Buch: Jakob Tanner, "Historische Anthropologie zur Einführung", 2004.
Lektüre-Notizen:
- "Einleitung: Anthropologisches Tohuwabohu":
- Internationale Geschichte der relevanten Buzzwörter im akademischen Betrieb und ihrer Distinktions-Kämpfe untereinander, bis sich die Ansätze endlich interdisziplinär zusammenrauften.
- Gegenwärtige Forschungsbereiche der "Historischen Anthropologie":
- Geschichtlichkeit des Menschen- und Selbstbildes, gerade auch in Abgrenzung zu einem wechselnden Anderen (Mensch vs. Tier, Mensch vs. Maschine).
- Geschichtlichkeit sozialer/psychologischer/biologischer Praktiken (Geburt und Tod, Eingrenzung und Ausgrenzung).
- Spannungs-Verhältnis zwischen dem Menschen als Erzeugnis der Biologie und als Erzeugnis der Kultur. Was sind Konstanten qua Natur/Genetik (think: "anthropologische Konstanten"), was (z.B. die neuronale Strickung) kann sich durch die zeitlichen / kulturellen Umstände ändern?
- "Vom Staunen in der Aufklärung zum Krisenbewusstsein um 1900":
- 18. Jahrhundert ist der große Shift der Lehren vom Menschen (vorher höchstens theologisch verbrämte Selbstreflektionen, der Subjektivismus von Descartes und Montaigne) und überhaupt Neubegründung derjenigen der Geschichte (die jetzt erst die anekdotische "Historie" zur großen Erzählung "Geschichte" erweitert). Giambattista Vico spricht von der Fortentwicklung des Menschen hin zu seiner Vollendung in der Vernunft über verschiedene Zeitalter hinweg.
- La Mettrie pflegt ein materialistisches Menschenbild, denkt sich den Menschen als (wenn auch vielleicht äußerst komplex) maschinell aufgebaut, setzt ein Kontinuum zwischen Mensch, Tier und Maschine. Ein Zitat wie von Wertow: "Wisst ihr, warum ich mich mit den Menschen überhaupt noch abgebe? Weil ich sie allen Ernstes für Maschinen halte. Andernfalls wüsste ich wenig Gründe, warum ich ihre Gesellschaft suchen sollte: Materialismus als Gegengift für den Menschenhaß."
- Idealisten wie Kant dagegen betonen die Andersheit, Unabhängigkeit des Menschen gegenüber dem profanen Tierischen / Physischen durch seinen Geist, die Vernunft, die Moral. Sie bemühen sich um eine klare, unüberwindbare Trennlinie, die die Menschheit in einem Privileg gegenüber der Natur universalistisch eint. Jemand wie Kant stellt dem Universalismus dann aber wieder ein Bein, wenn er über frühe Menschenrassen-Theorien die Natur doch wieder als Trennungs-Kriterium innerhalb der Menschheit einführt.
- Der Historismus bringt rigorose Quellen-und-Fakten-Methodik, verengt die Möglichkeiten der Geschichte aber auch auf große Männer und die Top-Down-Perspektiven aufzeichnender Staaten, deren Selbst-Legitimationen er so übernimmt. Seine System-affirmative Strömung zerbricht mit den Systemen selbst im 1. Weltkrieg. Aufstrebend dagegen die Sozialwissenschaften, mit größerem Blick auf Wirkungs-Zusammenhänge gesellschaftlicher Kräfte. Münden in Marx und wissenschaftlichen GesellschaftsUmbau-Plänen.
- Der Irrweg über die "Rassen" als anthropologische Determinante. Vergewissert sich seiner Bedeutung durch die wissenschaftliche Aura seiner Katalogisierungs- und Vermessungs-Spielchen, verläuft sich in deren Bedeutung ("Naturalisierung des Sozialen", S.56), endet in allgemein bekannten Katastrophen und diskreditiert "physische" Anthropologie nachhaltig.
- Mit der ebenfalls jäh in einer Sackgasse endenden "philosophischen" Anthropologie gelingt es Arnold Gehlen immerhin, sich sowohl bei den Nazis als auch beim Sozialismus anzubiedern. Ordnungsdenken!
