive Vergangenheit: "Um 12 Uhr mittags öffnete ich die Tür."
- Perfekt: stative Folge einer vorangegangenen Handlung (resultativ): "Das Tier ist getötet."
- Plusquamperfekt: Vergangenheit der Vergangenheit, umstritten.
- Futur: ZukunftsForm, umstritten.
- Trennung zwischen Aktiv und Medio-Passiv undeutlich. Deutsches Passiv ("ich werde bewegt") geht im Medio-Passiv ebenso auf wie viele (nicht alle) intransitive (d.h. ohne Objekt) oder Subjekt-selbstbezügliche ("ich bewege mich" / alles mit "sich") Aktive. Medio-Passiv fasst auch selbst-reflexive Plural-Vorgänge ("wir streiten (uns)").
- Wurzeln wurde der Aspekt durch Modifikation zu (imperfektiven) Präsens-, (perfektiven) Aorist-und (stativen) Perfekt-Stämmen markiert. Manche Wurzeln hatten eine Aktionsart, drückten also inhaltlich einen Aspekt aus, z.B. Handlungen, die nur perfektiv passieren können. Hier musste zum AspektAusdruck nichts geändert werden.
- Primäre Verben fügten solcherart aus einer Wurzel in einen Aspekt modifizierten Stämmen direkt die Flexions-Endungen an, sekundäre Verben modifizierten den Stamm zuvor noch weiter zum Ausdruck bestimmter inhaltlicher Spezifika, formten so "causatives, iteratives, desideratives and denominatives" (spätere Erläuterung wird versprochen).
- Manche PIE-Verben unterlagen Suppletion: In verschiedenen Zeitformen wurden ihre Stämme aus verschiedenen Wurzeln geformt (vergleiche das englische "go"/"went").
- Manche PIE-Verben flektierten nur entweder aktiv oder medio-passiv. Manchen war die eine Diathese im einen Tempus/Aspekt oder Modus fest eingeschrieben und im anderen die jeweils andere.
- "Personal Endings":
- Konjugierte Verben endeten in Suffixen/PersonalEndungen, die v.a. Person/Numerus differenzierten. Es gab mehrere Sets dieser Sendungen, jedes mit neun Mitgliedern (Singular/Dual/Plural je 1./2./3. Person). Sicherst rekonstruierbar sind Endungen 1./2./3. Person Singular, und 3. Person Plural. Für Rest zu wenige oder zu widersprüchliche Daten.
- Die Set-Auswahl markierte v.a. Diathese und Zeitform:
- Es gab ein eigenes Set für Perfekt-Fälle.
- Es gab je zwei Sets für aktive und für medio-passive Fälle, jeden dieser Fälle aufteilend nach:
- Sekundär-Endungen, die v.a. der jeweiligen Diathese Imperfekt- und Aorist-Indikativ sowie den Optativ markierten (vergröberbar zu "Vergangenheit").
- Primär-Endungen, die v.a. der jeweiligen Diathese Präsens-Indikativ und Subjunktiv markierten (vergröberbar zu "Nicht-Vergangenheit"). Die Primär-Endungen leiteten sich aus den Sekundär-Endungen ab, meist durch Anhängung eines Partikels. (Paradoxie dieser Vertauschung Primär/Sekundär hat laut Sihler begriffshistorische Gründe.)
- Set sekundärer PersonalEndungen der Aktiv-Diathese:
- Singular:
- 1. Person: "*-m"
- 2. Person: "*-s"
- 3. Person: "*-t"
- Dual:
- 1. Person: "*-u̯e(-)"
- 2. Person: "*-to-"
- 3. Person: "*-teh₂-"
- Plural:
- 1. Person: "*-me(-)"
- 2. Person: "*-te(-)"
- 3. Person: "*-nt" nach Vokal (thematisch), "*-ént" nach Konsonant (athematisch)
- Set sekundärer PersonalEndungen der MedioPassiv-Diathese:
- Singular:
- 1. Person: "*-h₂e"
- 2. Person: "*-th₂e"
- 3. Person: "*-o" oder "*-to"
- Dual:
- Plural:
- 1. Person: "*-medhh₂"
- 2. Person: "*-dh(u)u̯e-"
- 3. Person: "*-ro"/"*-ēro" oder "*-nto"
- Die 3.-Person-Endungen mit "*-t-" scheinen neuer (zumindest im Plural), und in geringerem Maße Passivität auszudrücken als diejenigen ohne. Manche Wissenschaftler sehen in den passiveren Endungen ohne "*-t-" gar ein eigenes Set, das neben Aktiv und Medio-Passiv eine dritte, stative Diathese aufmachte; aber das ist noch recht kontrovers.
- (In den obigen Listen sind den Endungen zuweilen "-" oder "(-)" angefügt, die ich so aus Fortson übernommen habe, deren Funktion mir aber unklar ist / bei Fortson nicht explizit gemacht wird.)
- Primäre PersonalEndungen:
- 1./2./3. Person Singular und 3. Person Plural: Sekundär-Endung + "*-i" (als "hic et nunc"-Partikel bekannt, taucht auch bei andren HierUndJetzt-WortBildungen auf). Im MedioPassiv-Set konnte der Partikel hier statt "*-i" auch "*-r" sein; es ist umstritten, ob dieses "*-r" ursprünglich oder eine spätere Entwicklung war.
- 1. Person Singular konnte die Aktiv-PersonalEndung statt "*-mi" auch "*-h₂" sein, vor allem nach Vokalen und bei Subjunktiven.
- 1./2. Person Dual und 1. Person Plural der Aktiv-Sets: vermutlich Sekundär-Endung + "*-s" oder "*-n".
- 3. Person Dual der Aktiv-Sets: "*-to-" laut Fortsons Liste, ohne Erklärung des ZustandeKommens. Der Vokal-Wechsel könnte eine Ablaut-Sache sein, das Laryngal-Verschwinden ist interessanter. Aber aufgrund des prekären Status dieser Dual-Fälle sollte ich mir hierzu wohl keinen allzu großen Kopf machen.
- Zum Rest nix Greifbares. (Sihler nimmt für 1./2./3. Person Dual und die 1. Person Plural durchgängig "*-s" an, und dass es in der 2. Person Plural keinen Unterschied gab.)
- "The Present Stem":
- Präsens-Stämme wurden für Präsens- und Imperfekt-Zeitformen genutzt, also alle Zeitformen imperfektiven Aspekts. Im Präsens konnten sie neben dem Indikativ auch zur Bildung von Subjunktiv, Optativ, Imperativ und Partizip verwendet werden.
- Athematische Präsens-Stämme besaßen für den Indikativ zwei Formen, eine im Singular-Aktiv und eine in den übrigen Fällen (Dual-Aktiv, Plural-Aktiv, und alle drei Numeri im Medio-Passiv):
- Wurzel-Präsens-Stämme hielten im Singular-Aktiv den Wurzel-Ablaut in der Voll-Stufe und akzentuiert, während sie in den restlichen Fällen den Wurzel-Ablaut auf Null-Stufe reduzierten und den Akzent nach rechts auf die Personal-Endung verschoben.
- Narten-Präsens-Stämme hielten den Akzent in allen Fällen auf dem Wurzel-Ablaut. Im Singular-Aktiv war der Wurzel-Ablaut allerdings gedehnte/lange Voll-Stufe, in den restlichen Fällen nur Voll-Stufe.
- Zwei weitere Präsens-Stamm-Formen werden auch charakterisierter-Präsens-Stämme genannt (Fortson weitet den Begriff nicht weiter aus, Sihler allerdings unterteilt alle Stämme imperfektiven und perfektiven Aspekts in charakterisiert und uncharakterisiert, und zählt letzterem nur Wurzel- und einfach-thematische Stämme zu):
- Nasal-Infix-Präsens-Stämme traten meist bei aktiven transitiven (d.h. mit Objekt) Verben auf. Hier wurde der Null-Stufe der Wurzel zwischen letzten und vorletzten Laut (Konsonant) ein "*-ne-" im Singular-Aktiv bzw. ansonsten "*-n-" eingefügt. Auch hier blieb nur im Singular-Aktiv der Akzent auf der Wurzel.
- Reduplizierter-athematischer-Präsens-Stämme verhielten sich nach Transformation der Wurzel auch wie Wurzel-Stämme. Transformiert wurde durchs Präfixen an die Wurzel des ersten Wurzel-Konsonanten (Auftreten nur bei mit Konsonant startenden Wurzeln) plus "e" oder "i". Der Präfix-Vokal schien auch in der NullStufe der Wurzel zu bleiben.
- Thematische Präsens-Stämme hatten je nur eine Form ihrer Wurzel über alle Indikativ-Fälle hinweg, fügten ihr aber ein Suffix mit Ablaut an, das in der 1. Person aller Numeri und der 3. Person Plural (passt interessanterweise zu: vor Personal-Endungen, die mit Laryngal oder Resonant beginnen) in die o-VollStufe ablautete, sonst in die e-VollStufe:
- Einfacher-thematischer-Präsens-Stämme hielten den Wurzel-Ablaut in der Voll-Stufe und akzentuierten ihn, das Wurzel-Suffix bestand einfach nur aus dem e/o-Ablaut.
