Chronologie-Kritik, Anatoly Fomenko.
http://books.google.com/books?id=YcjFAV4WZ9MC&l
Lektüre-Notizen:
- Vorwörter:
- Alexander Zinoviev (euphorisch):
- Anatoly Fomenko ist ein Genie und hat uns die Augen geöffnet! Die Anderen sind missgünstige Geschichtsfälscher. Wir sind ehrliche Wissenschaftler.
- Überlieferung ist ungewiss. Jede Gegenwart muss ihre Vergangenheit erfinden.
- Methodik der Fomenko-Chronologiekritiken.
- Albert Shiryaev (nüchterner):
- Statistische Methode fürs Finden von Abhängigkeiten zwischen Texten.
- Fomenkos Methoden sind aus gegenwärtiger Mathematiker-/Statistiker-Sicht valide.
- Die statistischen Schlüsse sind trennbar von ihrer Interpretation, bei der man vorsichtiger sein muss.
- Herausgeber (lächerlich):
- Woah, ist das hier alles unglaublich! Dieses Buch wirft unser gesamtes Weltbild um! Woah! Woah!
- Anatoly Fomenko:
- "Geschichte der Neuen Chronologie":
- Weitere Vorbilder / Vorgänger / Wegbegleiter:
- Vom 17. bis 19. Jahrhundert sei die Scaliger-Chronologie von Geschichtswissenschaftlern noch immer verhalten und skeptisch behandelt worden.
- Morozov habe nur die Chronologie bis zum 6. Jahrhundert abgelehnt. Ab 1945 würden seine Erkenntnisse dann vom Historiker-Mainstream unterdrückt. Ab den 70ern lässt sich dann der Fomenko-Zirkel von ihm inspirieren.
- Die Geschichte des Fomenko-Zirkels bietet sicher einiges Material für ein Interesse an sowjetischer und postsowjetischer Wissenschaftsbetriebskultur.
- Das Insistieren, nicht einfach nur eine Kritik der bisherigen Chronologie, sondern jetzt endlich eine korrekte Chronologie zu liefern, beginnt mich zu bothern. Die "New Chronology" wird als wahr und allen Konkurrenten überlegen emporgehoben.
- "Herausgeber-Advice":
- Wieder selbstherrlicher Wir-haben-die-Offenbarung-Ton.
- "Probleme der historischen Chronologie":
- "Römische Chronologie als Grundlage europäischer Chronologie":
- Die Römer als "spinal column" der Mainstream-Chronologie der Vor-Renaissance-Epochen. Fomenko verspricht demnach besonderes Augenmerk auf die Römer, ich rejoice.
- "Scaliger, Petavius und andere klerikale Chronologen":
- http://en.wikipedia.org/wiki/Eusebius wird auf einem Gemälde aus dem 15. Jahrhundert in einer Kleidung typisch dem 15. Jahrhundert dargestellt, was für Fomenko dafür spricht, dass er im 15. Jahrhundert gelebt habe; hier beginne ich, fachliche Einwände gegen Fomenko zu erahnen. Selbes Spiel für http://en.wikipedia.org/wiki/Jerome auf einem Bild aus dem 16. Jahrhundert.
- Referenzierte chronologische Quellen: http://en.wikipedia.org/wiki/Chronicon_%2528Eusebius%2529 und http://en.wikipedia.org/wiki/Chronicon_%2528Jerome%2529
- http://en.wikipedia.org/wiki/Ussher_chronology -- unsere Chronologie als Ergebnis klerikal-scholastischer Zahlenspielereien; wieviele weit auseinanderliegende Datierungen des Anfangs es gibt. Klerikale Datierung sei natürlich unangreifbar und fanatisch verteidigt gewesen, wie man es von katholischen Klerikern in Glaubensfragen erwarten müsse.
- Indem Scaliger ein Chaos aus wild-mythischen "ab Schöpfung der Erde"-Chronologien mit astronomischer Methode gezähmt habe, sei er sogleich als die wissenschaftliche Chronologie akzeptiert worden.
- Fomenko, Mathematiker, macht sich über Scaligers Versuch einer Quadratur des Kreises -- wortwörtlich -- lustig.
- Scaliger und Petavius hätten ursprünglich noch die weit zurückliegendsten Ereignisse nicht nur im Jahr, sondern auch in Monat, Tag und sogar Uhrzeit datiert; heute zitiere man davon nur noch das Jahr und lasse so die Absurdität der als sicher empfundenen Präzision untern Tisch fallen.
- Das chronologische Material der Scalinger-Petavius-Schule habe sich dann rasch so sehr vermehrt, dass es akzeptierte Tradition und im 19. Jahrhundert nicht mehr groß hinterfragt wurde.
- http://en.wikipedia.org/wiki/Manetho
- Autor of Interesse: E. J. Bickerman (1897-1981) ("Elias")
- "Infragestellung der Scaliger-Chronologie":
- "Wer sie wo kritisierte":
- "Infragestellung der Römischen Chronologie/Historie. Hyperkritische Schule des 19. Jahrhunderts":
- Fomenko beruft sich auf erhebliche chronologische Zweifel von Theodor Mommsen, der diverse Personen-Gleichzeitigkeiten und Rom-Frühzeit-Herrscherlisten für ziemlich unglaubwürdig hielt.
- Bei Datierungs-Unklarheiten zur Gründung Roms gibt Fomenko nur drei Alternativen: Entweder ist Ereignis A fünfhundert Jahre zu früh datiert; oder Ereignis B ist fünfhundert Jahre zu spät datiert; oder C die Chronologen lügen "deliberately" über den Sachverhalt (dass Aeneas und Odysseus, direkt auf dem Rückweg vom Trojanischen Krieg, Rom gegründet hätten). Fomenko kennt bisher nur absolute Wahrheiten, planvolle Lügen und informationslose Fehler. Entweder, er nimmt Quellen/Legenden ganz beim Wort, oder sie lügen, oder ihr Text ist wertlos.
- Mit ungewisser Datierung der Gründung Roms (und mit Rom könne ja auch Konstantinopel, das "Rom am Bosporus" gemeint sein) Infragestellung aller "ab urbe condita"-Jahreszahlen.
- Andere Referenz: "Untersuchungen über die Glaubwürdigkeit der altrömischen Geschichte", laut Fomenko von einem G.C. Lewis, laut Volltext-Ausgabe bei http://books.google.com/books?id=OHlbAAAAQAAJ (auch als PDF ziehbar) aber von Ludwig Oscar Bröcker
- Brüchigkeit der Überlieferung von Livius, nur höchst fragmentarisch zusammengestückelt, sowohl der Livius selbst durch die Archäologen, als auch die Frühgeschichte Roms durch Livius.
- Nicht ganz von der Hand zu weisen scheint mir die von Fomenko mit Verweis auf Mommsen & Co. betonte Fragilität der ersten Jahrhunderte römischer Chronologie zu sein: Gründungslegenden und rückdatierende Herrscher-(bzw. Konsul-)Listen scheinen beide umstritten. Nun sind diese frühen Perioden Roms aber auch für die frühgeschichtliche Chronologie einigermaßen bedeutungslos -- oder?
- "Problem korrekter Chronologie des 'Alten' Ägyptens":
- Rückdatierungs-Chaos durch widersprüchliche Königslisten. Unvereinbarkeit von Herodot und Scaliger, und zwar erheblich, zum Teil Differenzen im Bereich von Jahrtausenden.
- Zitierte Autorität: http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Brugsch
- "Problem der Datierung 'alter' Quellen":
- Vermeintlich altertümliche Quellen, auf denen sich Scaliger-Chronologie, seien alle zur Renaissance zum Vorschein gekommen, unter Umständen, die hinreichend kritische Prüfung ihrer Echtheit oder ihres Alters nicht erlaubten
- Hellenistisch-romanischer Charakter der Renaissance einfach erklärbar: nicht Wiederentdeckung, sondern Einheit. Pastiche/Emulation nannte man es erst ein paar Jahrhunderte später
- Verweis auf: "Tacitus and Bracciolini. The Annals Forged in the XVth Century" http://www.gutenberg.org/etext/9098 Ross behauptet, Tacitus sei eine Fälschung aus dem 15. Jahrhundert. Widerlegung, aber auch ausführliche Aufschlüsselung von Quellenlagen und weiteren Fälschungs-Vorwürfen: http://www.tertullian.org/rpearse/tacitus/ Fomenko betont, er halte Tacitus nicht für eine Fälschung, höchstens für manipuliert und falsch datiert.
- Gruselgeschichten über Renaissance-Quellenlage Ciceros. Weitere Argumente Fomenkos gegen Ciceros Alter: Er erscheint in Renaissance-Kleidung auf Renaissance-Gemälden, und der Name seines möglichen Fälschers, Barzizza, ähnelt rückwärts gelesen ohne Vokale einer vokal-losen Aussprache von "Cicero".