- Sehr viel peezeher: KulturAnthropologen und PsychoAnalytiker beschwärmen die Lebenswelten der "Primitiven", versuchen sich reinzuversetzen und suchen nach "Archetypen" menschlicher Vorstellungskraft.
- Foucault baut die großen Meta-Geschichten der Wissenschaft vom Menschen und der Geschichte. Wie der Mensch verwissenschaftlicht wird. Der Wahnsinnige als der perfekte Angriffspunkt dieser Verwissenschaftlichung, gerade weil er die Vernunft und damit seine Stellung als über die Natur erhabenes Subjekt verliert, zum Objekt gerät, aus dem sich die Natur herauslesen lässt.
- "Geschichtswissenschaft und Anthropologie im 20. Jahrhundert":
- Annales-Schule: Anfang mit Marc Bloch, Lucien Febvre, Fernand Braudel. Widerstand gegen eine Geschichte, die Begriffe, Institutionen, Mentalitäten als fortwährend, stabil annimmt. Schwer-/Unverständlichkeit von Vergangenheiten, deren begriffliche Voraussetzungen, Handlungs-Möglichkeiten ganz andere als die unseren sind. Geschichte sich verändernder Traditionen, Lebensformen, Mentalitäten statt Geschichte von Ereignissen. Offenheit gegenüber anthropologischem Strukturalismus von Claude Levi-Strauss.
- Annales-Schule: Unterordnung des Einzelnen unter die Gewalt der Perioden und ihrer Mentalitäten. Das Individuum ist eine Abstraktion, der Mensch sozial, der Einzelne gerade mal ein Knoten im Netzwerk seiner Zeit. Später, bei Roger Chartier und Jacques Ranciere, wird dieses Modell kritisiert als Determinismus und Stabilitäts-Glaube: Wo ist hier der Raum für Eigensinn und Veränderung? Kein Raum/Impuls für Revolutionen, wo Veränderungen immer nur in der "longue duree" der Geschichte entstehen können.
- In den USA muss die Anthropologie erstmal ihren Randstatus überwinden als Geschichtswissenschafts-Ersatz für die BuschVölker ohne schriftliche Quellen, dann kommt Clifford Geertz. In Italien, wo Carlo Ginzburg, entwickelt man die "microstoria" gegen die dominierende marxistische Makro-Geschichte.
- In Deutschland Begeisterung für Geschichte von Unten, Landstrich, Alltag als politisches Statement im Rahmen von Umwelt-, Friedens- usw. Bewegung. Zergliederung des Alltags als Reproduktion von Macht-Strukturen, aber auch als Abwehr des Kleinen gegen das Große, Beständigkeit des kleinen Mannes gegen die Gesellschaft des verachteten Fortschritts. Atomisierung. Einfühlung/Identifikation, "oral history", "teilnehmende Beobachtung" statt erhabener kolonialistischer Blick der "histoire totale".
- Historische Anthropologie als Hinwendung zu materiellen Alltags-Spuren, Abwendung vom Klammern an Textquellen. So erfahren wir in Auswertung der Kadaver, dass die Bauern Kühe aßen, auch wenn wir bisher aus den Texten dachten, im Mittelalter sei Schwein das Hauptgericht gewesen -- war es auch, aber eben nur am Hofe, wo man das Essen schriftlich protokollierte.
- Marc Blochs chronologiekritisch betrachtet überaus kühler Spruch, mit einer anständigen Katastrophe sei dem Historiker mehr gedient, weil sie die Überzahl, verwirrende Masse an Quellen auf ein zu managendes Maß einschränken würde.
- "Probleme und Perspektiven der Historischen Anthropologie":
- Wozu Geschichte überhaupt durch den Begriff des "Menschen" aufrollen? Bezeichnet der überhaupt irgendwas brauchbar bzw. was bringt das Betrachten von Menschen überhaupt? Tanner macht zu prominenten Gegnern des Begriffes: Adorno ("Negative Dialektik", gegen Gehlen), Foucault ("Gesicht im Sand"), Louis Althusser ("theoretischer Antihumanismus"), Niklas Luhmann ("Erkenntnisblockierungen"), Friedrich Kittler ("Sinnkonstitution von Gnaden eines Subjekts historisch auf den Hund gekommen"), Derrida.