- "tudáti"-Präsens-Stämme setzten den Wurzel-Ablaut in die Null-Stufe, nutzten einen einfachen e/o-Ablaut als Wurzel-Suffix und akzentuierten dieses. (Das Sanskrit-Wort "tudáti" ist ein Beispiel für eine Ableitung aus einem solchen Stamm.)
- "*-i̯e-"/"*-i̯o-"-Präsens-Stämme mit "*-i̯e-"/"*-i̯o-" als ganzem Suffix oder Suffix-SchlussTeil. Hiervon gab es mehrere Typen:
- Primäre "*-i̯e-"/"*-i̯o-"-Präsens-Stämme fügten das Suffix an eine Wurzel, die entweder in der Voll-Stufe und akzentuiert verblieb oder in die Null-Stufe fiel dann den Akzent ans Suffix abgab. Letzteres trat wohl vor allem bei intransitiven und medio-passiven VerbFormen auf.
- Denominative (Nomen abgeleitete Verben) formten fast gleich, aber das Suffix legte sich hier (mit Akzent) an Nomen-Stämme. Spuren bis heute: Viele griechische Nomen-Stämme endeten auf "-id-", ein angefügtes "*-i̯e-"/"*-i̯o-" gebar "-ize-"/"-izo-", als Ververbungs-Endung "-ize" noch im heutigen Englisch (deutsches "-isieren"?).
- Kausativ-Iterative (kausativ sind Verben, die von der Veranlassung von etwas handeln; iterativ sind sie, wenn sie wiederholte oder gewohnte Handlungen bezeichnen; beide Bedeutungen treten in TochterSprachen-Ableitungen auf) fügten einer Wurzel in der o-VollStufe das akzentuierte Suffix "*-éi̯e-"/"*-éi̯o-" an.
- "*-sk̂é-"/"*-sk̂ó-"-Präsens-Stämme fügten ein akzentuiertes "*-sk̂e-"/"*-sk̂o-" als Suffix einer Wurzel in Null-Stufe an. Schwer auf einen Schwerpunkt festzumachende Differenzierung der Ableitungen in der TochterSprachen – u.a. Indikationen wiederholter, hintergründiger, vermasster, beabsichtigender oder in Gang setzender Handlungen.
- Reduplizierter-thematischer-Präsens-Stämme reduplizierten wie ihr athematisches GegenStück den Wurzel-Start, hier gab es aber nur "*-i-" als Vokal der neuen Start-Silbe. Der in NullStufe gesetzten Ursprungs-Wurzel wurde als Suffix (so ich Sihler richtig interpretiere) der reine Ablaut angehangen, also "*-e-"/"*-o-". (Akzent geht wohin?)
- Faktitive (Verb-Ableitungen von Adjektiven der Art "sorge dafür, dass etwas die vom Adjektiv beschriebene Eigenschaft erhält") wurden geformt durch Anhängung eines Suffixes "*-h₂-" an thematische Adjektiv-Stämme (was zur LautFolge "*-eh₂-" führte), dem vielleicht auch noch das bekannte "*-i̯e-"/"*-i̯o-" angefügt wurde.
- Stative im Sinne von Verb-Ableitungen von Adjektiven der Art "die Eigenschaft des Adjektivs haben" entstanden durch ein Suffix "*-eh₁-" an Adjektiv-Stämme, dem ebenso vielleicht "*-i̯e-"/"*-i̯o-" angefügt wurde.
- Weitere wesentlich wackeliger rekonstruierte / unklarere Präsens-Stamm-Typen scheinen einem "*-e-"/"*-o-"-Ablaut-Suffix mal "*-s-", mal "*-d-", mal "*-dh-", mal "*-u-" voran gestellt zu haben.
- Vielleicht gab's eine "*-s-"-enthaltende Suffix-Klasse für Desiderative (Verben, die Wünsche ausdrücken) und vielleicht auch Futur-Formen. Manches deutet auf ein Suffix dieser Bedeutung "*-s-" plus "*-i̯e-"/"*-i̯o-"; anderes auf ein Suffix "*-(h₁)s-" plus Ablaut, an Wurzeln, deren Anfang vielleicht noch mit i-Vokal redupliziert wurde.
- Vom IndoGermanisten Jay Jasanoff gibt es noch eine Theorie weiterer Präsens-Stämme, die als Personal-Endungen die des Perfekts hatten. Dazu soll es in einem späteren Kapitel mehr geben.
- IndoIranisch/Griechisch/Armenisch/Phrygisch deuten auf Präfix, das Vergangenes markierte: das als GegenStück zum "hic et nunc"-Partikel deutbare Augment "*e-". In indoIranisch-Griechischen VergangenheitsFormen fehlt es manchmal, in Formen namens Injunktiv. Die markierten vielleicht eines Vorgangs "gnomische" (?) Zeitlosigkeit (statt Präsens).
- "The Aorist Stem":
- Aorist-Stämme wurden ähnlich manchen Präsens-Stämmen gebildet, mit einigen Abweichungen. Ihrer perfektiven Natur entsprechend, die anhaltende und damit gegenwärtige Vorgänge ausschließt, kombinierten Aorist-Stämme nur mit sekundären (vergangenheitlichen) Personal-Endungen. In Tochter-Sprachen treten Aoriste oftmals mit dem "*e-"-Augment auf.
- Wurzel-Aorist-Stämme änderten sich wie Wurzel-Präsens-Stämme zwischen Aktiv-Singular und Rest. Ausgangsform aber oft charakterisierte, z.B. reduplizierte, statt unmodifizierte Wurzeln. (Sihler: Das hing ab vom inhärenten Aspekt (Aktionsart?) der Wurzel. War er perfektiv, war die Wurzel im Aorist uncharakterisiert und im Präsens charakterisiert.)
- Sigmatischer-Aorist- oder s-Aorist-Stämme ablauteten ihre Wurzel vermutlich wie Narten-Präsens-Stämme und fügten als Suffix ein "*-s" an.
- Thematischer-Aorist-Stämme haben eine Wurzel in der Null-Stufe gefolgt von einem akzentuierten "*-e-"/"*-o-"-Ablaut-Suffix (glichen formal also den "tudáti"-Präsens-Stämmen). Häufig in den TochterSprachen, aber nur ein oder zwei PIE-Beispiele rekonstruierbar.
- Reduplizierter-Aorist-Stämme reduplizierten den Wurzel-Anfang mit "*-e-" als Vokal der Präfix-Silbe, setzten die Wurzel in die Null-Stufe, und fügten ihr wohl (Fortson sagt das nicht explizit, aber so läuft sein Beispiel) einen "*-e-"/"*-o-"-Ablaut-Suffix an (der dann wohl auch akzentuiert gewesen sein dürfte?). Vermutlich kausative Bedeutung.
- Spekulationen über Lang-Vokal-Präterita-Stämme, deren Wurzel-Vokal gelängt gewesen sein könnte. Es gibt jedenfalls in den TochterSprachen auffällig viele Verben mit nur in der Vergangenheits-Formen langen Vokalen. Vielleicht waren das ja Narten-Präsens-Stamm-Verben, aber das ist eine kontroverse Theorie.
- "The Perfect Stem":
- Perfekt-Stämme waren stativen Aspekts. In den TochterSprachen wurden sie vor allem für VergangenheitsFormen verwendet (und fielen als solche oft mit Aorist-Stämmen zusammen), mit wenigen Ausnahmen. Erklärt wird das damit, dass der PIE-Stativ einen resultativen Anklang hatte, der beschriebene Zustand war also Ergebnis vergangener Vorgänge.
- Perfekt-Stämme bis auf wenige archaische Ausnahmen mit Reduplikation des Wurzel-Starts und "*-e-" als Vokal der neuen Silbe gebildet, die Wurzel selbst geriet im Singular in die "o"-Stufe und hielt dort den Akzent, während sie im Dual und Plural in die Null-Stufe geriet und den Akzent an die Personal-Endungen abgab.
- Perfekt-Stämme hatten eigene Personal-Endungen, die sich formal stark mit den sekundären medio-passiven überlappten - was zur Spekulation führt, dass sie vielleicht mal ein zusammengehöriges Set bildeten:
- Singular:
- 1. Person: "*-h₂e"
- 2. Person: "*-th₂e"
- 3. Person: "*-e"
- Plural:
- 1. Person: "*-me-"
- 2. Person: "*-e-"
- 3. Person: "*-ēr", "*-r̥s"
- Mind = blown: Sanskrit "véda" (wissen), Latein "videre" (sehen) und das deutsche "wissen" stammen von der selben PIE-Wurzel "*u̯eid-" (wissen, sehen) ab.
- "Moods":
- Der Imperativ formte …
- … in der 2. Person im Singular als Wurzel in NullStufe plus "*-dhi" oder als endungsloser thematischer Stamm (also nur Wurzel plus thematischer Ablaut/Vokal-Suffix, ohne Personal-Endung), und im Plural mit der Endung "*-te".
- … in der 3. Person mit der Endung "*-tu" im Singular und "*-ntu" im Plural.
- … unabhängig von Person und Numerus mit der Endung "*-to̅d" als Futur Imperativ, um stärker in die Zukunft oder auf Ewigkeit ausgerichtete Befehle – z.B. in Gesetzestexten – auszudrücken.