- Die früheste Quelle für Sueton sei Einhard im 9. Jahrhundert, der ihn für eine Karl-der-Große-Biografie kopiert habe, und Einhards Material wiederum tauche erst im 16. Jahrhundert auf.
- Identität von Vitruvius und Leon Battista Alberti -- vom Namen bis zu den Texten. Befüllung italienischer Städte mit römischer Architektur unter Vitruvius, dasselbe unter Alberti.
- Die mathematisch-astronomischen Texte von Euklid, Archimedes, Apollonius würden immer passenderweise entdeckt, nachdem von sich aus Renaissance-Menschen zu ihren Erkenntnissen gelangten. "Apollonius" sei vielleicht eine Anspielung auf den "Polen" Kopernikus.
- "Zeiterfassung im Mittelalter":
- Im Mittelalter hatte man diverse beliebig vage Heuristiken für die Zeiterfassung, z.B. "wieviele Bibelverse schaffe ich in dem Zeitraum zu lesen" oder Abbrennen von Kerzen. Kombiniert mit Astronomie eine katastrophale Maßgabe.
- Die Eigenverortung in einer Chronologie wirkt ebenso beliebig. Alles gleich nah oder fern: die Kreuzigung, Moses, Karl der Große, die Kreuzzüge, Rom. Für Fomenko natürlich weniger Zeugnis eines anderen Zeitempfindens als dafür, dass all das wirklich erst im selben Vorgestern geschehen war.
- Viele bemerkenswerte Behauptungen über alternative Chronologie-Auffassungen und merkwürdige Gleichzeitigkeiten im Mittelalter, hergeleitet aus russischen Historikern: neapolitanische Gladiatorenkämpfe im 14. Jahrhundert, Legitimation von Machtansprüchen durch später auf tausend Jahre vorher datierte Ereignisse.
- "Chronologie/Datierung biblischer Texte":
- Verächtliche Geste gegenüber chrononologischer Paläographie. Verständlich, zitiert man deren Wikipedia-Artikel: "Die Methoden bestehen dabei wesentlich in der Analyse der Buchstabenformen oder auch der Verwendung typischer Abkürzungen. Beides ist speziell bei Inschriften oft die einzige Datierungsmöglichkeit, da das Schreibmaterial (anders als bei organischen Stoffen wie Papier, Pergament oder Leder) kaum Datierungshilfen gibt." Fomenko sagt, der Abgleich mit bestehenden chronologischen Behauptungen ist ihre einzige Datierungsgrundlage.
- Laut Fomenko sind biblische Dokumente, deren Niederschrift auf prä 15. Jahrhundert datiert wird, spärlich; und allesamt nur über so Unzuverlässiges wie Paläographie oder Radiokarbondatierung (zu ungenau für eine Festlegung auf Jahrhunderte) verortet. Interessanterweise sagt er nichts zu den "Dead Sea Scrolls".
- "Schwierigkeiten/Widersprüche im Lesen alter Texte":
- Historische Knappheit physischer Verschriftlichungs-Ressourcen (denke Papier, Tinte, Meißel-Arbeit) verknappt Sprache/Informationsübermittlung: Konsonantenschrift, Gerüste, immer abhängiger von Interpretation statt dem konkreten Text.
- Vokale und damit stabilisierte Festlegungen wurden immer erst nachträglich und in Fomenkos Lesart natürlich so spät als möglich eingeführt.
- Sprachgeschichte, auch Uneindeutigkeit von Konsonanten (z.B. "l" vs "r"). Die Instabilität von Städtenamen bis zum Gutenberg-Zeitalter, als der Druck dann alles standardisierte.
- "Probleme der Scaliger-Bibel-Geografie":
- Vergleichsweise glaubwürdig, dass all die Datierungen und Verortungen aus der Bibel so gut wie gar nicht festzunageln sind, wenn man mal etwas genauer hinschaut; Fomenko hat leichtes Spiel, all die Jesus-und-Arche-usw.-Such-Archäologen vorzuführen.
- Putzigste Ausgrabung Fomenkos mit nicht zu leugnender Seltsamkeit: die "Basilica della Santa Casa" im italienischen Loreto wurde von der Katholischen Kirche tatsächlich als das Mutterhaus Christi mitsamt Datierung aufs 13. Jahrhundert angeführt. Fomenko lässt den Teil der Sage weg, wonach (laut Wikipedia) ein tatsächlich im Palästina-Nazareth stehendes Haus pünktlich im 13. Jahrhundert von Engeln nach Italien rübergetragen wurde, aber das macht die ganze Angelegenheit auch nicht weniger fishy. Siehe: http://en.wikipedia.org/wiki/Holy_House_of_Loreto
- Fomenkos Erfolg darin, vermeintliche historische Sicherheiten zu zerstören, wird durch sein ständiges Insistieren untergraben, "wenn es nicht exakt so gewesen ist, heißt das nicht, dass es stattdessen auch exakt so gewesen sein könnte?", d.h. neue auch nicht plausiblere Sicherheiten als Alternative anzubieten. Dass die Verortungen in Palästina und Ägypten wischi-waschi sind, nötigt ihm ein ständiges Angebot ab, die Bibelgeschichte dann stattdessen woandershin zu setzen.
- "Alte historische Ereignisse, Lokalisierungs-Issues":
- Von Wikipedia bestätigt: "Neapel" (Italien, uralt) kommt von "Neapolis", genauso wie "Nablus" (Palästina, uralt), und heißt in beiden Fällen "neue Stadt", also das gleiche wie "Karthago" (uralt). "Troia" ist eine Stadt in Italien (Apulien), gegründet im 11. Jahrhundert, und hat zumindest mehr Anspruch darauf, schon zu Lebzeiten so genannt worden zu sein, als die Ruinen, die Schliemann ausgegraben hat.
- Fomenko möchte zeigen, dass in alten Lesarten und Verortungen Babylon, Jerusalem, Rom, Konstantinopel, Troja und Kairo beliebig vertauscht wurden. Foglich kann man diese Verortungen beliebig auseinander und neu zusammen falten.
- Einige Alternativen zu Fomenkos Troja-Kritik:
- Meta-Infos: http://en.wikipedia.org/wiki/Geography_of_the_Odyssey http://en.wikipedia.org/wiki/Trojan_War#Historical_basis
- Mittelalterliche und antike Verortungs-Chaosse nehmen sich nicht viel; schon deshalb kann man auch Verortungs-Chronologien beliebig auseinander und zusammen falten.
- Im Mittelalter waren die Himmelsrichtungen auf Karten unseren heutigen 180° gedreht: Norden war unten, Osten war links. (Fomenkos Erklärung: Der Mittelalter-Mensch, der ins Mittelmeer segelt, hat den Süden vor und den Norden hinter sich.) Das erhöht die Verortungs-Verwirrung, wenn man sich an historische Textbeschreibungen wie "hinauf nach" oder "nach rechts" hält. Fomenko versucht zu zeigen, dass diese Verwirrung sich auch auf antike Autoren wie Herodot verlängert, die dann offenbar dasselbe kognitive Mapping hatten.
- "Moderne Analyse der Bibel-Geografie":
- Fomenko interpretiert, nachvollziehbar, der Bibel-Erzählung Berg Sinai/Horeb als einen Vulkan. Dann sucht er nach einem Vulkan und findet den nächstbesten erst im europäischen Vesuv. Ab hier wird es immer waghalsiger, als Fomenko versucht, weitere Namen aus der Umgebungs-Erzählung auf Italien zu mappen, wobei das Kriterium "die Konsonanten-Kombination passt mit etwas Hinbiegen und Augenzudrücken auf irgendeinen Ort irgendwo in Italien mit ähnlicher Konsonantenfolge" ihm als Beweis dafür reicht, dass Moses nur in Europa und frühestens vor fünfzehnhundert Jahren gelebt haben kann. In sich keine sehr stichhaltige Argumentation.
- "Die mysteriöse Renaissance als Scaliger-Produkt":
- Hihi, ja, Platon vs. Plotin fand ich auch schon immer verdächtig ;-) Fomenko fügt der Kette bedeutender Platonisten, die alle nur rein zufällig den selben Namen tragen, noch Plethon hinzu, wobei der laut Wikipedia den Namen explizit als Platon-Würdigung wählte; jedenfalls aber zählt dieser Plethon Fomenko wohl als der Flaschenhals für die moderne Platon-Überlieferung.
- Eusebius scheint laut Fomenko Personen und Ereignisse in die Vergangenheit historisiert zu haben, die scaligerisch nach Eusebius' Tod datiert werden.
- Der Codex Iustinianus wurde ab dem 11. Jahrhundert von Irennius propagiert, der wiederum Erennius, dem letzten bekannten römischen Rechtsgelehrten, ähnele.