- Viel spannendere Frage: Was bringt es, Geschichte durch Individuen aufzurollen, und inwieweit funktionieren Menschen überhaupt als solche? Menschen funktionieren nur sozial, da stimmen sogar die Ökonomen zu. Problematisch: Vertrauen in ihre Selbstbestimmtheit gegenüber der Welt (Geschichte der großen Namen), ihre rational choice, eine Objektivität ihres subjektives Wissens/Erinnerns/Verstehens. Sie als Blickpunkt zu benutzen, heißt nicht notwendigerweise, an sie zu glauben.
- Letztlich das Gegeneinander von Mikro- und Makro-Geschichte. Makro-Geschichte neigt dazu, in groben Pinselstrichen zu vereinfachen und alles über die großen Körper zu determinieren, die ihr sichtbar scheinen: Hammer, Nagel. Mikro-Geschichte verengt den Blick, macht Vieles unbegreiflich. Gewinnbringend: experimentell, kaleidoskopisch zwischen den Ebenen umherwechseln. Des einen Blickes Handlungsfreiheit ist des anderen Blickes Zwang. Suche nach Widersprüchen, Komplexität zwischen den Ebenen.
- Hinterfragung vermeintlicher Beständigkeiten im menschlichen Verhalten. Aufhebung der sauberen Trennung zwischen dem, was dem Menschen qua Natur eingeschrieben sei, und dem, was die Geschichte ihn machen lässt. Beständigkeiten, Normalitäten des Menschlichen kommen oft nicht einfach vom Gencode, sondern leiten sich ab von den Umständen, werden sogar aktiv kulturell geschaffen, gefördert, erhalten.
- Geschichtlichkeit des menschlichen Körpers. Seine unklaren Grenzen im Mittelalter ("der offene, groteske Leib des Mittelalters und der Frühen Neuzeit", S. 124) gegen seine spätere standardisierend-kontrollierende Eingrenzung (siehe Foucault) und die medizinische Festlegung des Gesund-Normalen. Dem gegenüber öffnet ein Bild des Körpers als erster instrumentalisierbarer Technik des Menschen ihn cyborgisch bis zum gesamten Maschinen- und Deformations-Raum.
- Der cartesische homo duplex zwischen gebundener Materie des Körpers/der Welt und freiem Geist des Individuums gaukelt fragwürdige Gegensätze vor von Natur und Kultur, biologischer Konstante und Geschichtlichkeit, "Stoff/Form, weiblich/männlich, passiv/aktiv, emotional/rational, privat/öffentlich" (S. 125). Tief eingeschrieben in diverse unserer Annahmen, gehört aber historisch kritisch aufgeschüttelt.
- Die Trennung zwischen dem Alltag und dem Einzelnen einerseits und andererseits der Politik/Institution/Geschichte, wie sie ja auch gerne in einer Geschichte-von-unten oder des Kleinen gegen das Große gepflegt wird, übersieht die Gemachtheit auch dieser Trennlinien, befördert ein Vertrauen in die Autonomie des Privaten. Statt einer Geschichte des privaten Alltags: Geschichte des Banalen, Gewohnten, Unerwähnt-Normalen -- gerade auch in der Fabrik, der Bürokratie, der Institution, der Macht.
- "Der Anthropos im Lichte naturwissenschaftlicher Forschung":
- Ist der Mensch das Besondere, klar von den Tieren Abgegrenzte, oder steht er in dichter Kontinuität zu ihnen, hat den Affen nur ein paar IQ voraus? Letztere Position, mit all ihren ethischen Peter-Singer-Implikationen, hat wissenschaftlich Einiges für sich sprechen (DNA-Prozente, Primaten-Verhalten), taugt aber zugleich zur Erklärung vieler kultureller, geschichtlicher Fragen nur wenig. Es gibt Kontinuitäten, aber in Vielem sind sie halt nicht dicht, sondern enthalten ganz schön weite Sprünge.
- Der Schock, als in der Zeit der Aufklärung die Erd- und damit auch die Lebens-Geschichte von sechstausend auf Milliarden von Jahren wuchs. "[S]chwindelerregend".