- Der Subjunktiv formte als Verb-Stamm (durchgängig in der (laut Sihler e-)Voll-Stufe) plus thematischer Ablaut/Vokal-Suffix (auch bei an sich schon thematischen Stämmen: der Vokal wurde hier verdoppelt/gedehnt) plus primäre PersonalEndung, wobei in der 1. Person Singular stets "*-h₂" statt "*-mi" zum Einsatz kam.
- Der Optativ formte als VerbStamm (einschließlich thematisches Ablaut/Vokal-Suffix bei thematischen Stämmen) plus "*-i̯eh₁-" oder (NullStufe desselben) "*-ih₁-" plus sekundärer Personal-Endung (in der 3. Personal Plural stets "*-ent"), im Detail:
- … auf athematische Verbstämme (durchgängig in NullStufe gesetzt) mit Suffix "*-i̯eh₁-" (akzentuiert) im Singular und (Akzent geht weiter zur PersonalEndung) "*-ih₁-" im Plural – außer bei Narten-Präsens-Stämmen, die behielten VollStufe und Akzent und bekamen als Suffix vor PersonalEndung "-ih₁-" in allen Numeri.
- … auf thematische VerbStämme durchgängig mit "*-ih₁-" und Akzent im Stamm.
- Der Subjunktiv wurde wohl als Futur verwendet. Der meisten TochterSprachen "Subjunktive" leiteten sich ab vom Optativ. Der PIE-Subjunktiv überlebte vor allem im IndoIranischen-Griechischen, und dort auch teils mit Futur-Funktion. Der PIE-Optativ änderte in den TochterSprachen seine Funktion auch, wurde z.B. im Balto-Slawischen der Imperativ.
- "Non-finite Verbal Formations and Other Topics":
- In den TochterSprachen wurden Infinitive/Verb-Nomen meist gebildet durch Nominalisierung einer Verb-Wurzel in bestimmte Nomen-Fälle (meist Akkusativ, Dativ, Lokativ). Über mehrere Sprachen hinweg wird gebildet mit dem Stamm-Suffix "*-dhi̯e-"/"*-dhi̯o-" oder den Nomen-Stamm-Suffixen "*-tu-", "*-ti-", "*-men-", "*-sen-", "*-ten-".
- In mehreren TochterSprachen existiert das Supinum, eine spezielle Infinitiv-Form, die in Verbindung mit Bewegungs-Verben benutzt wird, um Intention oder Zweck auszudrücken, vergleichbar dem deutschen "geh sterben!"
- Partizipien/Verbal-Adjektive wurden gebildet durch VerbStamm plus ein bestimmtes Suffix plus Adjektiv-Endung:
- nt-Partizipien drückten aktive Diathese aus und formten auf Präsens- und Aorist-Verb-Stämme mit dem Suffix "*-nt-" auf thematische Stämme (mit dem thematischen Stamm-Ablaut-Suffix in der o-Stufe) und "*-ent-" oder "*-ont-" auf athematische.
- MedioPassiv-Partizipien nutzten als Suffix "*-m(e)no-" (zur Stufung des "e" keine Aussage bei Fortson) oder "*-mh₁no-". Im Balto-Slawischen und vielleicht auch Anatolischen gab es ein Präsens-Passiv-Partizip "*-mo-", das vielleicht verwandt war.
- Perfekt-Partizipien wurden gebildet mit Null-Stufe eines Perfekt-Stamms plus Suffix "*-u̯os-" im Nominativ-Singular-maskulin und im Akkusativ-Singular, ansonsten mit "*-us-".
- Hinweise auf ein Präteritum-Partizip mit dem Suffix "*-lo-".
- Explizit nur Verbal-Adjektiv, aber nicht Partizip genannt werden Formen mit Verb-Stamm in Null-Stufe plus Suffix auf "*-tó-" oder "*-nó-". Die drückten abgeschlossene Vergangenheitlichkeit eines Vorgangs aus. War das Verb, von dem sie sich ableiteten, transitiv, war seine Adjektivierung dieser Art passivisch.
- Verben wurden oft in ihrer Bedeutung modifiziert durch Adverben/PräVerben (dazu in einem späteren Kapitel mehr) oder andere Wörter, zum Beispiel Nomen.
- Die Akzentuierungs-Regeln der TochterSprachen deuten darauf hin, dass Verben schwächer oder gar nicht eigenständig akzentuiert wurden.
- "The Noun":
- "Introduction":
- Nomen differenzierten ihre Deklinations-Endungen entlang acht oder neun verschiedener Fälle:
- Nominativ: Nomen ist Subjekt des Satzes ("Die Sonne geht auf.") oder Subjektsprädikativ – d.h. (Erklärung Wikipedia) es doppelt den Fall des Subjekts, weil es mit Hilfe eines stativen Verbs wie "sein" dasselbe beschreibt, z.B. "das Haus ist ein Palast".
- Vokativ: Das Nomen ist Gegenstand einer direkten Ansprache: "Harry, fahr schonmal den Wagen vor."
- Akkusativ: Das Nomen ist direktes Objekt einer Handlung: "Er beschuldigt die Politiker."
- Genitiv: Das Nomen tritt auf als Eigentümer einer Sache: "Des Himmels Farbe ist Blau."
- Ablativ: Nomen ist Quelle oder Herkunfts-Ort einer Sache: "Er töte ihn mit der Waffe aus dem Waffenschrank."
- Dativ: Nomen ist indirektes Objekt oder Nutznießer einer Handlung, wird also von einer Handlung beeinflusst, die sich auf etwas anderes als direktem Objekt im Akkusativ bezieht: "Ich gebe Hans das Paket."
- Instrumentalis: Nomen ist Mittel einer Handlung: "Ich schreibe den Brief mit einem Stift."
- Lokativ: Nomen ist Ort einer Handlung: "Ich lebe in Stuttgart."
- Direktiv oder Allativ (wackeligerer Status): Ziel-Ort einer Handlung: "Ich fliege nach Paris."
- Auch Deklinations-Endungen waren in thematische und athematische ausdifferenziert, wobei auch hier in den TochterSprachen die athematischen langsam den thematischen wichen.
- Es wurde in mindestens die drei bekannten Numeri dekliniert (Singular, Dual, Plural); vielleicht auch noch ins Kollektivum, das eine als Einheit behandelte Vielheit von Dingen bezeichnete – in den TochterSprachen wurden daraus rasch normale Singulare oder Plurale. Anatolisch und Tocharisch kannten Plurale von Kollektiva, genannt Plurative.
- Während die TochterSprachen das Genus meist in Maskulinum/Femininum/Neutrum differenzierten, deutet das Anatolische auf frühere bloße Differenzierung belebt/unbelebt bzw. Utrum (laut Wikipedia) vs. Neutrum. Utra und Neutra deklinierten nur in Nominativ/Vokativ/Akkusativ unterschiedlich; in Neutra deklinierten diese drei Fälle identisch.
- "Athematic Nouns":
- Auch bei Nomen werden thematische und athematische Stämme unterschieden. Athematische oder konsonantische Stämme endeten auch hier mit einen Konsonanten, dem direkt die Flexions-Endung folgte, ohne ZwischenVokal. Als konsonantisch zählen auch Stämme, die auf HalbVokale oder "*-ā-" (abgeleitet von "*-eh₂-") enden. Zu letzteren später im Buch mehr.
- Innerhalb athematischer Flexionen gibt es starke Fälle – Nominativ und Vokativ aller Numeri, Akkusativ im Singular und Dual und vielleicht ebenso im Plural – und schwache Fälle. Die unterscheiden sich entlang ihrer Akzentsetzung und Ablautierung. In den schwachen Fällen drängt es Ablaut-VollStufe und Akzent meist nach rechts.
- Sicherst sind die Fall-Endungen allgemein im Singular, und bei den starken Fällen auch in Dual und Plural.