- Und so weiter und so weiter, Dopplungen und Kontinuitäten. Und vor allem auch vieles, was die Scaliger-Schule als Rückbesinnung einer zuvor von ihrer Quelle verfremdeten barbarisierten Version bezeichnet: etwa die klassische Odyssee, deren Wiederentdeckung die erfindungsreichen mittelalterlichen Odysseus-Texte auf ihren Ursprung zurückführe. Oder war sie nur Pastiche-klassisierte Fälschung eines Textes, der eigentlich im Mittelalter entstand?
- Parallelisierte Philosophie-Geschichten. Das Mittelalter machte laut Fomenko genau die selbe geistesgeschichtliche Chronologie durch wie die Antike, sogar die Namen der Beteiligten glichen sich.
- Multiplikation der Namen. Jede relevante Person hatte viele Namen, wurde unterschiedlich bezeichnet je nach Kontext, säkulär oder weltlich, regional usw. Kontinuität dieser Namens-Vielfalten von der Antike bis zur Renaissance.
- Offenbar ist die Druckerpresse für Fomenko der Zeitpunkt, ab dem Text glaubwürdig datierbar wird. Im Handkopier-Wesen wittert er Fälschung und Neuerfindung. Griechisch, Hebräisch und Arabisch fassten aufgrund ihrer Schriftform erst spät Fuß auf der Druckerpresse; hier behielt die Handfälscher-Gilde am Längsten ihr Monopol auf die Klassik. Sei es nicht auffällig, dass die Kulturkreise, bei denen die Druckerpresse noch am Längsten auf sich warten ließ, plötzlich die meisten Texte aus glanzvoll fernster Vergangenheit wiederentdeckten?
- "Grundlagen archäologischer Methoden von Anfang an auf Scaliger basierend"
- "Barrow of King Bjorn"-Beispiel zeigt eine lange Kette von vermuteten/subjektiven Ähnlichkeiten und Verbindungen als Grundlage einer Gleichzeitigkeits-Datierung mit weit entfernten Kulturkreisen, deren chronologische Datierung dann wiederum auf höchst wackeligen dynastischen Chronologien aus Ägypten fußen, wo munter und nachweislich sehr großzügig in die Vergangenheit zurückdatiert wurde. Muster, auf das Fomenko vermutlich noch öfters hinaus will: Ihr kalibriert eure Messmethoden an Scaliger, also ist ja klar, dass sie Scaliger bestätigen.
- Pompeii und Herculaneum hält Fomenko für Städte des Mittelalters bzw. der Renaissance, aufgrund verdächtiger Graffiti (Ritter-Visore), renaissancisch anmutender Gemälde (Alexander vs. Darius) und christlicher Symbolik (das "Herculaneum Cross"). Er macht darauf aufmerksam, dass die ursprünglichen Freilegungen Pompeiis im 19. Jahrhundert alles Andere als sauber abliefen, eher Grabräuber-artig, und dabei alles weggeworfen werden dürfte, was nicht Scaliger-mäßig edel-uralt wirkte; so dass nur noch blieb, was durch den Altertums-Filter passte.
- Warum erodieren Altertümer, die Jahrtausende durchgehalten haben sollen, in der Neuzeit plötzlich schneller? Fomenko hält Umweltverschmutzung der Moderne für eine unglaubwürdige Erklärung.
- Jeder, der den Kölner Dom als mittelalterliche Kathedrale versprochen bekommt, fühlt sich betrogen, so auch Fomenko. Seine Aufregung und seine Fragen wirken gekünstelt naiv, wenn man bedenkt, dass die sehr späte Fertigstellung des Großteils des Gebäudes ja nun kein großes Geheimnis ist.
- "the time when the rather inexperienced humanity could not have fathomed the intricacies of iron metallurgy" als Zweifelgrund für die Altdatierung eines Objektes, ach Fomenko, du bist ja nun auch nicht gerade vorurteilsfrei!
- Ein chemisches Argument über Zinn und das Bronze-Zeitalter, das ich nicht beurteilen kann; es führt aber dazu, dass Fomenko Zeugnisse des Bronze-Zeitalters aufs 15. Jahrhundert datiert.
- "Probleme/Dendrochronologie und anderer Datierungsmethoden"
- Dendrochronologie: Nutzbarkeit kontextabhängig, absolut nur an Kontinuitäten von heute zurück zu Zeitpunkt x kalibrierbar, für Europa liegen solche Kontinuitäten nur für die letzten tausend Jahre vor, davor wird's brüchig, sind Verortungen nur noch relativ zu anderen Maßstäben, nicht mehr absolut aus sich selbst heraus möglich: Dendrochronologie wird laut Fomenko hier zu einer Funktion Scaligers.
- Analyse von Sedimenten, "radium-uranium and radium-actium analysis" zu ungenau für historische Datierungen, lokale Abweichungen gigantisch.
- "Radiokarbon-Datierungen vertrauen?":
- Bei Radiokarbon-Datierung wirft sich Fomenko verschiedentlich entweder auf die Seite der Physiker, wo sie bereits Scaliger-datierte Objekte empörend umdatieren (was üblicherweise in deren Klassifizierung als "Fälschung" mündet), oder auf Seite jener Historiker, aus deren Sicht die Radiokarbon-Methode etwas auf viel zu früh datiert. Er scheint sich nicht ganz entscheiden zu können, ob die Methode schlicht zu ungenau ist, um irgendetwas auf ein paar Jahrhunderte genau zu datieren, oder ob sie zu genau ist und deshalb Scaliger-Historiker Physikern nur selten und dann mit vielen Suggestiv-Hinweisen zur Kalibrierung und Fehler-Eliminierung irgendein Objekt zur Radiokarbon-Datierung überlassen, die innerhalb der als sicher geltenden Chronologie (also post Prähistorie) vermutet werden.
- Fomenko glaubt der Radiokarbon-Datierung des Turiner Grabtuchs, denn es passt ihm prima ins Bild, dass Jesus im 12. Jahrhundert gelebt haben muss.
- Das Turiner Grabtuch als "carbon copy" der eingewickelten Person, gefällt mir, die Phrase. Heute nennen wir sowas Klonen!
- "Kritische Analyse der Grundannahme der Radiokarbon-Methode":
- Ok, Fomenko fährt durchaus auch etwas naturwissenschaftliche Argumentation auf, mitsamt Graphen und chemischen Formeln. Ich glaube, erstaunlich viel nachvollziehen zu können, für eine kritische Würdigung fehlt mir aber natürlich die Erfahrung im Gebiet. Jedenfalls scheint es darauf hinaus zu laufen, dass Radiokarbon-Datierung immer sehr leicht ins Ältere irren kann, extrem kontextabhängig kalibriert werden muss -- wobei hierfür meist die Maßstäbe fehlen für Datierung europäischer Objekte --, und derzeit keine Genauigkeit haben mag, die für chronologische Verortungen binnen der historischen Jahrtausende brauchbar wäre.
- Aufforderung an die Physiker, doch bitte nicht den Historikern blind als Kalibrierungsgrundlage zu trauen.
- "Zusammenfassung":
- "It would be expedient to check whether the radiocarbon method can actually be made independent from written soures." (p. 88-89)
- Physikalische Datierungen sind laut Fomenko für historische Chronologie im Großen und Ganzen unbrauchbar/zu ungenau und fehleranfällig.
- Archäologische Datierung im Allgemeinen basiert auf oft wackeligen Spekulationen über Verwandtschaften, Gleichzeitigkeiten und die Validität von Scaligers Chronologie.
- Scaligers Chronologie dient allen derzeitigen Methoden historischer Datierung im Großen und Ganzen als Leitlinie, wodurch sie sich von diesen permanent von Neuem bestätigt sieht.
- "Numismatische Datierung":
- Die Münze an sich scheint ohne Scaliger-Herrscherlisten-Chronologie völlig undatierbar.
- Trotzdem bemüht sich Fomenko, aus Gearbeitetheit, Uniformisierungsgrad und Material chronologische Schlüsse zu ziehen. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, beginnt in seiner Neuen Chronologie das Goldmünzenwesen erst im späten Mittelalter, jedes hochwertige Münzwerk wird von ihm auf frühestens diese Zeit datiert.
- "Astronomische Datierungen":
- "Seltsamer Sprung vom Parameter D in der Theorie der Mondbewegung":
- Der Parameter D ist offenbar die zweite Ableitung der sich verändernden Elongation des Mondes. Die Elongation eines Himmelskörpers ist der Winkel zwischen den beiden Achsen Erde-Sonne und Erde-Himmelskörper.
- Und Robert Russell Newton habe sich das Verhalten dieses Parameters anhand von Überlieferungen der letzten Jahrtausende mal näher angesehen und dabei seltsames Verhalten von 700 B.C. bis 1300 A.D. entdeckt.
