Vielleicht nicht optimal übersetzt ("L'invention de soi. Une théorie de l'identité"): Jean-Claude Kaufmann, "Die Erfindung des Ich. Eine Theorie der Identität".
Thesen-Stichpunkte:
- Stärkung des Individuum, des Ego, in Folge der wachsenden Komplexität der Gesellschaft, deren Identitäts- und damit Verhaltensplan-Stiftungen inkohärent, unbefolgbar wurde (siehe auch: Julian Jaynes); die Arbeit, Pläne, Entscheidungsvorlagen fürs Verhalten zu bauen, wird so an ein erstarkendes "Subjekt" ausgelagert
- diese Arbeit ist die Arbeit der Identitäts-Konstruktion; Identitäten geben als Selbstverortungen Verhaltenspläne, Entscheidngsvorlagen
- ständiges Hin und Her zwischen verschiedenen und verschieden tief inkorporierten Identitäten; Identitäts-Schemata werden erfunden, im Geiste wie auch real durchprobiert, auf Feedback wird gewartet, in die eine oder andere Richtung verstärkt
- Identitäten sind Kontext-abhängig und ständig im Fluss, hängen zwischen Ich und dem Kollektiv, zwischen der langen biographischen Erzählung und dem unmittelbaren Jetzt, können sich ausdehnen auf weitere Identitätskörper, bis hin in die digitalen Texte, in die das Selbst sich expandieren, externalisieren kann (evtl. Wunschvorstellung von plomlompom in den Text hinein)
- zu verschiedenen Gelegenheiten ist mal mehr und mal weniger Kreativität in der Identitätsarbeit gefragt oder auch nur möglich; die Ruhe liegt darin, überhaupt nicht an der eigenen Identitätskonfiguration pfeilen zu müssen, auf Eingeübtes unreflektiert zurückgreifen zu können, in der schöpferischen Identitäts-Erfindungsarbeit dagegen liegen Stress und Mühe
- daran politisches Abarbeiten; soziale Schichtung zum Beispiel danach, wie groß das Inventar an Bausteinen ist, aus denen man eigene Identitäten zusammenbauen kann; wie groß (Erfahrungs-, Bildungs-bedingt) ist das Vokabular der Vorstellungskraft, wie frei sind die Gelegenheiten des Ausprobierens, wie brisant die Gefahr des Verlustes von Sicherheit, wie hoch die Chance auf Selbst-Bestätigung
- Identitäten zwischen vereinnahmenden Totalitäten und nutzbaren Ressourcen; derjenige, der mit Sicherheit im Rücken souverän zwischen vielen verschiedenen Identitäten hin und her switchen kann, wird es besser haben und wird sie spielerischer und zwangloser benutzen können als derjenige, der nur zwischen wenigen eng miteinander verstrickten Identitäten wählen kann, sich ihnen selbstversklavend hingeben muss, um überhaupt irgendeinen identitären Rückhalt finden zu können