- Fall-Endungen athematischer Nomen im Singular:
- Nominativ belebt: "*-s" ("*-" nach Resonant, einhergehend mit LangStufe des Stamm-Ablauts, entsprechend Szemerényi'schem Gesetz)
- Akkusativ belebt: "*-m" ("*-m̥" nach Konsonant)
- Nominativ/Akkusativ unbelebt: nix
- Vokativ: nix (und, laut Fortson, LinksBewegung des Akzents; bei Sihler liest es sich so, als könne der Akzent unter Umständen aus dem Wort auch ganz verschwinden)
- Genitiv/Ablativ: "*-és" wenn, oder "*-s" wenn der Akzent nicht auf die Endung fällt
- Dativ: "*-ei"
- Instrumentalis: "*-h₁" oder "*-eh₁" (bei Sihler auch noch post-anatolisch "*-bhi" und "*-mi", siehe unten)
- Lokativ I: "*-i"
- Lokativ II: "*-", einhergehend mit LangStufe des Stamm-Ablauts
- Direktiv (unsicher, ob): vielleicht "*-h₂(e)", vielleicht "*-(e)h₂", vielleicht "*-a"
- Fall-Endungen athematischer Nomen im Dual:
- Nominativ/Vokativ/Akkusativ belebt: "*-h₁" oder "*-h₁e"
- Nominativ/Vokativ/Akkusativ unbelebt: "*-ih₁"
- Fall-Endungen athematischer Nomen im Plural:
- Nominativ belebt: "*-es"
- Vokativ belebt: "*-es", vielleicht mit LinksBewegung des Akzents
- Akkusativ belebt: "*-ns" ("*-n̥s" nach Konsonant) (vermutlich Ableitung von der Akkusativ-Singular-Endung plus einem archaischen Plural-Marker "*-s", also ursprünglich "*-ms")
- Nominativ/Akkusativ unbelebt: "*-h₂" (ursprünglich Endung des unbelebten Kollektivums)
- Genitiv: "*-om" oder "*-ōm" (vermutlich ursprünglich "*-om", dann überschrieben von der thematischen Genitiv-Plural-Endung "*-ōm" bzw. "*-o-Hom")
- Lokativ: "*-su"
- Dativ/Ablativ (post-anatolisch): "*-bh(i̯)os" (alternativ mit "*-m-" statt "*-bh-", siehe unten)
- Instrumentalis (post-anatolisch): "*-bhi(-)" (alternativ mit "*-m-" statt "*-bh-", siehe unten)
- Post-anatolisch bildeten sich für Instrumentalis/Dativ/Ablativ Endungen heraus, die bei Indo-Iranisch/Keltisch/Italisch/Proto-Griechischen mit "*-bh-" begannen, und bei Germanisch/Balto-Slawisch mit "*-m-". Fortson bleibt bezüglich EndungsRest v.a. zu "*-m-"-Endungen vage, Sihler analogisiert sie aber zu denen mit "*-bh-".
- Einiges spricht noch für einen alternativen Lokativ auf "*-dhi" und einen alternativen oder ursprünglichen Ablativ auf "*-tos".
- Wo athematische Nomen sich vollständig als Wurzel plus Suffix plus Endung bildeten (also nicht bei Wurzel-Stamm-Nomen), verteilten sich ihre Akzente und Ablaut-Stufungen entlang vier verschiedener Typen – wobei in jedem einer der drei Teile in Ablaut-VollStufe und akzentuiert war, die restlichen Teile meist (wo nicht anders vermerkt) in NullStufe:
- akrostatisch: In starken wie schwachen Fällen ist das Wurzel-Morphem akzentuiert und vollgestuft, allerdings meist im starken Fall in o-VollStufe und im schwachen Fall in e-VollStufe.
- proterokinetisch: In starken Fällen ist die Wurzel akzentuiert und vollgestuft, in schwachen dagegen das Suffix.
- hysterokinetisch: In starken Fällen ist das Suffix akzentuiert und vollgestuft, in schwachen dagegen die Endung.
- amphikinetisch oder holokinetisch: In starken Fällen ist die Wurzel akzentuiert und vollgestuft, in schwachen dagegen die Endung. Im Nominativ-Singular ist außerdem das Suffix meist in gedehnter o-Stufe, und im Akkusativ-Singular in ungedehnter o-VollStufe.
- Athematische Wurzel-Nomen verhielten sich teils akrostatisch, teils "mobil", wobei letzteres mangels Suffix keiner der obigen Akzentuierungs-Kategorien zufällt. Offenbar wurde in den starken Fällen die Wurzel in der Vollstufe akzentuiert, in den schwachen die Endung – ähnlich der amphikinetischen Kategorie, aber ohne deren Suffix-Dehnungen.
- Athematische Wurzel-Nomen mobilen Akzents treten oft als zweiter Teil von Komposita auf, abgeleitet von Verb-Wurzeln als Subjekt oder Objekt einer Handlung (altirisch "druí" / Genitiv "druad" von "*dru-u̯id", "Seher / Kenner der Eiche"; vgl. "Druide"), mit durchgängiger Null-Stufe der Wurzel, oft adjektivert ("eichenkennend"?).
- Als athematischen Nomen, deren Wurzel resonantisch endete, verwandelten sich mit der Zeit viele akrostatische in proterokinetische bzw. (bei Wurzel-Nomen) mobile. Die o-Vollstufe in den starken Fällen blieb dabei erhalten (während, so wird impliziert, in mobilen / proterokinetischen Fällen sonst "Vollstufe" immer "e-Vollstufe" bedeutete).
- Neue Nomen konnten durch interne Derivation qua Wechsel der Ablaut/Akzent-Klasse gebildet werden, z.B. Wandlung eines akrostatischen in ein hysterokinetisches Nomen. Oft entstand so die Bedeutung "Eigentümer der Sache" oder "Angehöriger der Sache". Zu ähnlicher Bedeutung wurden auch eingefrorene Lokative von Nomen zu eigenen Nomen erhoben.
- Außerdem wurden neue Nomen natürlich durch Derivations-Suffixe gebildet, derer es mehrere Typen gab:
- n-Stämme hatten Suffixe, die auf "*-n-" endeten, meist "*-men-", "*-sen-", "*-ten-", "*-u̯en", archaisch auch bloßes Ablaut plus "*-n-". Sie markierten belebte wie unbelebte Nomen und wurden oft zur Bildung von Infinitven genutzt.
- Ein verbreiteter Unterfall: das Neutrisch-Abstrakt-Nomen-Suffix "*-m̥n" (bzw. "*-men") markierte nomina actionis / VerbalSubstantive / Verdinglichungen von Handlungen bzw. ihrer Ergebnisse (von "singen" zu "Gesang"/"Lied").
- Das Hoffmann-Suffix "*-Hn" bzw. "*-Hen" formte Adjektive, die Besitz anzeigten, z.B. "jung" als "Lebenskraft" plus dieses Suffix "Lebenskraft habend".
- r-Stämme (laut Sihler so richtig nur für belebte Nomen überliefert) konnten auf Ablaut plus "*-r-" formen und hatten zudem als prominente Untermengen:
- nomina-agentis-Suffixe "*-ter-" und "*-tor-"; "*-ter"-Suffixe nahmen der Wurzel den Akzent / setzten sie in NullStufe, könnten Rollen qua Aufgabe (der, der zu geben hat) markiert haben; "*-tor-"-Suffixe waren VollStufe, gönnten diese und Akzent aber auch der Wurzel, könnten Rollen qua Ausführer (der, der gibt) markiert haben.
- Sippschafts-Termini auf "*-ter-" oder "*-h₂ter-". Für "*-ter-" spricht These, "*ph₂tér-" (Vater) habe geformt aus "*peh₂-" (schützen) plus "*-ter-",dann abgeleitet "dhugh₂tér-" (Tochter), "meh₂tér-" (Mutter) usw. Gibt aber auch Laryngal-lose Rekonstruktionen für letztere, z.B. "*māter", entlang BabyLaut "ma".
- heteroklitische Stämme hatten Suffixe, deren Schluss-Konsonant je nach Kasus-Numerus zwischen zwei Möglichkeiten hin und her wechselte:
- r/n-Stämme markierten unbelebte Nomen und wechselten ihren Suffix-Abschluss-Konsonant zwischen "*-r-" im Nominativ/Akkusativ im Singular und im Kollektivum, und "*-n-" in den übrigen Fällen. Im Griechischen wurde das "*-n-" zu "-at-", abgeleitet von "*-n̥-t-".
- l/n-Stämme könnte es auch gegeben haben, jedenfalls sprechen diverse Formen in Tochtersprachen fürs Wort für Sonne für einen Nominativ "*séh₂-u̯l̥" oder "*sh₂-u̯ōl" und einen Genitiv "*sh₂-u̯én".
- An s-Stämmen gab es vor allem neutrische, die in keine der gelisteten Ablaut/Akzent-Klasse passten: In den starken Fällen verschmolzen Suffix und Endung zu "*-os", ansonsten gab es das Suffix "*-es-" plus normaler Endung, durchgängig blieb der Wurzel-Ablaut in der Voll-Stufe. Abstrakta (Nomen für Nicht-Anfassbares) hatten oft diese Form.
- (Sihler ergänzt, die Endungen der starken Plural-Fälle seien bei diesen Stämmen noch gedehnt gewesen, abgeleitet von einer ursprünglichen Laryngal-Endung: "*-ōs" abgeleitet von "*-os-h₂".)
- Einiges deutet auf ein archaisches Suffix "-s-" ohne Vokal hin. (Laut Sihler möglicherweise eine gegenüber "-os-" ursprünglichere Suffix-Form, vielleicht auch mit Laryngal statt Vokal: "*-h₂s-".)
- Belebte Nomen mit oft besitzanzeigender Bedeutung wurden von diesen unbelebten durch interne Derivation abgeleitet, z.B. von "Getreide" ein Nomen für "der etwas mit Getreide zu tun hat" oder "der Getreide-Besitzer".
- Wie schon erwähnt, wurden Perfekt-Partizipien von Verben mit dem Suffix "*-u̯os-" gebildet.
- An t-Stämmen gab es solche mit einfachem Suffix "*-t-" (v.a. für feminine Abstrakta genutzt) und den davon (vielleicht über "*-teh₂-t-"/"*-tuh₂-t-") abgeleiteten Komposit-Suffixen "*-tāt"/"*-tūt", solche mit dem Possessiv-Suffix "*-u̯ent-" und die schon zur Bildung von nt-Partizipien via "*-nt-"-Suffixen erwähnten nt-Stämme.