- "Wurden die 'Alten' und mittelalterlichen Eklipsen korrekt datiert?":
- Der http://en.wikipedia.org/wiki/Saros_cycle beschreibt zeitlich-geographische Muster für Sonnen- und Mondfinsternisse, erfordert aber ausdauernde Beobachtungen über Jahrzehnte hinweg und beachtliche rechnerische Komplexitäten, vor allem zur Einarbeitung diverser Verunsicherungsfaktoren. Für Fomenko sind deshalb alle seine Anwendungen prä Kopernikus / 16. Jahrhundert mit Vorsicht zu genießen. So viel Schläue traut er unseren entfernteren Vorfahren nicht zu.
- Alte Beschreibungen von Eklipsen sind entweder zu vage, um sie mit den Formeln der Astronomie auszuwerten, oder zwar recht genau, widersprechen dann aber ihrer scaligerischen Datierung. Morozov datierte so alles prä 6. Jahrhundert auf wesentlich später; Fomenko zieht mit jetzt noch für alles bis zum Hochmittelalter nach.
- Fomenko misstraut unserem Wissen über Thukydides: Vor zweieinhalbtausend Jahren, als die Babylonier noch in Tontafeln ritzten und die Griechen noch kein Papier kannten, soll jemand ein 800-seitiges Traktat (Geschichte des Peloponnesischen Krieges) dieser literarisch-sprachlich-skeptischen Qualität verfasst haben?
- Wie sich diverse Astronomen an der Chronologie der drei Eklipsen abarbeiteten, die Thukydides im Verlauf seines Textes streift, und sie mit ihren Chronologien und Astronomie-Verständnissen passend zu machen versuchten. Für Fomenko dagegen ist der Fall klar: Aus Thukydides lässt sich eine präzise astronomische Anordnung herauslesen, die nur ins Mittelalter datiert werden kann. Fomenko lehnt sowohl Erfindungsfreude Thukydides' als auch nachträgliche Textveränderungen als wahrscheinlichere Erklärungen ab.
- Und auch Livius beschreibt Eklipsen, die eigentlich nur Konstellationen in den tausend Jahren nach seinem Tod beschreiben können sollen.
- "Die 'Alten' Eklipsen ins Mittelalter verschieben behebt das rätselhafte Verhalten des Parameters D":
- "Astronomie schiebt das 'Alte' Horoskop ins Mittelalter":
- Die vierdimensionale Bewegung der Himmelskörper im Sonnensystem ("Planet" heißt "Wanderer" auf Griechisch) aus Sicht eines Erdenbewohners ist für die Alten zu komplex, um sie als einfach determiniert zu begreifen; stattdessen mystisch, von Bedeutung und Leben erfüllt. So entsteht Astrologie, ganz rational als Versuch, zwei noch nicht in Regelmäßigkeit aufgelöste Phänomene -- den Himmel und das Schicksal -- miteinander zu korrelieren. So mystobabbelnd astrologische Aufzeichnungen aus dem Mittelalter auch sein mögen, sie sind astronomisch vertrauenswürdig, denn aus ihnen spricht eher die Neugier einer objektiven wissenschaftlichen Beobachtung als ein Zurechtbiegen zugunsten bestimmter Interpretationen.
- Heute dagegen, wo wir den Himmel verstehen, hat er jede Mystik für uns und damit jede Bedeutung verloren. Wir ignorieren ihn und ordnen unsere Erinnerungen nicht mehr nach Mondverläufen auf.
- Horoskope in historischen Quellen waren ein naheliegender Datierungstrigger. Die möglichen Ergebnisse wurden dann nach scaligerischer Vorgabe selektiert; wenn die Selektion kein scaligerisches Vorbild übrig ließ, musste das Original-Horoskop korrigiert/so lange hingebogen werden ("hier irrt der Autor"), bis es möglich war.
- Morozov nun habe die Selektions-Vorgaben aufgeschüttelt, mehr Ergebnisse zugelassen, und habe so spätere Datierungen für wahrscheinlicher befunden. Fomenko wiederum weite das aus, um mehr Ergebnisse für den Zeitraum des Spätmittelalters zu bekommen.
- Hier deutet sich an, wie gern Fomenko in allem Vorurteile sieht, was die Scaliger-Chronologie bestätigt, das Hinbiegen dagegen, das seine eigene Gegen-Geschichte stützen würde, als "vorurteilsfrei" bezeichnet. Für Fomenko gibt es nur die falsch-vorurteilsbelastete Seite des Gegners und die richtig-objektiv-vorurteilsfreie eigene.
- Fomenko miststraut allen astronomischen Infos in alten Texten, die Scaliger bestätigen. Kein Problem hat er dagegen mit ihnen, wenn er in sie die Bestätigung seiner Thesen hineinlesen kann, so wie bei Thukydides.
- In papiern überlieferte Texte hätten die Neuzeit-Astronomen alle möglichen Planeten-Konstellationen und Eklipsen für ein früheres Datum berechnet, denn das geht ab einer gewissen Astronomie-Könnerschaft, und reingeschrieben, denn das ist ja einfach. Monumente, Stein, direkt von den historischen Zeiten bis heute überliefert, da könnte dagegen mit mehr Sicherheit tatsächliche zeitgenössische Himmelsbeobachtung zu finden sein!
- "Einige Beispiele ägyptischer Tierkreiszeichen":
- Misstraue dem Papier, vertraue dem Monument!
- Der ägyptische Tempel-Komplex von Dendera (den Fomenko spontan für ein christliches Kloster erklärt, schließlich sei er so geformt) wird scaligerisch auf spätestens die Zeit der Julio-Claudischen Dynastie datiert, enthält aber ein Horoskop, das für Fomenko frühestens ein halbes bis anderthalb Jahrtausende später Sinn ergibt. In der Erläuterung hierzu wird er aber abgelenkt von seiner Begeisterung dafür, antiken und altägyptischen Götter- und Planetenpersonifizierungs-Darstellungen Attribute des Christentums und der asiatisch-ottomanischer Bedrohungen des Mittelalters anzudichten.
- Weitere astronomische Artefakte und die Geschichte der Datierungs-Streitereien um sie.
- Und wir haben das natürlich korrekt alles aufs Mittelalter datiert. Weil, wir hatten Computer! (Die Argumentationsschiene gab er auch schon früher für die eigenen Kontra-Datierungen. Er hat zigmal den Namen des Computerprogramms beworben, mit dem er rumrechnete. Jetzt erstmals kann völlig objektiv jede rechnerische Komplexität bezwungen werden!)
- Dann kamen die Neue-Chronologie-Kritiker und sagten: "Haha, Daten in einen Computer laden und dann rumrechnen können wir auch!" Dass sie zu anderen Ergebnissen kamen, erklärt Fomenko damit, dass sie halt die falschen / falsch selektierten Daten in den Computer geladen hätten. Er schreibt über ihr Bemühen "'research'", also in Anführungsstrichen.
- "Astronomie im Neuen Testament":
- Fomenko verspricht weitere Astronomie-Datierungs-Revisionen für die Offenbarung des Johannes und die Kreuzigung Jesu.
- "Neue Datierung astronomischer Horoskope aus der Offenbarung des Johannes":
- "Untersuchungsmethode":
- Wenn ich Fomenko richtig verstehe, will er mittelalterliche Horoskop-Codes auf die scaligerisch antik datierte Apokalypse anwenden.
- "Allgemeine Infos zur Apokalypse und die Zeit ihrer Niederschrift":
- Die Offenbarung des Johannes ist sowohl in ihrer Bibel-Positionierung als auch in ihrer Datierung sehr umstritten, da gibt die Wikipedia Fomenko recht. Für Fomenko ergibt sie aber auch vor allem erst Sinn, wenn man mittelalterliche Astrologie auf sie projiziert.
- "Ursel Major und der Thron", "Kassiopeia / Thron = Thronsitz Jesu im Mittelalter", "Jupiter im Schützen", usw. usf., "Astronomische Datierung der Apokalypse durch ihr Horoskop":
- Als astrologischer Text gelesen legt die Apokalypse eine Datierung auf das Jahr 1486 nahe. Das würde insoweit Sinn machen, weil, so Fomenko, 1492 als Endzeit-Punkt erwartet wurde, also ein aktuelles Werk für den Weltuntergang in sechs Jahren. Weiter führt Fomenko an, dass die Apokalypse in der Niederschriftsreihenfolge nicht als eines der letzten Bücher des Neuen Testaments, sondern als eines der ersten des Alten Testaments begriffen werden müsse.
- "Rekonstruktion des Ur-Inhalts der Apokalypse":
- Fomenko interpretiert in die Apokalypse und vor allem in ihre mittelalterlichen Interpretationen Schusswaffen hinein.
- "Astronomie im Alten Testament":
- "Mittelalterliche Astronomie im Buch des Ezechiel":
- "Ezechiel" bedeutet nur "Gott wird overkommen" und braucht deshalb nicht für eine historische Person gehalten zu werden, entspricht mehr einer Beschreibung des Inhalts.