- These der Koevolution von Intelligenz/Kultur und Genen nicht uninteressant, aber eher sinnig für Zeiträume weit außerhalb des Untersuchungsgebiets Historischer Anthropologie. Brauchbarer schon Idee der kulturellen Formung, Entwicklungs-Lenkung des biologischen Körpers unabhängig seiner Gene. Nicht nur das Gehirn lernt und passt sich an, sondern die Gesamtheit der Organe, sagt zum Beispiel die Geschlechterforschung. Zur historischen Anpassbarkeit des Gehirns auch eine Fußnote zu Julian Jaynes.
- Insgesamt ist die Hirnforschung aber noch zu früh im Herumstocher-Stadium, um Historischer Anthropologie interessantes Futter zu liefern. Tanner warnt auch davor, allzuviel von einer Isolation auf dieses Organ zu erwarten: Der Glaube ans Gehirn als alles intelligent steuerndem Organ dupliziert nur den losgelösten Geist des homo duplex. Plausibler, dass sich hier Symbol- und Sprach-Schnittstellen einschreiben, die den Geist dann im Dialog mit Kultur und Welt emergieren lassen, statt im Schädel.
- Attraktiver schon die mathematisch-ökonomisch-psychologischen Ansätze zwischen SpielTheorie und KognitionsWissenschaften. Da muss man natürlich erstmal diverse Thesen vom super-rationalen, ständig reflektierenden und sich bewusst entscheidenden Individuum wegräumen, dann hat man aber irgendwann plausiblere Formeln von automatisiertem Verhalten, das nur in Ausnahme-Fällen sich zu einer Entscheidung oder Reflektion triggert, oder sich auf Emotionen und andere eher weiche Heuristiken verlässt.
- Vereinfachen zwecks mathematischer Systematisierung, oder lieber deskriptiv Komplexitäten bewahren, Akzeptieren der unverrechenbaren Unterschiedlichkeit der Kulturen und Individuen? Vielleicht ein falscher Gegensatz. Formel und Komplexität schließen sich ja nicht aus, im Gegenteil. Fraktale zeigen, wie aus einfacher Formel unendliche Komplexität entsteht. Und vermeintliche Unverrechenbarkeit zweier getrennter Körper/Kulturen/Individuen ist ja oft auch die Frage, wo man die Trennung ansetzt.
- "Geschichte und symmetrische Anthropologie":
- Natur und Kultur bzw. Mensch und Geschichte, das ist ein zirkuläres Verhältnis gegenseitiger Gestaltung -- das ist die "Symmetrie". Die Auflösung der Dichotomie Natur und Kultur ist Aufgabe der Historischen Anthropologie.
- Die andere Symmetrie liegt zwischen mir und der Welt, dem Eigenen und dem Anderen, dem Bekannten und dem Fremden. Tatsächlich gibt es nämlich sowohl im Eigenen wie im Fremden Bekanntes und Unbekanntes. Die Grenzlinie lässt sich immer auch anders ziehen. Wer den Blick für das Fremde in der eigenen Kultur stärkt, erkennt zugleich das Ähnliche in der anderen Kultur. Eine alternative Strategie zur Entscheidung zwischen Universalismus und Relativismus, beide gleichermaßen kolonialistisch.
- Zwei Modelle der Vereinigung von Mensch und Natur: 1. Der Mensch verwandelt die Natur durch Arbeit in Kultur, verwirklicht sich durch ihre Unterwerfung, bis die Kultur die Natur ganz aufgefressen hat. Karl Marx und irgendwas mit Hannah Arendt. 2. Beides ging schon immer ineinander über, steht in einem Austausch miteinander und schaukelt sich so hoch. Tanners Sympathie liegt bei #2.
- Kybernetik, Norbert Wiener, Claude Shannon, die Lehre von den Informationsflüssen und ihrer steuernden Wirkungen untereinander, von der Geschichtswissenschaft ignoriert, aber aufgeschlagen bei den Psychoanalytikern und Strukturalisten, bei Lacan und Levi-Strauss. Wär doch auch was für die Historische Anthropologie, Untersuchung der Informationsflüsse zwischen den Menschen, in den Kulturen. Anerkennung, dass Information etwas den Menschen Äußeres sein kann, deren Teilhabe an ihr die an der Welt.