- Reduplizierte athematische Nomen wurden durch Reduplikation auf alle Stamm-Klassen gebildeten. Ein hübsches Beispiel ist die Reduplikation von "*bhreu-" (braun) zu "*bhe-bhru-" (Biber) – offenbar nahm die neue Vorsilbe die Ablaut-Vollstufe auf Kosten der ursprünglichen Wurzel an sich.
- i-und-u-Stämme verhielten sich identisch: Ein verbreiteter Typ endete in den starken Fällen in nullgestuften Suffix-Endungs-Kombinationen "*-i-s"/"*-u-s" und "*-i-m"/"*-u-m", und sonst aufs Suffi "*-ei-" bzw. "*-eu-". Verbal-Abstrakta in "*-ti-" (und "*-tu-") wurden wie erwähnt häufig für Infinitive verwendet.
- "Thematic Nouns":
- Thematische Nomen fügten ihre den Fall-Endungen der athematischen Nomen nahezu identischen Endungen o-Stämmen an. Diese endeten in einem meist o-gestuften e/o-Ablaut, der fast immer den Akzent trug; nur im Vokativ (Singular, wohl auch Plural) wanderte der Akzent (analog athematischen Stämmen) nach links.
- In den TochterSprachen wurden die nominalen Fall-Endungen oft von pronominalen überschrieben.
- Endungen thematischer Nomen im Singular (Stamm-Ablaut-Endung plus Fall-Endung):
- Nominativ belebt: "*-os"
- Akkusativ belebt: "*-om"
- Nominativ/Akkusativ unbelebt: "*-om"
- Vokativ: "*-e" (mit Linksbewegung des Akzents)
- Dativ: "*-ōi" (entstanden aus "*-o-ei")
- Instrumentalis: "*-ō" (entstanden aus "*-o-h₁"), "*-e-h₁"
- Lokativ: "*-oi" (zweisilbig gesprochen), "*-ei"
- Genitiv: "*-os" (vielleicht älter), "*-osi̯o", "*-oso" oder "*-ī"
- Ablativ: "*-ōt" (entstanden aus "*-o-ad", "*-o-at" oder einem "*-o-h₂et", das dann erstmal "*-o-h₂at" wurde; alternativ auch "*-āt" bei Sihler)
- Endungen thematischer Nomen im Dual (Stamm-Ablaut-Endung plus Fall-Endung):
- Nominativ/Vokativ/Akkusativ belebt: "*-ō" (entstanden aus "*-o-h₁"; analog konstruiert Sihler zur zweiten möglichen Endung noch "*-o-h₁e")
- Nominativ/Vokativ/Akkusativ unbelebt: "*-o-ih₁"
- Endungen thematischer Nomen im Plural (Stamm-Ablaut-Endung plus Fall-Endung):
- Nominativ/Vokativ belebt: "*-ōs" (entstanden aus "*-o-es"; manchmal auch ein die Endung doppelndes "*-ōsos", das Sihler mit der Befriedigung einer Tendenz aus übrigen nominalen Formen erklärt, den Nominativ im Plural eine Silbe länger zu halten als im Singular)
- Akkusativ belebt: "*-ons" (manchmal vielleicht auch "*-ōns")
- Nominativ/Akkusativ unbelebt: "*-ā" (entstanden aus "*-e-h₂")
- Genitiv: "*-ōm" (entstanden aus "*-o-om") oder "*-o-Hom"
- Lokativ: "*-oisu"
- Instrumentalis: "*-ōis", ersetzt durchs post-anatolisch Formen mit "*-oi-bhi-"/"*-oi-mi-"
- Dativ/Ablativ (post-anatolisch): "*-obh(i̯)os" oder "*-oibh(i̯)os" (alternativ mit "*-m-" statt "*-bh-", siehe Erklärung bei den athematischen Nomen)
- Bei einigen thematischen Nomen sind die Wurzeln bzw. die Verfahren, denen sie zur Stamm-Bildung unterworfen wurden, unbekannt. Andere Stämme wurden durch einfaches Anfügen des thematischen Ablauts an die Wurzel gebildet, wieder andere durch Suffixe. Einige der bekannten Stamm-Bildungs-Verfahren:
- Tomós-und-tómos-Nomen bildeten durch Anfügen des thematischen Ablauts an eine Wurzel in o-Stufe. Tomós-Nomen nahmen den Akzent aufs Suffix, zu aktiver/agentischer Bedeutung (Vorgangs-Verantwortlicher), tómos-Nomen behielten den Akzent auf der Wurzel zu resultativer Bedeutung (Vorgangs-Ergebnis).
- Possessiv-Derivative auf "*-ó" drückten Besitz-Beziehungen aus formten auf den akzentuierten thematischen Ablaut, der athematischen Stämmen angefügt wurde oder dadurch entstand, dass eine thematische Form ohne Akzent auf dem Suffix den Akzent auf den Suffix schob. Eine weitere Unterform waren:
- Vrddhi-Derivative (Sanskrit "vrddhi": "wachsen) hoben einer existierenden Form Wurzel-Ablaut von Null- auf VollStufe (manchmal Einfügung des Ablauts an "falscher" Stelle der NullStufe) bzw. von Voll- auf DehnStufe. Sie drückten genitivisch-ablative Relation (Zugehörigkeit, Herkunft, Abstammung) aus.
- Die Bildung reduplizierter thematische Nomen erklärt Fortson nicht im Detail, nennt als Beispiel aber "*kʷe-kʷl-o-" ("Rad") als Reduplikation von "*kʷel(H)" ("drehen"). Er schreibt solchen Reduplikationen eine "intensive oder emotive Kraft" zu, ohne groß zu präzisieren, was er damit meint.
- Nomen auf "*-lo-" haben in den TochterSprachen meist diminutive Bedeutung, gleichzeitig wurde das Suffix auch oft auf Verben-Stämme angewandt; letzteres gilt auch für Nomen auf "*-mo-"/ und "*-no". All diese Formen bildeten auch Verbal-Adjektive und Partizipien, siehe das Kapitel zur Bildung von Verben.
- Werkzeug-Nomen auf "*-tlo-", "*-dhlo-", "*-tro-", "*-dhro-" bezeichneten Hilfsmittel zum Wurzel-Gegenstand und waren meist Neutren. Zuerst gab es nur die Suffixe "*-tlo-" und "-tro-", die anderen beiden entstanden aus diesen über Bartholomäs Gesetz, das im Kapitel zum Indischen erklärt werde.
- "The Collective and the Feminine":
- Die neutrischen Plurale auf "*-h₂" beugten in manchen TochterSprachen ihre Begleit-Wörter wie Singulare. Zugleich bildeten manche TochterSprachen Kollektiva auf "-a" abgeleitet von "*-eh₂". Aus diesen Umständen wird vermutet, dass es neben dem distributiven Plural noch ein PIE-Kollektivum auf "*-h₂" gegeben habe.
- Daneben lassen sich post-anatolisch abstrakte und feminine Nomen-Bildungen übers Suffix "*-h₂" feststellen, im Gegensatz zum Kollektiva-"*-h₂" über alle Numeri und Fälle hinweg. Vermutet wird, die Kollektiva-Form sei irgendwann zur Abstrakta-Form geworden, und darüber wiederum (warum auch immer) zur Feminina-Form.
- Die postanatolischen Feminina formten vor allem aufs Stamm-Suffix "*-eh₂-" (das sich bald zu "*-ā-" zusammenzog), dem bis auf die folgenden Ausnahmen die üblichen Endungen auf konsonantische Stämme folgten (wobei die "*-ā-"-Formen in den TochterSprachen meist thematisch flektiert wurden):
- Nominativ Singular: nix
- Vokativ Singular: nix, unter Kontraktion des nun wortfinalen "*-eh₂" zum kurzen "*-a" (Sihler: nur in durch abschließende Konsonanten "geschlossene" Silben wandelt sich ein Laryngal ins Längen des vorangehenden Vokals; Vokative isolierten sich gegen ihre Bewegung, fanden also in FolgeWörtern keinen Silben-Abschluss.)
- Akkusativ Singular: "*-ām" von "*-eh₂m" statt "*-eh₂m̥" dank Stang'schem Gesetz
- Akkusativ Plural: "*-ās" statt "*-āns" dank Stang'schem Gesetz
- Weitere Feminina-Suffixe:
- Vielleicht "*-s(o)r-", abgeleitet von "*soro-" (Frau), vielleicht Bestandteil von "*su̯e-sōr" (Schwester) als "angehörige Frau" ("*su̯o-": dem Eigenen zugehörig) und einiger ZahlWörter.
- Archaisch könnte es auch ein bloßes *-h₂" gegeben haben.
- "*-i̯eh₂", das sich von Vedischen betrachtet in zwei Formen aufgespalten haben dürfte, die unterschiedlich deklinierten: "deví̄"-Feminina (benannt nach dem Wort für "Göttin") und "vr̥kí̄s"-Feminina (Wört für Wölfin), wobei Fortson als Unterschied nur benennt, dass erstere oft aus athematischen Adjektiven bildeten.
- (Wikipedia benennt als Unterschied, letztere würden wie Nicht-Feminina im Nominativ Singular auf "-s" enden und seien außer im Vokativ immer auf dem "-ī-" betont.)