- Allgemein werdem dem Neuen Testament viele Bezüge / Zitate auf dieses Old-Testament-Buch unterstellt. Fomenko dreht den Spieß um: Offenbar zitiert Ezechiel viel aus dem Neuen Testament, das also folglich vorher geschrieben wurde. Für Fomenko wurde der ganze Bibel-Korpus vom 11. bis 17. Jahrhundert verfasst.
- Fomenko erörtert breit, auch hier könne man locker die Metaphern und Bwegriffe konkreter mittelalterlicher Astronomie raufmappen; aber man finde keine konkreten Informationen für eine Datierung. Damit meint er wohl: keine astronomische Lesart, die in die Fomenko-Chronologie passt.
- "Prophezeihung des Sacharja, Zeitpunkt ihrer Niederschrift":
- Wie bei Ezechiel: kein Personenname, sondern Gottesbegriff; astronomisches Begriffssystem, aber keine Datierbarkeit in der Fomenko-Chronologie; Bezüge aufs Neue Testament (es ist die Rede von dreißig Silberlingen!), also danach geschrieben.
- "Prophezeihung des Jeremias, Zeitpunkt ihrer Niederschrift":
- Das Gleiche. Ein Komet wird reininterpretiert, eigne sich aber nicht für eine Datierung.
- "Jesaja":
- Das Gleiche, mit Komet. Hier interpretiert Fomenko viele Jesus-Erwähnungen in der Vergangenheits-Form hinein, ein weiterer Beweis für ihn, dass das Alte Testament und das Neue Testament chronologisch den Platz tauschen müssen.
- "Daniel":
- Das Gleiche, mit Komet.
- Mehr und mehr scheint Fomenko nicht so sehr die traditionelle Lesart zu widerlegen, sondern die Lesart durch seinen Lehrmeister Morozov; um ihm nachzuweisen, seinen Chronologie-Falsifizierungs-Rahmen nicht weit genug gespannt zu haben, muss er dessen astronomische Spät-Datierungen von Bibel-Ereignissen ja mehr und mehr ins Unglaubwürdige ziehen.
- Das Althebräische habe keine grammatische Zukunftsform gekannt, weshalb diese kontextabhängig reininterpretiert werden musste; und plötzlich hat man ganz viele Prophezeihungen! Für Fomenko natürlich praktisch, das zerlegt jede Zeitrichtung im Bibeltext in beliebige Auslegbarkeit nach vorne oder hinten.
- "Methode zur Datierung alter Ereignisse durch mathematische Statistik":
- Fomenko betont, seine "empirico-statistical" Methode an der Geschichte ab dem 16. Jahrhundert verifiziert und kalibriert zu haben. Schön und gut, so lange man davon ausgeht, dass die Geschichte vom 16. bis 20. Jahrhundert mit der gleichen Dynamik verlief wie die der Jahrtausende davor.
- "Methode der Lokalen Maxima":
- Nimm irgendeinen historischen Text mit chronologischem Anspruch, zerteile ihn in die behandelten Jahre, analysiere das Volumen das jedem Jahr gewidmet wird (in Textmenge, Erwähnungen von Orts- und Personennamen usw.), baue einen Graphen dieser Volumina mit der Chronologie als x-Achse und der Volumen-Größe als y-Achse, markiere lokale Maxima der Funktion.
- Jetzt vergleiche diesen Graphen mit den Graphen anderer historischer Texte mit chronologischem Anspruch, um Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Chronologien herauszubekommen. Abhängige Texte werden sich in den Maxima ähneln; eine Verschiedenheit der Maxima dagegen deutet auf Unabhängigkeit der Chronologien voneinander.
- Viele Formeln und Darstellungsweisen, nicht wirklich mir verständlich; dabei behauptet Fomenko, er habe sich bemüht, es Laien-freundlich zu vereinfachen.
- Am Ende aber steht ein Mittel zum mathematischen Korrelieren chronologischer Texte unabhängig von deren sprachlichem Inhalt oder von deren Kontext.
- "Volumen-Funktionen historischer Texte und das Amplituden-Korrelations-Prinzip":
- Ein Gesetz des Respekts vor spärlichen Informationen: Die Volumen-Ähnlichkeiten für Perioden mit spärlicher Überlieferung sind im Allgemeinen größer als die für Perioden, über die viel überliefert ist. Im einen Fall klammert man sich an das Wenige, was man hat, im anderen hat man viel Freiheit zur kreativen Auswahl. Für Fomenko sind es also vor allem diese Perioden, die einen guten Vergleichsmaßstab bieten.
- Und, oh Wunder, angewandt auf einige russische Chronologien entdeckt er so nicht nur viele Abhängigkeiten anhand der spärlich überlieferten Perioden, sondern zugleich, zumindest nach viel Herumgefalte in seinen Darstellungssystemen (wieder viel Statistik- und Mathematik-Formelei, der ich nicht folgen kann), vor allem Ähnlichkeiten in den Volumen-Mustern von Epochen, die von den überliefernden Chroniken als nicht-identisch, Jahrhunderte auseinanderliegend behauptet wurden.
- "Maxima-Korrelations-Prinzip angewandt auf die, äh, Streifen-Epoche russischer Geschichte (1584-1619)":
- Sieht nach einer Beispielrechnung für eine vergleichsweise sichere Epoche aus, die nochmal die Methode bestätigen soll, nicht so sehr irgendwelche chronologiekritischen Thesen.
- "Methoden für die Erkennung und Datierung königlicher Dynastien".
- Königs- bzw. Herrscherzeiten-Listen und viel Mathematik-Statistik-Kalibrierung um sie herum für Abhängigkeits-Bestimmungen und das Ausbügeln der kleinen Fehler, die von den Chronologen erwartet werden können (das Verdrehen zweier direkt aufeinander folgender Herrscher, das Zusammenlegen zweier Herrscherzeiten zu einer, kleine Ungenauigkeiten in den Längen).
- "Frequenz-Eindampfungs-Prinzip. Methode fürs chronologische Ordnen historischer Texte":
- "we aim at creating a method of dating based on numeric, or quantitative characteristics of text, not necessarily stipulating the analysis of their semantic content, which may be ambiguous and vague" (p. 223)
- Langzeitliche Texte deren innere Chronologie-Einteilung unklar ist lassen sich einteilen in Generationen-Kapitel, indem man nachschaut, welche Anordnungen von Namen in welchen Teilen des Texts mit welcher Häufigkeit auftreten. Ein Set von Namen wird kaum in Passagen auftreten, die die Zeit vor der Geburt ihrer Träger beschreiben; seine Blütezeit in den Passagen erleben, wo ihre Träger am Leben sind; und in der Zeit, in der sie dem Vergessen anheim fielen, immer seltener referenziert werden.
- "Anwendung der Methode auf einige konkrete historische Texte":
- Die Methode lasse sich auf diverse Texte anwenden/anwenden, und wo nicht, deute das darauf hin, dass an den Chronologien der Texte was nicht stimmt!
- "Die Methode angewandt fürs Datieren von Ereignissen":
- Hinreichend Überschneidungen in den Sets verwendeter Namen vorausgesetzt, die als Aufhänge-Haken dienen können, lassen sich natürlich auch externe Texte dem solcherart sortierten Text einfügen, um eine neue Super-Chronologie zu erzeugen. Auf diese Weise kann man Texte, die bekanntermaßen von einem bestimmten historischen Ereignis berichten, in die Chronologie einhängen, um dieses Ereignis zu datieren.
- "Frequenz-Verdoppelungs-Prinzip":
- Dieses Generationen-Mapping von Texten kann man auch verwenden, um Duplikate zu finden: Dasselbe Set von Namen tritt verdächtigerweise vor allem an zwei weit auseinanderlegenden Passagen der Chronologie auf!
- "Statistische Analyse der Bibel":
- Um die Texte der Bibel umzusortieren, muss Fomenko nur seine Generationen-Datierungs-Methode von Personen-Namen auf beliebige Strings oder gar Regular Expressions ausweiten. Sich wiederholende Muster dürften dann genauso wie Personen vor ihrer Geburt gar nicht und direkt nach ihrer Geburt am Meisten erwähnt werden und müssten dann langsam verblassen. Nachdem er diese Sortierfunktion über die Bibel-Texte legt, schließt er, dass das Alte und das Neue Testament ineinander neu gemischt werden und vor allem vieles Neue vor vieles Alte gehört, vor allem die Apokalypse in die selbe Generation wie die Prophezeiung von Daniel.
- "Methode der Form-Codes. Vergleich zweier langer Ströme königlicher Biografien":
- Fomenko erstellt eine Liste leicht quantifizierbarer Eigenschaften, die aus einer Königsbiografie abgelesen werden können, wie Lebens- und Regierungslänge, Ausmaß und Ausgang geführter Kriege, parallele Naturkatastrophen usw. usf. Jetzt ans Vergleichen verschiedener Königsbiografien: Punkt für Gemeinsamkeit, Punkte-Abzug für Unterschiedlichkeit in einer Eigenschaft. Eine Parallelität zweier königlicher Lebensläufe nennt Fomenko aber statistisch noch irrelevant / da würden sich zu leicht welche finden lassen. Aber eine Serie hoher Parallelitäten über den Verlauf einer ganzen Dynastie ...!