- Überhaupt, Medien. Mensch und Medien schaukeln sich hoch. Wie Schrift und Lesetechnik (laut, leise) den menschlichen Geist, das Ich-Verständnis formten. Die Autoritäten lagen nicht falsch in ihrer Furcht vor der Lesesucht, denn diese informierte nicht nur (wie, durch Herzschmerz-Romane?), sie schuf neue Subjekte. Zugleich präfigurieren neue Subjekte, neue Denkweisen auch wieder neue Kulturtechniken. Der Roman des 19. Jahrhunderts brachte das Kino hervor.
- Gibt es auch ein Ping Pong zwischen Mensch und Technik, Mensch und Medium, Mensch und Sprache, des gegenseitigen Beeinflussens, so muss doch anerkannt werden, dass letztere jeweils auch ein Eigenes, "eine nichtmenschliche, eine 'unmenschliche' Dimension" (S. 176) enthalten. Eine Intelligenz, ein Leben außerhalb des Menschen? (Könnten sie notfalls auch ohne ihn fortexistieren, fortwirken?)
- Freude über die vernetzt-digitale Gesellschaft -- was das aufwirft an neuer historischer Anthropologie, was das mit "dem Menschen" macht! (Schon vorher ein Marshall-McLuhan-Zitat in Begeisterung darüber, dass die Menschen jetzt ihre Hirnrinde als Signal-Netzwerk über den Planeten legen.) Und was das erst an Neugestaltung der Ein- und Ausgrenzungen zwischen den Kulturen, den sozialen Sphären usw. bewirkt, wie das das Eigene und das Andere in vielfacher Weise neu verschaltet, perspektiviert!
- "Epilog: der 'rationale' Mensch":
- Abschied von der einen großen Theorie, Hinwendung zu den tausend Perspektiven und ihren Wechselwirkungen, und die Historische Anthropologie als einer ihrer interdisziplinären Mittler. Vor allem auch, was Polaritäten zwischen Subjekt und Objekt, Kultur und Natur, Individuum und Gesellschaft, Einzelnem und Geschichte betrifft.
- Auch die Schwimm-Technik ist ebendas: eine Technik. Sie ist nicht genetisch im Menschen vorbestimmt. Sie wird ihm institutionell vermittelt.
- Der einzelne Mensch ist weder "autonom" noch "rational" noch "selbsttransparent", jedenfalls nicht in absoluten Begriffen. Heißt aber nicht, dass man die Ideen hinter diesen Begriffen ignorieren sollte -- sie und die Inhalte, mit denen Gesellschaften wie Einzelne sie füllen, sind ergiebige Untersuchungsgegenstände. Wenn wir nachträglich unser Handeln rationalisieren, erfasst diese Rationalisierung vielleicht nicht den "wahren" Grund der Handlung, aber sagt viel über die Mentalität unserer Zeit aus.
- Die italienischen Futuristen und ihre Betonung einer neuen Mentalität, eines neuen Menschen im Zuge einer neuen technologischen Zeit -- riecht dem Geist der Historischen Anthropologie durchaus sympathisch, trägt aber natürlich fiese Wegsäbel- und Umerziehungs-Assoziationen mit sich. Aber die ergeben sich halt aus Blindheiten gegenüber der komplexen Ganzheitlichkeit und Verbundenheit der Systeme, die man ja wissenschaftlich zu überwinden trachten kann.
Oh, nachdenkliche Zusammenfassung.
Im Detail anmerken könnte man, dass die oft gehörte Behauptung, die Evolution hätte vor 40-50.000 Jahren gestoppt, wahrscheinlich falsch ist, sondern dass sie sich eher beschleunigt haben könnte.
Berühmtes Beispiel ist die Laktosetoleranz, die sich noch in historischen Zeiten ausgebreitet hat.
Man kann sich sicher einigen, dass es eine Wechselwirkung zwischen Kultur und Genetik gibt, nichts ist ausschließliche Ursache des anderen, aber Letztere wäre dann für Untersuchungen eine stabilere Ausgangsbasis zum Finden von Mustern.