- "Adjectives":
- Adjektive deklinierten wie Nomen und konnten auch als solche verwendet werden (Fortson nennt als modernes Beispiel "the good, the bad, and the ugly"). Substantivierung von Adjektiven ging zuweilen mit "morphophonologischen" (?) Veränderungen einher, was Fortson mit Linksbewegung von Akzenten verbeispielt.
- Adjektive formten meist thematisch, seltener athematisch. Von Fortson hervorgehobene Adjektiv-Stamm-Suffixe:
- "*-u-" direkt an Wurzeln adjektivischer Bedeutung.
- "*-nt-" für Partizipien.
- "*-ih₂" für Feminina.
- "*-i̯o-"-und-"*-ii̯o-", vermutlich ähnlich bis identisch ausgesprochen; ersteres markierte eher Relationen wie "mittel", letzteres eher Zugehörigkeit, Herkunft, Abkunft ("Sohn von") und dürfte aus Kombination der Lokativ-Endung "*-i" mit dem thematischen Possessiv-Derivativ-Suffix "*-o-" herrühren.
- "*-ko-" fügte Nomen an, um Herkunft von oder Beschaffenheit aus diesen zu markieren; "*-iko-" markierte Zugehörigkeit; im Balto-Slawisch-Germanischen markiert das relatierte "*-isko" Zugehörigkeit und Herkunft und wandelte sich u.a. im Englischen zur Endung "-ish" (und im Deutschen wohl zu "-isch"?).
- "*-tó-" formte Possessiv-Adjektive (z.B. von "Bart" zu "Bart-tragend", also "bärtig") und die schon erwähnten Verbal-Adjektive.
- "*-ro-" fügte an die Nullstufe einer Adjektiv-Wurzel an, um deren "freistehende Adjektiv-Form" zu bilden (?), war dann meist akzentuiert.
- Ein Komparativ-Suffix, angefügt an der Wurzel VollStufe, war "*-i̯os-", amphikinetisch ablautend: "*-i̯ōs-" im Nominativ und "*-is-" in den schwachen Fällen. Ein anderes war "*-tero-", das ursprünglich nur ein Element eines Paares gegenüber dem anderen hervorhob: "gegenüber dem Anderen weise" wurde zu "weiser als der andere".
- PIE hatte vielleicht kein Superlativ-Suffix. Aber viele TochterSprachen scheinen eines von "*-isto-" abzuleiten (wohl Komparativ "*-is-" plus "*-to-"), oder von "*-m̥mo-". Viele drückten Superlative außerdem aus durch bloßes Singular-Adjektiv plus Plural-Nomen, also "der größte der Götter" als "groß unter Göttern".
- "Nominal Composition and Other Topics":
- PIE kannte mehrere nominale WortZusammenSetzungen:
- "Endozentrische", die Angehörige einer Klasse bezeichneten, deren OberBegriff selbst in der ZusammenSetzung vorkommt, vgl. engl. "blackbird" ("bird" als OberBegriff).
- "Exozentrische" Bahuvrihis (nach Sanskrit-Beispiel "bahuvrihi", "viel Reis", für wohlhabende Menschen), die Angehörige einer Klasse über das bezeichneten, was ihnen (an-)gehört (z.B. "viel Reis"). Häufig in Personennamen. Ablauteten im zweiten Wort üblicherweise in der o-Stufe.
- Solche, in denen das dominierende Wort ein Verb oder Verb-Derivativ war, das die Tätigkeit des Bezeichneten spezifizierte, und das andere Wort bloßes Objekt dieses Verbs, vgl. englisch "bar-keep", "cow-herd".
- Manche Wort-Anfügungen an Nomen schmolzen zu gekürzten oder nullgestuften Präfixen zusammen, z.B. "*h₁esu" ("gut") zu "*h₁su-", "*ne" ("nicht") zum Negations-Präfix "*n̥-" und "*trei̯es" ("drei") zu "*tri-".
- Caland'sches Gesetz: In WortZusammenSetzungen wurden im ersten Wort bestimmte Suffixe durch "*-i-" ersetzt, insbesondre bei Adjektiven "*-ro-" und "*-u-" und bei Stativen "*-eh₁-" und seine Verwandten.
- "Pronouns and Other Parts of Speech":
- "Pronouns: Introduction":
- Pronomen-Komparatistik-Probleme: 1. Sie analogisieren zueinander, passen ihre Formen einander an, verlieren so archaische Unterschiede. 2. Sie bilden mit anderen Wörtern neue Wort-Kombinationen, die ihre Ursprungs-Form ersetzen. 3. In Redensarten treten sie in seltsamsten Funktionen auf, was Ursprungs-Funktionen verschleiert.
- "Personal Pronouns":
- Personal-Pronomen-Stämme unterlagen Suppletion, d.h. wechselten je nach Kasus und Numerus. Propere Personal-Pronomen lassen sich nur für die erste und zweite Person entwickeln, TochterSprachen leiten die dritte Person von Demonstrativ-Pronomen ab. Die akzentuierten Formen:
- 1. Person Singular Nominativ: "*eĝoh₂" (Vedisch deutet auf eine Form "*eĝh₂-om")
- 1. Person Singular sonstige Fälle: Stamm "*me-", manchmal "*eme-"
- 1. Person Singular Genitiv: vielleicht "*mene"
- 1. Person Singular Dativ: vielleicht "*me-ĝh(i)"
- 1. Person Dual und Plural Nominative: wohl Stämme auf "*u̯e(i)-"
- 1. Person Dual Nominativ: "*u̯eh₁", daraus später "*u̯ē" (kurzer Vokal im Baltischen und Germanischen)
- 1. Person Plural Nominativ: vermutlich "*u̯ei"
- 1. Person Dual und Plural sonstige Fälle: wohl Stämme auf "*n̥s-"
- 1. Person Plural Oblik-Fälle (d.h. Objekt-Fälle): Stamm auf "*n̥s-me-", in einigen Tochter-Zweigen nur "*me-"; "*n̥s-" ist NullStufe zur VollStufe "*nes-", die sich in einigen enklitischen Formen (siehe unten) und z.B. im lateinischen "nōs" zeigt
- 2. Person Singular Stamm: etwas auf "*tu-"
- 2. Person Singular Nominativ: wohl "*tuH"
- 2. Person Dual und Plural: Stämme auf "*us-" und "*i̯u-"
- 2. Person Plural Oblik-Fälle: Stamm "*us-me-" (vielleicht ursprünglich ein "*us-u̯e", das vom "*n̥s-me-" der 1. Person Dual/Plural beeinflusst wurde)
- Zu den akzentuierten Personal-Pronomen gesellten sich gekürzte unakzentuierte enklitische Formen, die z.B. Wörtern eher als Suffix angehangen wurden denn für sich allein standen:
- 1. Person Singular Akkusativ: "*me"
- 1. Person Singular Dativ und Genitiv: "*moi"
- 1. Person Plural (alle dieser Fälle? Fortson vage, Sihler sagt: ja): "*nos"
- 2. Person Singular Akkusativ: "*te"
- 2. Person Singular Dativ und Genitiv: "*toi"
- 2. Person Plural (alle dieser Fälle? Fortson vage, Sihler sagt: ja): "*u̯os"
- Possessiv-pronomische Adjektive (im Sinne etwa der adjektivischen Deklination des deutschen "mein", "meines", "meinem", "meinen") bildeten oft durch Anfügung des thematischen Ablauts an die Genitiv-Form eines Pronomens, etwa ans enklitische "*moi".
- "Other Pronouns and Pronominal Declension":
- Fortson erwähnt Abweichungen in den Endungen der pronominalen zur nominalen Deklination (dabei scheint er sich auf die thematische zu beziehen, d.h. nicht erwähnte Fälle dürften thematisch dekliniert haben):
- Singular Nominativ-Akkusativ unbelebt: "*-d"
- Singular Genitiv: "*-eso"
- Plural Nominativ maskulin: "*-oi"
- Plural Genitiv: "-sōm"
- Obgleich sie grob thematisch deklinierten, besaßen viele Pronomina i-Stämme aufs semi-konsonantische "*-i".
- Viele TochterSprachen enthalten / deuten auf ein WortBestandTeil "*-sm-" in pronominalen Oblik-Fällen.
- Für Demonstrativ-Pronomen ("dieses", "jenes") finden sich mehrere Stämme, z.B. "*ei-", "*k̂i-", "*eno-" oder "*ono-" (vermutlich von einem früheren "*e-"), vor allem aber: "*so-" und "*to-", bald verschmolzen zu einem Stamm "*to-" mit "*so" im belebten Nominativ (Nominative: "*so" männlich, "*se" weiblich, "*tod" sächlich).
- Relativ-Pronomen wurden mit einem Stamm "*-i̯o-" oder "*Hi̯o-" gebildet.
- Interrogativ- und Indefinit-Pronomen ("wer?", "irgendwer") wurden beide mit einem Stamm "*kʷo-" oder "kʷi-" gebildet. Einsatz in TochterSprachen oft auch als RelativPronomen ("which"). Oft wurden dort zudem indefinitive Relativ-Pronomen ("wer auch immer") mit Doppelung der i-Stamm-Varianten gebildet ("quisquis").