- "Korekte chronologische Sortierung und Datierung alter Landkarten":
- Analog der Herrscherbiografien-Eigenschaftenliste erstellt Fomenko eine für Karten. Es müsste doch möglich sein, auf den Körper der überlieferten Karten das selbe Prinzip anzuwenden?
- Dann schleift das Argument in eine etwas andere Richtung: Fomenko geht davon aus, dass sich Karten chronologisch über ansteigende Qualität ordnen lassen müssten: Alte Karten sind vage und fehlerbehaftet, neue Karten sind genau und korrekt, ein einmal ausgemerzter Fehler wird nicht wiederkehren, einmal erlangtes geographisches Wissen nicht verschwinden.
- Fomenko bespöttelt im Geiste seiner Karten-Fortschrittsideologie rege diverse Karten des 15./16. Jahrhunderts. Wie primitiv! Das muss ganz am Anfang der Kartenkunst sein! Unmöglich, dass davor überhaupt schon Karten existierten, wenn der Stand der Zeit so niedrig und phantastisch war!
- Er bringt aber einige hübsche Beispiele für Karten-Phantastereien jener Zeit, die, sollte er sie korrekt verorten und beschreiben, tatsächlich den Eindruck entstehen lassen, die Kartographen hätten eher in homerischen Fantasien gelebt als in der beginnenden Neuzeit.
- Verdächtig: Prester John sein Königreich. Christentum in Afrika im späten Mittelalter? (Dabei haben die Muselmanen das Christentum doch von dort kurz nach der Spätantike vertrieben ...)
- "Konstruktion einer globalen chronologischen Karte":
- "Lehrbuch alter und mittelalterlicher Geschichte in Scaliger-Petavius-Datierung":
- Fomenko bastelt sich eine große Karte aller Ereignisse der Weltgeschichte von 4000 B.C. bis 1900 A.D.
- "Mysteriöse Duplikat-Chroniken innerhalb derselben":
- Die Chroniken der Geschichte der Stadt Roms 753-236 B.C. duplizieren sich 300-816 A.D., sind voneinander abhängig, stellt Fomenko fest, sobald er die im vorherigen Kapitel erarbeiteten statistischen Schablonen drüberlegt.
- "Dasselbe für mysteriöse duplikate königliche Dynastien":
- Fomenko präsentiert tausend Millionen Graphen zu den Regierungslängenabfolgen in verschiedenen Dynastien, die ich in seiner Interpretation/Darstellung verdächtig ähneln / Abhängigkeiten zeigen / spiegeln, wobei er munter zwischen den Jahrtausenden und den Königen des alten Israels, verschiedenen Perioden der verschiedenen Römischen Reiche, den Karolingern, den russischen Zaren und den Habsburgern hin und her springt.
- "Habsburg" bedeutet für Fomenko "Habe Burg", wobei er letzteres mit "Stadt" gleichsetzt und ersteres nach ein bissel Sprachenrumgeschichte mit "Neu". Die Habsburger waren also die Neustädter oder Novgoroder oder ... (Er betont, vermutlich sei ihr Kernherrschaftsgebiet nicht in Mitteleuropa gewesen.)
- "Kurztabellen einiger erstaunlicher dynastischer Parallelismen":
- Detaillierte Betrachtungen der Dynastien-Parallelismen. Tausend weiter Tabellen. Fomenko lässt keine Chance ungenutzt, durch viel Buchstaben- und Namens-Deutungs-Rumgeschiebe parallelen Königen Ähnlichkeiten zu unterstellen. Auch immer wieder Bezug auf die Habsburger, deren Spiegelbild alles sei, die aber selbst wiederum vermutlich nach Russland oder so transplantiert werden müssten.
- "Konformität der Resultate via andere Methoden":
- Die Parallelen lassen sich nicht nur durch den statistisch-mathematischen Apparat beweisen, den ich im letzten Kapitel skizzierte, sondern auch durch den statistisch-mathematischen Apparat beweisen, den ich im letzten Kapitel skizzierte! (Ach ja, und sie bestätigen angeblich auch Fomenkos Astronomie-Daten-Verschiebungen.)
- "Allgemeine Gestalt der Duplikate im Scaliger-Petavius-Lehrbuch":
- Fomenko meint: Scaliger hat eine ursprüngliche mittelalterliche Chronologie einfach viermal in die Vergangenheit dupliziert, mit Abständen von 333, 1050 und 1800 Jahren. (Ich zähle drei Jahresmengen, also hat Scaliger für Fomenko die Chronologie wohl einmal zeitlich parallelisiert?)
- "Scaliger-Lehrbuch der alten Geschichte als Zusammenbau von vier Duplikation einer ursprünglichen kurzen Chronologie":
- Es gibt kein chronologisches prä 960 A.D., das sich nicht als Duplikat späterer Chronologie erweist.
- "Liste 'alter' Phantom-Ereignisse. Deren Naktmachung und Rückführung auf mittelalterliche Originale":
- Odysseus = Sulla = Otto I. Agamemnon = Pompeius = Diokletian = Justinian/Theodora = Otto III. Achilles = Julius Caesar = Constantius Chlorus.
- Die Chronologen des 16./17. Jahrhunderts sahen sich diversen Quellen gegenüber, die die selbe siebenhundertjährige Chronologie beschrieben, failten aber, diese Identität zu erkennen, und ordneten sie deshalb chronologisch hintereinander an.
- "'Alte' biblische Geschichte identifiziert als Geschichte des europäischen Mittelalters":
- Die Bibel beschreibt die Geschichte des Mittelmeerraums im Mittelalter. Das alte Israel ist das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. (Ich frage mich, woher die Juden kommen?) Das Exil der Päpste in Avignon entspricht der jüdischen Gefangenschaft in Babylon.
- "These: Überlieferte Geschichte beginnt erst im 10. Jahrhundert. Von davor wissen wir nichts":
- Alles, was wir über die Zeit vor dem 10. Jahrhundert wissen, ist nur Spiegel von Ereignissen aus der Zeit von 900 bis 1300. Alles was wir von letzterer Zeit wissen, ist zur Hälfte wahr und zur Hälfte ein Spiegel von Ereignisse ums (tatsächliche, aber ganz andere?) Habsburger-Reich von 1300 bis 1600. Viel Geschichte wurde im 16./17. vielleicht absichtlich in die tiefe Vergangenheit hinein erfunden oder projiziert.
- "Authentische Geschichte beginnt erst im 17. Jahrhundert":
- Auch die Zeit, über die wir bereits was wissen, ist bis vors 17. Jahrhundert zu großen Teilen verzerrt / verfälscht.
- "Radikale Unterscheidung zu Morozov":
- Kaiser Antoninus Pius (86-161) = Kaiser Maximilian I (1459-1519). Albrecht Dürer wusste es! Und deshalb bezieht sich die Almagest auch auf eine Publikationszeit unter Kaiser Pius, obwohl sie nur aus der Zeit Kaiser Maximilians, in der sie auftauchte, astronomischen Sinn mache.
- "These über die Ursachen der verfälschenden Chronologie-Verschiebungen in alter Geschichte":
- Viel chronologische Verwirrungen durch Fehldatierung von Jesus, der eigentlich ins 12. Jahrhundert gehört. Zuerst verlegt man ihn ins 11. Jahrhundert und damit diverse sich auf ihn beziehende Datierungen auch auf ein Jahrhundert früher. Dann gab man noch eine Zehnerpotenz hinzu, und plötzlich war alles nicht nur 100 Jahre zu jung, sondern 1100 Jahre.
- Man datierte gerne ab Jesus, wobei mal X, mal I für Jesus standen. Diese Buchstaben am Anfang von Jahresangaben wurden mit der Zeit immer mehr zu Zahlen transformiert. So lässt sich ein Sprung von tausend Jahren erklären: Wer in Jahrhunderten zählte, gewann aus der Angabe "V. Jahrhundert nach X" (geschrieben X.V) plötzlich "XV. Jahrhundert". Das I dagegen wurde zur Einheit für 1000, irgendwo im Übergang zum arabischen Zählen. Auffälligerweise sei in vielen alten Schriften für Jahresangaben nicht eine arabische 1, sondern ein I oder ein J als Jahrtausend-Einheit vorangestellt, oft noch abgetrennt mit einem Punkt -- lesbar auch als "nach Jesus xxx Jahre". Irgendwann war man sich dann nicht mehr sicher, was für was steht, und das I/J standardisierte sich zur Tausender-1.