- Reflexiv-Pronomen ("sich") wurden auf "*su̯e-" oder "*se-" gebildet, unterschieden sich nicht in den Numeri, hatten keine Nominative und konnten in allen drei Personen genutzt werden. Mit dem Stam "*su̯o-" wurde auch ein reflexives Adjektiv "[jemandes] eigenes" gebildet.
- An pronominale Adjektiven (was die genau sind, dazu sagt Fortson nichts; vermutlich bestimmen/betonen sie zugestellte Nomen gegenüber deren Geschwistern) ist eines auf den Stamm "*al-i̯o-" mit der Bedeutung "anderes" bekannt.
- "Numerals":
- Numerale funktionierten ähnlich Adjektiven, deklinierten und genderten aber nur für die Werte 1 bis 4 (wobei sich Fortson über die genauen Deklinationen/Genderungen dieser Numerale bedeckt hält). Es gab selbststehende Numerale und gekürzte Präfix-Formen
- Zwei Wurzeln rekonstruierbar für "eins": "*oi-", zu verschiedenen Stämmen erweitert mit den Suffixen "*-no-", "*-ko-" und "*-u̯o-". Und "*sem-", was als Bedeutung oft Identität anklingen hatte und so auch zum englischen "same" und dem lateinischen "similis" führte; Präfix "sm̥-", vgl. lateinisches "simplex".
- Numerale 2 bis 10:
- "*d(u)u̯óh₁" (Präfix "*du̯i-")
- "*tréi̯es" (Präfix "*tri-"; feminine Formen mit einem Suffix "*-sr-"; Sihler rekonstruiert *tréi̯es" männlich, "*trih₂" sächlich und – nur im Keltischen und Indo-Iranischen – "*tisres" weiblich, abgeleitet von "*tri-sr-")
- "*kʷétu̯ores" (Präfix "*kʷ(e)tru-" oder "*kʷetu̯r̥-"; feminine Formen mit einem Suffix "*-sr-"; Sihler rekonstruiert "*kʷetu̯ores" männlich, "*kʷetu̯ōr" sächlich und – nur im Keltischen und Indo-Iranischen – einen weiblichen Stamm "*kʷetesr-")
- "*pénkʷe"
- "*su̯éks"
- "*septm̥" (Akzent auf dem "m̥", konnte das nicht trivial darstellen)
- "*ok̂tō(u)"
- "*néu̯n̥"
- "*dék̂m̥"
- Das Numeral für 20 wird rekonstruiert als "*u̯īk̂n̥tī" oder "*u̯īk̂m̥tī", letzteres aufgrund der These, es sei entstanden aus einem Ausdruck "zwei Zehnen", d.h. "du̯ih₁-dk̂m̥t-ih₁".
- Das Numeral für 100 wird rekonstruiert als "*k̂m̥tóm", möglicherweise von einem vom Wort für "zehn" abgeleiteten früheren "*dk̂m̥tóm".
- OrdinalZahlen (ZahlWörter in Listen / Aufzählungen, "erstens", "zweitens" usw.) (beachte, dass viele der Suffixe auch aus TochterSprachen rekonstruierbaren Superlativ-Suffixen entsprechen):
- 1: Wurzel "*pr̥h₃-" ("*h₃" ist inkonsistent zum Rest, vielleicht meint er "*h₂"), von der NullStufe der Wurzel "*perh₂-" (Bedeutung: Vorderseite, vorwärts, voran, vorwärts); oft ausgedehnt zu Stämmen "*pr̥h₂-u̯o-" und "*pr̥h₂-mo" (Latein: "primus"); auch fürs Germanische erwähnt: "*pr̥h₂-isto-", davon englisches "first".
- 2: unbekannt.
- 3-6: Präfix-Form plus Suffix "*-t-" oder "*-to-".
- 7-10: Suffix "*-o-"; bei 7 und 10 mit deren "*-m̥-" hin zur Form "*-m̥mo-" (siehe Latein "septimus", "decimus"); analog mit der 9 "-n̥-" zu "-n̥no-")
- "Adverbs":
- Keine dedizierte Adverb-Form, aber Verwendung bestimmter nominaler/adjektivischer Deklinationen in adverbialer Funktion. Z.B. für "sehr" der sächliche Nominativ-Akkusativ-Singular von "*meĝh₂" (groß).
- "Multiplikative" Adverben: "*du̯is" (zweifach), "*tris" (dreifach).
- In TochterSprachen beginnen viele Negations-Adverben mit "n-" oder "m-". Das Wort "*ne" könnte Sätze negiert haben, dessen SchwundStufe "*n̥-" diente als Negations-Präfix bzw. Privativ-Präfix. Ein Wort "*mē" kombinierte wohl mit injunktiven Verben, um Unterlassung der von diesen beschriebenen Handlungen zu befehlen.
- Viele Verneinungs-Wörter der TochterSprachen zeigen oft keine Spuren von PIE-Verneinungs-Wörtern, sind Kürzungen emphatisch verlängerter Phrasen (vgl. "nicht" zu "nicht in tausend Jahren"), die solche vielleicht mal enthielten, nun aber nur noch durch andere repräsentiert sind (vgl. Französisch "ne pas" zu "pas").
- "Prepositions and Postpositions":
- (Erklärt Fortson nicht, aber Wikipedia: Hier geht es um AdPositionen, die der beglückten Wörter relationale Positionen z.B. im Zeitlichen oder Räumlichen ausdrücken.)
- Was in den TochterSprachen zur PräPosition wurde, war in PIE oft PostPosition, d.h. folgte dem beglückten Wort nach, statt ihm vorauszugehen. Einige Wurzeln zu häufigen TochterSprachen-PräPositionen:
- "*apo" (von)
- "*en" (in)
- "*en-ter" (innerhalb)
- "*epi" oder "*opi" (auf, bei)
- "*kata" oder "*km̥ta" (hinab im Sinne von "down")
- "*kom" (mit)
- "*n̥dher"/"*n̥dhos" (unter im Sinne von "under")
- "*ni" (hinab, unter im Sinne von "down, under")
- "*per(i)" (um etwas herum – "around" –, durch)
- "*prō" (betont, konnte Zeichen nicht kombinieren) (voran)
- "*uper" (über – "above")
- "*upo" (unter – im Sinne von "below")
- "Conjunctions and Interjections":
- Konjunktionen/BindeWörter ändern sich schnell. Solche der TochterSprachen leiten sich bedeutungsverändert oft von PIE-Adverben oder -Adpositionen ab. Ein paar originale lassen sich dennoch rekonstruieren:
- "*kʷe" (konjunktiv, "und"), dem angefügten Gegenstand als EinzelWort direkt nachgefügt, oder dem ersten Wort am Anfang eines angefügten Satzes
- "*u̯ē" (disjunktiv, "oder"), selbe Positionierungs-Muster wie bei "*kʷe"
- "*h₂(e)u" (adversativ, "jedoch, allerdings")
- Ableitungen von FallFormen bestimmter Pronomen, z.B. vom Relativ-/Interrogativ-Pronomen-Stamm "*kʷo-". für subordinierende/unterordnende/nebensatzeinleitende BindeWörter ("weil", "als", "seit")
- "*nu" zum Verbinden von Sätzen
- "*de" zum Verbinden von Sätzen, selbe Positionierungs-Muster wie bei "*kʷe"
- "*kʷe" wurde auch als generalisierender Partikel eingesetzt: einem Interrogativ-Pronomen angefügt diesem eine generalisierende Antwort gebend (vgl. funktional das "irgend" in "irgendwer", das "auch immer" in "wer auch immer").
- Weitere Partikel:
- "*kem" oder "*km̥" war vielleicht ein Modal-Partikel – die sind ein schwieriges Thema, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Modalpartikel#Die_Bedeutung_der_Modalpartikeln
- "*tar" könnte der Emphase vor allem von Interrogativ-Pronomen gedient haben
- "*ge" (evtl. verwandt zu Partikel "*ghe" oder "*gho") könnte der Emphase von Personal-Pronomen gedient haben; als Suffix solcher könnte es Velare an Endungen der ersten und zweiten Fälle von Personal-Pronomen in vielen Sprachen erklären, also etwa das "-k" im Germanischen, das zum "-ch" in "mich", "dich" wurde
- "*k̂e" könnte dem DemonstrativPronomen-Stamm "*k̂i-" verwandt gewesen sein
- An Interjektionen gab es "*u̯ai" (englisch "woe") und "*eh₃!" ("oh!").
- "Proto-Indo-European Syntax":
- "Introduction":
- Syntax ist das Set der Regeln, nach denen Wörter zueinander in größeren Einheiten geordnet werden. Diachronische Syntax ist das Studium des Wandels dieser Regeln.
- Nach Noam Chomsky und seiner generativen Grammatik/generativen Syntax geht man aus von Sätzen, die:
- … nach bestimmten Regeln sinntragende Unter-Einheiten, Konstituenten, kombinieren und hierarchisch organisieren, die sich wiederum nach bestimmten Regeln aus Subkonstituenten bilden.
- … sich schrittweise bilden, erst durch eine Art Grund-Arrangement der Konstituenten zu einer Tiefenstruktur, die dann nacheinander durch Regeln des Umstellens und phonologische und morphologische Regeln zum Endergebnis, einer Oberflächenstruktur transformiert werden.
- Syntaktiker studieren zur Herleitung von Syntax die Verhältnisse von Tiefenstruktur und Oberflächenstruktur und befragen Muttersprachler, ob und in welcher Weise ihnen bestimmte Sätze grammatikalisch richtig oder falsch vorkommen. Das Problem hierbei bei toten Sprachen ist offensichtlich.
- Problem der Oberflächenstrukturen-QuellTexte: Gerade die alten sind oft spezieller, etwa poetischer Natur; man muss von gewissen poetischen Freiheiten in ihrer Grammatik ausgehen relativ zur Alltagssprache.
- QuellTexte, die Übersetzungen der Texte anderer Sprachen darstellen, halten sich oft recht sklavisch an die Syntax der Originale. Interessant sind dann die Abweichungen, die dennoch auftreten: Hier beißen sich Syntaxen der übersetzten und der übersetzenden Sprache zu sehr, lassen sich Verbote letzterer schließen.
- "Syntax of the Phrase":
- In Nominal-Phrasen deklinierten Adjektive wie die angebundenen Subjektive. Sie gingen ihnen nach oder voraus; das eine oder das andere setzte sich mal mehr, mal weniger streng in TochterSprachen durch. Zuweilen wurden sie (Distraktion) vom angebundenen Wort durch andere Satzteile getrennt ("magna cum laude").
- Tochtersprachliche AdPositionen waren in PIE vermutlich einfach Adverben. Sie traten als Prä- wie PostPositionen auf, wobei letzteres vermutlich ältere Dominanz besaß.
- PräVerben: Adverben, die in TochterSprachen oft mit bestimmten Verben zu deren PräFixen verwuchsen, in PIE aber noch halbwegs frei (bis zur Distraktion) das Verb umspielten. Im Deutschen Konstrukte wie "auftragen" ("er trägt etwas auf"). Die griechische tmesis ist eine Distraktion solcher Verben.
- Die "vā́yav indraś ca"-Konstruktion: Wurden zwei Vokative über eine Konjunktion verbunden, geriet der der Konjunktion vorangehende Vokativ zu einem Nominativ. Praktisch nur im Vedischen überliefert.
- "Syntax of the Clause":
- Projekt, beliebt wie problematisch: Suche nach Grundwortstellungen in Sätzen, etwa in statistischen Häufigkeiten in OberflächenStrukturen, oder als deren Ursachen in TiefenStrukturen. Daher etwa These einer SubjektObjektVerb-Stellung in PIE, aber kaum belegbar: Fast in allen TochterSprachen VerbStellung flexibel.
- Es gab Nominal-Sätze ohne explizites Verb; implizit war das Verb ein "sein", das zwei enthaltene Nomen miteinander verband (das Eine zum Anderen erklärte).
- Verben beugten in Person und Numerus wie ihr Subjekt, ausgenommen Subjekte neutrischen Plurals in einigen TochterSprachen, deren Verben singular beugten – vermutlich weil diese Formen eigentlich keine richtigen distributiven Plurale, sondern Kollektiva waren.
- Da die Verben Person und Numerus kodierten, konnten PersonalPronomen zur Benennung des Subjekts oft weggelassen werden. Traten sie in TochterSprachen, wo das möglich war, dennoch auf, so wohl zur Emphase.
- Das reflexive Possessiv-Adjektiv "*su̯o-" ("eigen") bezog sich nicht zwangsläufig aufs Subjekt des TeilSatzes, konnte auch auf neu eingeführte oder ältere Gegenstände Bezug nehmen.
- WortUmstellung ereignet sich meist als LinksVersetzung, vermutlich in feste Slots für verschiedene VersetzungsBedeutungsKlassen: Topikalisierung linkste beliebige Wörter zur Betonung, WH-Versetzung dagegen linkste Complementizer wie Interrogativ-/Relativ-Pronomen und unterordnende Konjunktionen.
- In älteren indogermanischen Sprachen konnten oft sehr viele topikalisierte Wörter dem Complementizer vorausgehen, was zu aus hiesiger Perspektive merkwürdigen Konstrukten / Distraktionen führen konnte. Denke "Ich gehe rein, weil es draußen furchtbar regnet" als "Ich gehe rein, furchtbar draußen weil es regnet."
- Klitika sind unbetonte Wörter unterschiedlichster Funktion (Konjunktionen, Pronomen, Partikel …) die sich anderen betonten Wörtern anfügen. Sie tendieren nach Wackernagels Gesetz dazu, an zweiter Stelle im Satz oder Teilsatz aufzutauchen. Diese Tendenz lässt sich in präzisere Regeln aufdröseln:
- Klitika, die einzelne Wörter oder Satzteile modifizieren, erscheinen nach dem modifizierten Wort oder dem ersten Wort des modifizierten Satzteils.
- Satz-verbindende Klitika erscheinen nach dem ersten Wort des zu verbindenden (Teil-)Satzes.
- Satz-Klitika modifizieren die Bedeutung eines ganzen (Teil-)Satzes und erscheinen entweder (Fall der "Spezial-Klitika") an bestimmten besonderen syntaxstrukturellen Satzpositionen oder nach dem ersten betonten Wort des (Teil-)Satzes und allen diesem bereits angefügten Klitika anderer Art.
- RelativSätze scheinen ihren HauptSätzen vorausgegangen zu sein. Das Relativ-Pronomen oder -Adverb ist oft mit einem Antezedenten gepaart – einem (Pro-)Nomen oder Adverb für das, worauf sich das Relativ-Wort bezieht: "Ich las das, was Jack geschrieben hat" statt "Ich las, was Jack geschrieben hat".
- War der Antezedent ein Nomen, trat er im Relativsatz im Kasus des Relativpronomens auf ("Ich beschuldige den Mann, der Bob getötet hat" als "Ich beschuldige, welcher Mann Bob getötet hat"), oft gedoppelt im Hauptsatz ("Ich beschuldige den Mann, welcher Mann Bob getötet hat").
- In einigen TochterSprachen wurden Relativ-Pronomen reanalysiert zu Bestimmtheit ausdrückenden Anhängseln von Adjektiven, etwa der Art "das alte Buch" (statt: "ein altes Buch") als "das Buch welches alt" (unter mehreren?), wobei das Relativ-Pronomen mal den Kasus des Antezedenten annahm, mal undeklinierbar einfror.
- Negiert wurde wie erwähnt mit dem Adverb "*ne" und dem Privativ-Präfix "*n̥-", vor manchen Wörterklassen eher mit einen, vor anderen eher mit dem anderen. Wurde nur ein Wort oder Konstituent verneint, wurde das Negations-Wort diesem vorangestellt; bei ganzen Sätzen dagegen dem Verb oder zur Emphase dem Satz-Anfang.
- Sachverhalte konnten syntaktisch in den Hintergrund gesetzt werden als Absolute: einem Konstrukt aus einem Nomen modifiziert von einem Partizip, wobei das Nomen in einen Oblik-Fall gesetzt war. Aus "Während die Sonne aufging, stand ich auf" würde so "Der aufgehenden Sonne ich stand auf".
- "Phrase and Sentence Prosody and the Interaction of Syntax and Phonology":
- Prosodie ist die Organisation der Klang-/SprechWeisen der Silben innerhalb eines Texts: Auf/Ab von Betonung, Tempo, Redefluss, Pausen. Sätze werden in prosodische Domänen von Klang-Bögen strukturiert, von Silben hoch zum Wort und seiner klitischen Gruppe mit Klitika, bis zu größeren Satzteilen.
- Diese Strukturierung in Domänen bestimmt die Anwendbarkeit bestimmter phonetischer Regeln. Z.B. gibt es sandhi-Regeln zur Veränderung von Klängen an Worträndern, wo diese aufeinandertreffen – aber nur, wenn die Wörter sich in der selben prosodischen Domän, dem selben Konstituenten eines bestimmten Levels treffen.
- Im AltGriechischen sind bestimmte Wörter gemeinhin akzentfrei / Klitika, außer in Serie – dann erhalten alle außer dem letzten einen Akzent. Serien dürfen hierfür allerdings nicht ihre prosodische Domäne verlassen – d.h. Klitika sich nicht je verschiedenen von sich aus betonten Wörtern, z.B. Nomen, anbändeln.
- SchreibSysteme spiegeln prosodische Besonderheiten manchmal wieder – etwa wenn gemeinhin Wörter durch ZwischenPunkte getrennt werden, bestimmte WörterGruppen (etwa betontes Wort plus Klitikum) aber nicht; oder in Abweichungen von StandardSchreibWeisen von Wörtern an der Stelle, wo ihnen bestimmte andere nachfolgen.
- Die Gruppierung von Wörtern kann sich an der "Schwere" anderer Wörter oder WortGruppen orientieren. Im AltGriechischen gibt es etwa Klitika, deren Positionierung (davor, danach, mittendrin) zu einer NominalPhrase von deren Umfang / der Anzahl ihrer Wörter abhing.
- Metrik in Poesie sagt viel über Prosodie. Betonungs-Regeln, die sich am Abzählen von Wörtern entlang hangeln, aber bestimmte Wörter dabei ignorieren, können etwa deren Unbetontheit offenbaren. So weiß man etwa, dass Verben im Allgemeinen weniger betont waren als Nomen.
- "Anatolian":
- …
- …