- Fomenko kommt in Verbindung mit der von ihm postulierten Zeit Jesu immer wieder auf Papst Gregor VII. / "Hildebrand".
- Fomenko arbeitet sich an einem Dokument ab, das belgische Goldschmiede bis zum 18. Jahrhundert verzeichnet, um daran die Geschichte der sich verändernden Datierung aufzuzeigen; wie aus J/I die 1 wurde. Ganz nebenbei, ich frage mich ob ich ihn da richtig verstanden habe, stellt er auch noch die These auf, die arabischen Ziffern 5 und 6 hätten ihre Bedeutung im Verlauf der Jahrhunderte vertauscht, was gut zur Verwirrung des 100-Jahre-Sprungs passt, den er dem 1000-Jahre-Sprung immer noch nebenzu stellt.
- Dann werden auch alle anderen römischen Buchstaben für Jahresangaben zerschreddert. In Fomenkos Jahresangaben-Welt können Anordnungen von M, D, C und L genausogut für Zahlen stehen wie für Herrscher-Initialen, Präpositionen usw., vor allem da, wo sie z.B. durch Punkte isoliert / von einer anderen solchen Zeichenfolge abgetrennt werden. (Was ursprünglich hieß "im III. Jahr von Kaiser M.D.C." wird zu "MDCIII" als Zahl.) So bleibt am Ende eigentlich wenig übrig, was man überhaupt noch eindeutig als Jahreszahl lesen kann. Aber, gut, er hat natürlich einen Punkt daran, dass das römische Zahlensystem viele gefährliche Einfallstore für Mehrdeutigkeiten bietet.
- Für Fomenko ist das Römische Königreich das 1. Römische Reich und identisch dem Habsburger-Imperium. Byzanz ist das eigentliche Rom, jedenfalls wurde Konstantinopel zuerst gegründet (wobei er andeutet, es sei Neues Rom genannt worden, weil es die Fackel von Alexandria übernahm), im 11. Jahrhundert; das italienische Rom folgte dann erst im 14. Jahrhundert. Diverse kulturelle Verwirrung, wer wen beeinflusst, lasse sich so erklären; und es schafft natürlich einen ganz neuen "ab urbe condita"-Maßstab, und erklärt einiges chronologisches Durcheinander so, dass man sich nie einig wurde, ab welcher urbe condita man denn zähle. (Dann war wohl auch Griechisch die ursprüngliche Sprache des Alten Roms?)
- Im 16. Jahrhundert beginnt, man sich über Kalenderreformen, Jahreszählungen und die Chronologie die Köpfe einzuschlagen. Das Konzil von Trient braucht 18 Jahre, um die neue Weltordnung festzulegen.
- "Upon 'returning' all ancient chronicles that 'time-travelled' backwards", from the mediaeval period of the X-XVII century A.D. into 'antiquity', we find out that the history of Europe, the Middle East, and Egypt is covered in just as much detail as the history of the 'younger cultures': Scandinavia, Russia, Japan, etc. The 'levelling of cultures' may possibly reflect a natural circumstance -- a more or less simultaneous naissance of civilization in different regions of the world and their parallel evolution." Denn der Eurozentrismus der Geschichte und der Zivilisationsentwicklung ist unnatürlich! #InferiorityComplex
- Dionysius Exiguus ("der Kleine") datierte Anfang 6. Jahrhundert Jesus auf fünfhundert Jahre früher (wodurch die Anno-Domini-Zählung startete) und ist für Fomenko identisch Dionsysius Petavius (der Nachname lässt sich für Fomenko übers Lateinisch-Französische zu "der Kleine" übersetzen), der im 17. Jahrhundert die Scaliger-Chronologie ausarbeitete und doch eigentlich nur fünfhundert Jahre von seiner Lebenszeit abziehen musste, um auf die Fomenko-Datierung von Jesus im 12. Jahrhundert zu gelangen.
- "Stratifizierte Struktur des Scaliger-Lehrbuchs alter Geschichte":
- Stern von Betlehem: 1152. Kreuzigung: 1185. Thukydides, Livius: 11. oder 12. Jahrhundert. Almagest: um 1500. Dendara.Tierkreszeichen: 12. Jahrhundert.
- "Koordination neuer astronomischer Datierungen mit dynastischen Parallelen":
- Ah, jetzt sagt er's endlich relativ klar: Papst Hildebrand / Gregor VII. entspricht irgendwie für Jesus, ist seine Reflektion oder sowas.
- "Seltsamer Scaliger-Lapsus nahe dem 'Beginn der neuen Ära'":
- Die großen kontinuierlichen Chronologien, die Olympiade und ab Urbe condita, enden in Scaligers Zeitrechnung alle in einer chronologischen Sackgasse, d.h. ohne Fackelübergabe an einen Nachfolger. Es gibt eine Lücke in der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts zwischen dem Ende von A.U.C.-Datierungen und der Ära Diokletians, die die Fackel an die A.D.-Zählung abgab.
- Schlimmer noch, keine Herrscher-Dynastie scheint im chronologischen Graben zwischen dem Jahre -30 und dem Jahre 260 jenseits der römischen fortgedauert zu haben, zumindest laut den Quellen, die Fomenko als Maßgabe nimmt. Zeichen eines Bruchs bzw. eines unachtsamen Zusammenpastierens der Spiegel-Chronologien!
- "'Dunkle Zeitalter' in mittelalterlicher Geschichte":
- "Mysteriöse Renaissance des 'Klassischen Zeitalters' im mittelalterlichen Rom":
- Dass die Antike Wissenschaft und Zivilisation auf hohem Niveau besaß und all das dann plötzlich im Orkus verschwand, um nach tausend Jahren wiedergeboren zu werden, findet Fomenko weitaus unwahrscheinlicher als dass tatsächlich diese Blüten nur einmal geboren wurden, vor tausend Jahren, und dann kontinuierlich in die Moderne übergingen, nur um halt in den nachfolgenden Jahrhunderten in die ferne Vergangenheit zurückdatiert zu werden.
- Roms ging aus einem Krieg hervor, der sowohl dem Trojanischen Krieg entspricht (der der Sage nach korrekt Roms Gründung vorausging) als auch den italienischen Gotenkriegen (die der scaligerischen Überlieferung dem Niedergang des Alten Roms folgten).
- Die Armut der überlieferten Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter lässt sich dadurch erklären, dass die hierfür relevanten Quellen alle weit zurück datiert wurden: So steht ein prachtvolles säkuläres Rom tiefer Vergangenheit einem bis auf Kirchengeschichte völlig leeren Rom des Mittelalters gegenüber.
- Um nachzuweisen, dass das mittelalterliche Rom erstaunliche Parallelen/Kontinuitäten zum klassischen aufwies, beruft sich Fomenko vor allem auf Ferdinand Gregorovius' "Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter", Volltext siehe hier: http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=947&kapitel=1 Gregorovius (nach Fomenko):
- Institutionen hätten die gleichen Namen getragen, die Gegenwart antiker Figuren sei verspürt worden als würden sie geisterhaft noch immer durch die Straßen wandeln, und viele Kirchen seien heidnischen Göttern gewidmet gewesen, deren Namen man einfach nur ein "St." voransetzte. Fomenko zu letzterem: Man zog das "St." einfach ab und hatte so ein paar heidnische Götter, die man in die Vergangenheit projizieren konnte.
- Viele wichtige Gebäude und Monumente gelten eben noch als überwachsen, verkommen zum Grasland, ruiniert oder nahezu restlos zerstört; und würden bald darauf als mittelalterliche Politik-Orte voll funktionstüchtig und mit ihrem ursprünglichen Namen wiederauferstehen. Für Fomenko ein Zeichen, dass sie vorher einfach nicht da waren und erst im Mittelalter dann aufgerichtet wurden.
- Rom beginne Kriege mit seinen italischen Nachbargegenden, unter, so wortwörtlich Gregorovius, einem "S.P.Q.R."-Banner, in Rückbesinnung und merkwürdigem Parallelismus zu seinen Frühzeiten. Fomenkos Interpretation ist klar.
- Gregorovius & Co. wirft Fomenko vor, unterm Einfluss von Scaliger diverse Monumente zurückdatiert zu haben, ganz einfach, weil deren Qualität und Stil fürs raue Mittelalter nicht ins Bild gepasst habe.
- Pergament sei ein viel zu teures Medium als dass sich darauf ein so wortreicher und stilvoller Schreibstil wie der der antiken Autoren entwickelt haben könne, also müssen diese Werke aus der Zeit des Papiers stammen.
- "Der 'alte' Historiker Tacitus und der bekannte Renaissance-Schreiber Poggio Bracciolini":
- Wieder abarbeiten der Poggio-Verschwörungs-/Fälschungstheorien. Fomenko geht mit Ross/Hochart nur soweit mit, dass der Tacitus eine mittelalterliche Sensibilität offenbare; das beweist für ihn aber keine Fälschung, sondern bestätigt nur, dass Tacitus ein mittelalterlicher Autor war, der die Welt des Mittelalters beschrieb.
- "Der mittelalterlich-westeuropäische Christenkult und die 'alten' heidnischen bacchischen Feierlichkeiten":
- Fomenko postuliert eine sexo-magische Variante des mittelalterlichen Christentums, in der religiöse Orgien fester Bestandteil waren. So erklärt er diverse erotisch-dionysisch-bacchische Elemente in christlicher Architektur und Illustration dieser Zeit und diverse Schilderungen wilden Nonnen-Treibens in den Klöstern. Im Nachhinein sei vieles zur Karikatur oder Verleumdung uminterpretiert worden, was eigentlich unschuldiger Ausdruck christlichen Kults gewesen sei. Geschlechtskrankheiten o.ä. hätten dann eine sittliche Neu-Orientierung notwendig gemacht: Der Kult wurde zu Degeneration und Heidentum umgedichtet, das Orgiastische in die Antike abgeschoben. Auf Papst Hildebrand wurden die Reformen zurückdatiert, weil er das Spiegelbild Jesu war.
- Fomenko hat auch seine eigene Bedeutung des Begriffs agape: Der bezeichne eben eine solche sinnlich-sexuelle klösterliche Orgie.
- "Petrarca (= Plutarch?) und die 'Renaissance der Antike'":
- Für Fomenko hat sich Petrarca von Beschreibungen des wahren Roms, Konstantinopel, "Stadt der Zaren" (Fomenko), mitreißen lassen und suchte diese Stadt, die nach neuer Lehre dem italienischen Rom identisch sein müsste, erfolglos ebendort: Wo waren in dieser Stadt, die gerade erst dem Dorf entwachsen, all die antiken Monumente? Also begann er, Artefakte des Mittelalters als Reste eines Goldenen Zeitalters zu re-interpretieren. Das antike Rom ist nichts weiter als die Reflektion des mittelalterlichen Konstantinopels.
- In seiner Erfindung des antiken Roms habe Petrarca den mythologischen Katalog des mittelalterlichen Italiens ausgeschöpft (der Ritter Cicero, der Zauberer Virsgil) und diverse Figuren zum Personal seines Entwurfs umgedeutet.
- In Petrarcas Briefen herrsche sichtbare chronologische Verwirrung: Er adressiere tatsächliche antike Gestalten, gebe all seinen Korrespondenten antike Namen, ignoriere seine mittelalterliche Gegenwart, tue so als lebe er im Altertum. Was er natürlich in Fomenkos Lesart sehr wohl tat.
- "'Altes' Griechenland und mittelalterliches Griechenland 13.-16. Jh.":
- Fomenko beruft sich wieder auf Gregorovius, "Geschichte der Stadt Athen im Mittelalter" ( http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=941&kapitel=1 ): Nach der Spätantike scheint so gut wie nichts mehr überliefert zu sein vom einstigen Kulturherz des Mittelmeeres, und selbst Konstantinopel interessiert sich kaum für Griechenland, wo offenbar jetzt die Slawen hausen.
- Erst mit den Kreuzzügen und byzantinischen Eroberungen slawisch besetzter Gebiete im Mittelalter gewinnt die Gegend an Bedeutung. Jetzt wird hier gekämpft und Politik gemacht (Thukydides schreibt sein Werk) und humanistische Philosophie vorangetrieben, für Fomenko natürlich zum ersten Mal. Franken und Slawen erfinden den Hellenismus als Gegenentwurf zu den Ottomanen, unterstützt durch Italien, wo man sich über jeden neu entdeckten altertümlichen altgriechischen Text freut (für Fomenko natürlich frisch verfasst, von Plethon o.ä.).
- Venezier = Phönizier.
- Die altgriechischen Tempel wurden nicht etwa zu Kirchen umgewidmet, sondern sind von Anfang an welche. Die Statue der Athene ist eigentlich die Heilige Jungfrau.
- Erst im 17. Jahrhundert, also ganz am Ende der Scaliger-Revision der Chronologie, begann der Westen (hier wird Fomenko recht spezifisch im Feindbild und lässt es sich nicht nehmen, ein bisschen auf Lord Elgin rumzuhacken) ernsthaft, das scaligerisch behauptete Athen in den Ruinen zu suchen. Glaubt man Fomenko, dann hatte man für die griechische Antike schon ein fertiges Idealbild im Kopf, orientiert am Bild des Alten Roms. In den nach Fomenko spätmittelalterlichen Bauten Athens wurde seitdem, bis zu Schliemann, alles abgetragen, was nicht in dieses Bild passte, Christliches genauso wie Ottomanisch-Mongolisches, bis nur noch ein paar Mauern und Säulen übrig waren, die dann auf uralt datiert wurden. Die griechische Antike rekonstruierte der Westen dann um diese Reste dessen, was eigentlich die Slawen, Christen und Ottomanen errichtet hatten.
- "Seltsame Parallelen in scaligerischer Religionsgeschichte":
- Alle heidnischen Religionen sind für Fomenko nur Abarten des Christentums: vom alten Ägypten bis zu Buddha. Nun gut, dass es hier und da Parallelen und sogar Zusammenhänge gab, das wird niemand bestreiten; für Fomenko scheint aber die Möglichkeit einer Religion, die ihren Ursprung nicht linear in seinem Jesus Christus des 12. Jahrhunderts hat, undenkbar. Überall sieht er Kreuze, und wo nicht, wurden sie halt von Chronologie-Vandalen abgeschlagen, als es darum ging, christliche Artefakte in die heidnische Antike zurückzudatieren.
- Apropos Jesus Christus. Dem entspricht für Fomenko nicht nur Papst Hildebrandt, sondern auch Herakles und der byzantinische Kaiser Herakleion.
- Fomenko fühlt sich vom Koran bestätigt, der die Heilige Mutter zur Schwester von Moses ernennt und so mal eben einige Jahrhunderte jüdischer Geschichte auflöst.
- Ebenso bestätigt sieht Fomenko sich durch die Geschichte um die Leiche des Evangelisten Johannes Markus, die Ende des 11. Jahrhunderts auf wundersame Weise zwecks Weihung einer ihm gewidmeten Kirche in Venedig aufgetaucht sein soll. Aus "auf wundersame Weise aufgetaucht" macht Fomenko "vor Ort just in dem Moment" gestorben, addiert noch die hundert Jahre hinzu, die er gerne hinzu addiert, und landet so bei einem Tod Ende des 12. Jahrhunderts für den ersten Evangelisten Jesu.
- "Das 'alte' Ägypten und das Mittelalter":
- Die scaligerischen Jahrtausende ägyptischer Geschichte basieren auf blindem Vertrauen in und Fehlinterpretation von dubiosen Königslisten; die behaupteten kulturellen Kontinuitäten und Renaissancen über extrem lange Zeiträume hinweg hält Fomenko für unwahrscheinlich/unglaubwürdig.
- Die Hittiten waren in Wirklichkeit die europäischen Goten; was man an hittitischen Ruinen gefunden haben will, wurde genauso von den Archäologen den Legenden angepasst wie das alte Athen. Nicht in Ägypten und Kleinasien spielt die Bibel, sondern in Eurasien.
- "Probleme in der scaligerischen Chronologie Indiens":
- Mit Indien macht Fomenko es sich einfach: das habe einfach gar keine Geschichte. Über das alte Indien wisse man nur etwas aus Mittelmeer-Quellen, die ja nach Fomenkos Lehre frühestens aus dem Mittelalter stammen können. Indien-eigene Quellen seien undatierbar, vage, mythisch. Mit Freuden stürzt Fomenko sich auf die Obskurität der Indus-Zivilisation. Die Mahabharata schließlich sei von Homer abgeschrieben und damit also von einem mittelalterlichen Text.
- Es gebe keine Spuren von Alexander dem Großen in Indien, vermutlich war also irgendwas Anderes als sein Invasions-Raum gemeint.
- Die Arier, das waren natürlich die Arianischen Christen, naheliegend!
- "Geschah die künstliche Verlängerung der Alten Geschichte absichtlich?":
- Viele Fehler der Chronologie brauchen keine Absicht, lassen sich als Fehlinterpretation von Jahresangaben usw. erklären. Gleichzeitig wurden aber viele chronologische Texte zur Einpassung in eine sich immer mehr standardisierende Chronologie und vielleicht auch aus politischen Gründen editiert.
- Fomenko sieht offenbar keine große Gesamtfälschung des überlieferten Textkörpers. Datierungen seien zwar oft verändert worden, aber die meisten Dokumente sind für ihn schlimmstenfalls Editionen von Originalen. Dabei geht er soweit, anerkannte Fälschungen wie zum Beispiel die Konstantinische Schenkung zu entlasten: dass sie aufs Mittelalter datiert wurden, ist in seiner Logik ja kein Widerspruch zu ihrer Echtheit.